Lily Brett bei der lit.CologneEin Leben voller Überraschungen

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Die australisch-amerikanische Schauspielerin stellte ihr Buch "Immer noch New York" vor.

Die australisch-amerikanische Schauspielerin stellte ihr Buch "Immer noch New York" vor.

Köln – Eigentlich wollte sie vor vielen Jahren gar nicht nach New York. Aber Lily Brett folgte der Liebe. Die Stadt packte sie. Und Lily Brett blieb.

25 Jahre sind vergangenen, ein Vierteljahrhundert lebt die australisch-amerikanische Autorin nun in der wohl schillerndsten Metropole der Welt. Seither führt sie nicht nur eine Beziehung zu ihrem Ehemann, dem Maler David Rankin. Diese Dreiecksbeziehung spiegelt sich auch in Bretts neuestem Buch „Immer noch New York“ wider, einer charmanten Lektüre über eine Stadt, in der stets etwas Unerwartetes geschieht.

„Das ist aber kein Reiseführer“, stellt die Schriftstellerin („Lola Bensky“, „Chuzpe“) mit den großen, dunklen Augen und den dichten Locken im Rahmen der lit.Cologne am Freitagabend in den Balloni Hallen klar. Es ist vielmehr ein ganz eigenwilliger Blick auf eine Stadt, die an jeder Ecke mit einer Überraschung aufwartet und in der man niemals einsam ist.


Aus Luba wurde Lily

Tragik und Komik liegen, wie so oft bei Lily Brett, auch hier nah beieinander. Denn ihr Blick auf die Stadt ist immer wieder auch ein Blick auf sich selbst. Brett wurde 1946 in einem bayerischen Lager für Displaced Persons geboren. Ihre Eltern Max und Rose Brajsztajn, polnische Juden aus Lodz, waren Ausschwitzüberlebende, die kleine Luba eines der ersten Kinder, das nach dem Holocaust geboren wurde. 1948 wanderte die Familie nach Australien aus. In Melbourne wurden aus den Brajsztajns die Bretts, und Luba hieß ab sofort Lily. 
Eigentlich sollte sie einmal „die beste Anwältin der Welt“ werden, erzählt die Schriftstellerin ihrem Publikum in Ehrenfeld. „Das wollte mein Vater so.“ Aber statt für ihre Prüfungen zu lernen, schaute sich die junge Lily Brett lieber Alfred Hitchcocks „Psycho“ an. Mit 19 Jahren begann sie, für ein australisches Rockmagazin zu schreiben und interviewte unter andrem Jimi Hendrix und die Rolling Stones. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte die heute 68-Jährige mehr durch Zufall, der Journalismus brachte sie zur Belletristik.

In ihren autobiografisch angehauchten Büchern verarbeitet Lily Brett das Erlebte. Das immer währende Gefühl, anders zu sein. Den Schmerz der Mutter, die den unsäglichen Albtraum nie ganz verarbeiten konnte. Die Bürde der Vergangenheit wurde auch für Lily Brett zur Last. „Aber sie war auch ein Geschenk“, sagt sie. „Sie hat mich zu der Person gemacht, die ich bin.“

Vielfältiges Leben in New York

Ob im Gespräch über Sex mit ihrer russischen Kosmetikerin Galina oder beim schweißtreibenden Dessous-Kauf mit Ehemann David in Greenwich Village - in „Immer noch New York“ bringt Brett dem Leser nun das facettenreiche Leben in New York, das sie übrigens auch schon in ihrer Kolumne für „Die Zeit“ portraitiert hat, anhand persönlicher Erlebnisse näher. Mit viel Selbstironie und trockenem Humor schildert sie ihre eigene Geschichte in der flimmernden Stadt und erklärt dabei nicht nur, warum sie ganz eindeutig Jüdin sei - sie koche unheimlich viel und mache sich immerzu Sorgen -, sondern auch, warum sie mittlerweile selbst eine waschechte New Yorkerin ist: „Ich gerate in Panik, wenn die New York Times nicht rechtzeitig zugestellt wird. Aber in Notfällen bin ich ganz ruhig. Da bin ich eine echte New Yorkerin. New Yorker geraten fast nie in Panik.“


Indem sich Brett selbst den Spiegel vorhält, fängt sie nicht nur den Alltag in der pulsierenden amerikanischen Metropole ein, sondern ist auch nah dran an den ganz großen Themen des Lebens. Ihre Familie bedeutet Lily Brett alles. Es rührt zutiefst, mit wie viel Liebe sie über ihre Mutter schreibt, wie viel Zuneigung und tiefe Verbundenheit in den Zeilen über deren Brillen stecken. „Ich vermisse sie“, sagt Lily Brett. Ihr Schwermut in diesem Moment erfüllt den Saal. Aber ebenso ihr Kichern, als sie von ihrem 98-jährigen Vater erzählt, der ebenfalls in New York wohnt, für sein Leben gerne Schokolade isst und dessen Liebe für Frauen mit üppigem Dekolleté auch im hohen Alter ungebrochen ist. Trotz ihrer traumatischen Erlebnisse in Deutschland seien ihre Eltern nie verbittert gewesen, erzählt Lily Brett. „Der Humor hat sie gerettet.“ Er rettet auch Lily Brett.

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