Kölner Kulturpreis„Meine Vision ist ein Haus für Erinnern und Demokratie“

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Werner Jung

Werner Jung

  • Werner Jung wurde vom Kölner Kulturrat mit dem Ehrenpreis geehrt.
  • Der Leiter des NS-Dok meldet den 14. Besucherrekord in Folge.

Herr Jung, Ihr Haus ist unter den städtischen Museen eines der am stärksten besuchten. Was machen Sie besser als andere Kölner Häuser?

Zunächst glaube ich, dass in allen Häusern eine gute Arbeit geleistet wird. Bei uns ist eine Dynamik entstanden. Jeder merkt: der Laden brummt. Ich erkläre mir den großen Erfolg nicht aus dem Vergleich mit anderen, sondern als Entwicklung aus unserer Einrichtung heraus. Es handelt sich um eine sehr kontinuierliche Arbeit, seit wir 1997 die Ausstellung „Köln im Nationalsozialismus“ gemacht haben. Es ist ja schon etwas Ungewöhnliches, wenn man einen Jahresbericht vorstellt und sagen kann, dass man zum 14. Mal in Folge einen Besucherrekord erzielt hat. Eine Verdreifachung der Besucherzahl seit 2003 – das ist für eine solche Einrichtung doch sehr viel. Das ist ein Zuspruch für die Museumspädagogik, für die Präsentation und die Vielfältigkeit des Angebots.

Es gibt zahlreiche Schüler, die das Haus besuchen, aber es gibt auch darüber hinaus ein großes Interesse. Auch aus dem Ausland?

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Das ist so. Das merken wir nicht nur daran, wie stark unsere Audioguides genutzt werden, die es in acht Sprachen gibt. Auch im Netz sind wir gut vertreten. Nehmen Sie nur das Reiseportal Tripadvisor! Dort werden die Nutzer nach einem Köln-Besuch auch nach den touristischen Attraktionen der Stadt befragt. Da werden wir nach dem Kölner Dom auf Platz vier, drei oder auch mal zwei genannt.

Zur Person

Werner Jung, 1954 in Köln geboren, ist seit 2002 Direktor des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln im EL-DE-Haus am Appellhofplatz. Dazu gehört die Gedenkstätte Gestapo-Gefängnis sowie die „Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus“.

Sie sind fast auf den Tag genau seit 30 Jahren im Dienste der Stadt mit der Geschichte der NS-Zeit befasst. War es anfangs schwierig, für dieses Thema Gehör zu finden?

Das kann man so sagen. Das Interesse war zunächst nicht sonderlich groß. Wir waren angesiedelt in einer Unter-Unter-Abteilung des Stadtarchivs. Es war ein mühseliger Weg, ehe wir ins EL-DE-Haus einzogen, die erste Ausstellung zeigen durften, eine Dienststelle wurden und dann auch ein Museum. Heute sage ich ganz gerne: Von der Nische zum Zentrum.

Wollte die Politik eine solche Einrichtung nicht?

Das kann man nicht sagen. Aber die Initiative ging anfänglich sehr intensiv von der Bürgerschaft aus. Das zeichnet übrigens alle Gedenkstätten aus. Schon 1979 gab es den Beschluss zur Gründung eines NS-Dokumentationszentrums. Aber das wurde dann erst einmal nicht so richtig weiterverfolgt. Dann gab es 1987 noch einmal einen entsprechenden Beschluss. Und bevor wir in Köln so richtig wahrgenommen wurden, wurden wir von außen wahrgenommen, etwa vom Internationalen Museumsverbund Icom. Ich sage immer, dass wir ein Museum plus sind – ein Museum und eine europaweit einzigartige Gedenkstätte. So viele Inschriften von Gefangenen der Gestapo wie bei uns gibt es sonst nirgends. Wir müssen nichts inszenieren, sondern haben einen authentischen Ort. Das ist ein Magnet.

