Jack Nicholson wird 80Ein Mann mit Abgründen und Prinzipien

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Jack Nicholson als Joker

Jack Nicholson als Joker in „Batman“ (1989)

Köln – Schon in der Schule will Jack Nicholson gewusst haben, dass er Schauspieler werden wird. Der Klassenclown war er damals sowieso, auch wenn es von da bis zum Joker noch ein weiter Weg gewesen sein mag. Eines jedenfalls beherrscht er von klein auf perfekt, das Grimassenschneiden, das Feixen, das sardonische Grinsen bis zu dem Punkt, an dem das Ganze nicht mehr lustig wirkt. Es gibt nicht viele Schauspieler wie ihn, die den Punkt so genau treffen, an dem die Komik ins Grausame umschlagen kann.

Als 17-Jähriger fand er erst einmal einen Job in einem Spielzeuggeschäft und anschließend eine Anstellung als Botenjunge in der Trickfilmabteilung der Filmgesellschaft MGM. Dort beantwortete er auch die Fanpost, die den beiden Zeichentrickfiguren Tom und Jerry ins Haus flatterte. In gewisser Weise ist Nicholson also die filmische Entsprechung des amerikanischen Ur-Mythos, nachdem sich jeder vom Tellerwäscher zum Millionär mausern kann. In seinem Fall hieß das die erste Liga Hollywoods, mit Rollen in Filmen, die längst zu Klassikern des modernen Kinos avanciert sind: „Chinatown“ und „Einer flog über das Kuckucksnest“, „Easy Rider“ und natürlich „Shining“.

Mutter minderjährig, Vater unbekannt

Nicholson wurde 1937 in New York geboren. Die Familienverhältnisse, denen er entstammte, unübersichtlich zu nennen, wäre eine grandiose Untertreibung – sie sind bis heute nicht vollständig entwirrt worden. Seine Mutter war zum Zeitpunkt seiner Geburt minderjährig. Lange hielt er sie für seine ältere Schwester, denn aufgezogen wurde er von der Großmutter. Der angebliche Vater, in Wahrheit sein daueralkoholisierter Großvater, türmte, als Jack noch ein Baby war. Sein wirklicher Vater konnte auch dann nicht aufgetrieben werden, als ein Reporter des Time Magazine in den 70er Jahren umfassende Recherchen anstellte.

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Wer sich am eigenen Schopf aus einem solchen Sumpf zieht und zu einem der meistdekorierten Akteure des amerikanischen Films aufsteigt, muss wohl vieles auf einmal sein – besonders ehrgeizig, mit einer gewissen Härte ausgestattet, vielleicht auch mit einem ausgeprägten Hang zu Risiko und Spiel. Auf jeden Fall kannte Jack Nicholson nie die geringste Scheu, sich den Extremen zu stellen, ob als Aufrührer in einem stockkonservativen Irrenhaus, als axtschwingender Vater in einem winterlich verödeten, schnee- und sturmumtosten Hotelkasten, oder auch zuletzt in seinen Altersrollen, in denen ihm der „Jack in the Box“-Effekt oft nicht mehr ganz so gut gelingen wollte.

Der Durchbruch kam mit „Easy Rider“

Seinen bislang letzten Leinwand-Auftritt hatte er 2010 in einer Nebenrolle in der harmlosen Komödie „Woher weißt Du, dass es Liebe ist?“, dann wurde es still um ihn und es kursierten Gerüchte, dass er an Alzheimer leide. Doch just vor einigen Monaten meldete sich Nicholson mit einer spektakulären Nachricht zurück: Er wolle das amerikanische Remake des deutschen Erfolgsfilms „Toni Erdmann“ produzieren, und für die Rolle des verschrobenen Vaters komme natürlich niemand anderer in Frage als er selbst.

Mit einem solchen Projekt könnte Nicholson tatsächlich den Bogen zurück schlagen zu all den verrückten, irritierenden und vor Energie berstenden Charakteren, denen er Leben eingehaucht hat. Seinen Durchbruch feierte er 1969 in Dennis Hoppers „Easy Rider“. Darin spielte er den drogensüchtigen Anwalt George Hanson, der zwei Aussteiger (Hopper und Peter Fonda) aus dem Gefängnis heraushaut und daraufhin in den heiligen Club der Harley-Biker aufgenommen wird. „Easy Rider“ setzte dem amerikanischen Freiheitstraum am Ende der 60er Jahre ein Denkmal – und besorgte zugleich dessen Abriss. Am Ende werden die Hippies von den Rednecks erschossen, und der Highway führt nicht mehr in ein besseres Land.

Vom Außenseiter zum Mann, der ans Äußerste ging

Der kaputte, abgefuckte Außenseiter, der Mann mit Abgründen, der trotzdem an seinen Prinzipien festhält, das war das Profil, das Nicholson seit jeher am besten stand. Als cooler Anwalt J.J. Gites im von der Dürre geplagten Los Angeles in Roman Polanskis „Chinatown“, in dem er sich eine legendäre Verletzung der Nase einhandelt. Als Krimineller Randle Patrick McMurphy, der in „Einer flog über das Kuckucksnest“ einen Dachschaden vortäuscht und gemeinsam mit Will Sampson als Indianerhäuptling die Psychiatrie aufmischt – wobei die beiden zu einem der anrührendsten Rebellenpaare der Filmgeschichte zusammenwachsen.

Und als Jack Torrance in Stanley Kubricks „Shining“, einem Meilenstein des neuen amerikanischen Films, der auf melodramatische Effekte des Horrorgenres verzichtet, um dabei trotzdem reiner Horror zu sein und zugleich tief ins Innere der Psyche zu reisen – mit einem Jack Nicholson, der ans Äußerste ging und nie wieder so unheimlich wirkte wie in der Schneewüste von Colorado.

An diesem Wochenende nun feiert der Schauspieler seinen 80. Geburtstag. Wetten, dass es zahlreiche Gratulanten und Geschenke gibt und der Postmann nicht erst zweimal klingeln muss?

Zur Person

Jack Nicholson war zwölfmal für den Oscar nominiert – er gewann ihn dreimal: zwei Oscars als Bester Hauptdarsteller für „Einer flog über das Kuckucksnest“ (1975) und für „Besser geht’s nicht“ (1997) – und einen als Bester Nebendarsteller für „Zeit der Zärtlichkeit“ (1984).

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