Und als Gedenkstätte möchte man hineinwirken in die Gesellschaft.

Das ist richtig. Wenn man sich mit der NS-Zeit befasst, geht es um zwei Impulse: Zum einen will man als Forschungseinrichtung ganz genau wissen, was war. Der zweite Impuls ist, den Leuten das Thema so nahezubringen, dass es nicht noch einmal so passiert. Dazu haben wir mittlerweile auch ein zweites Standbein mit der Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus. Man darf die Dinge natürlich nicht vorschnell vermengen. Aber man muss auch Gemeinsamkeiten erkennen.

Damit stehen sie mitten in der politischen Debatte.

Unsere Antwort auf die aktuelle Herausforderung möchte ich noch weiter verstärken. Dies ist für mich ein neues und wichtiges Projekt. Das EL-DE-Haus, die ehemalige Gestapo-Zentrale Kölns, war nach 1945 unter anderem Sitz des Standesamtes und der Rentenstelle. Es ist, glaube ich, an der Zeit, dieses Gebäude vollständig dem NS-Dokumentationszentrum für seine Zwecke zur Verfügung zu stellen. Mir geht es darum, hier ein Haus für Erinnern und Demokratie zu etablieren. Dafür sprechen die Anforderungen angesichts der Flüchtlingsproblematik, des Aufkommens rechtsextremer Gewalt und der rechtspopulistischen Strömungen. Da könnte ein solches Haus eine wichtige Anlaufstelle sein.

Was benötigen Sie konkret?

Wir würden zwei weitere Etagen nutzen wollen, die derzeit vom Rechtsamt und dem Personalrat Kultur belegt sind. Es kommt ja immer die Frage auf: Was kann man im Kampf gegen Rechtsextremismus machen? Die Info- und Bildungsstelle macht in diesem Bereich eine sehr gute Arbeit. Um das alles umsetzen zu können, brauchen wir größere Veranstaltungs- und Gruppenräume. Wir haben 2200 Führungen im Jahr – dafür würden wir gerne ein Angebot entwickeln und diese Führungen abrunden mit einer Nachbetrachtung.

Das klingt nach einer neuen Etappe für das NS-Dok ...

Meine Devise ist: Klein-klein kann jeder. Man muss mit großen Visionen vorangehen und dieses Wort unverkrampft in den Mund nehmen. So habe ich es immer gehalten. Mit einigem Selbstbewusstsein kann ich sagen: Wir haben die Zahl der Stellen verdoppelt und auch die der Mittel. Und wir liefern Spitzenleistungen in allen Teilbereichen des Hauses.

OB Henriette Reker hat kürzlich die Etablierung einer Generaldirektion für die Kölner Museen ins Gespräch gebracht. Was halten Sie davon?

Das eine ist, dass wir Museumsdirektoren nichts darüber wissen und daher erst einmal abwarten, was damit gemeint ist. Das andere ist, dass es ein sehr hohes Gut ist, die Eigenständigkeit der Institutionen zu wahren.

Das Gespräch führte Martin Oehlen

Auszeichnung des Kölner Kulturrates

Zur Kulturmanagerin des Jahres 2015 wurde im Rahmen des Kölner Kulturpreises Hannelore Vogt gewählt. Werner Jung wird mit dem Ehrenpreis geehrt. Für das Kulturereignis 2015 wurden die Kölner Theaternacht, die lit.Cologne und die Kölner Musiknacht nominiert. Die Preisverleihung findet am 29. Juni 2016 statt. Der Kölner Kulturpreis ist eine Initiative des Kölner Kulturrates und wird von Generali Deutschland gefördert.

Der Jury gehörten an: Gerhart Baum (Vorsitzender), Peter Bach, Stephan Berg, Klaus Bittner, Hermann Hollmann, Dietmar Meister, Martin Oehlen, Olaf Wegner, Regina Wyrwoll.

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