Stratmann und Co.Verschiedene Fassungen von Hänsel und Gretel auf lit.Cologne

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Cordola stratmann

Cordola Stratmann 2015. Nun trug sie auf der lit.Cologne 2016 ihre humorvolle Variante von Hänsel und Gretel vor.

  • Die lit.Cologne lud verschiedene Autoren dazu ein, neue Fassungen von Hänsel und Gretel zu formulieren.
  • Dabei entstanden humorvolle, satirische und dramatische Interpretationen des Märchenklassikers

Köln – Die Hexe isst keine kleinen Kinder mehr. „Die ist schon lange Veganerin.“ Für Hänsel und Gretel ist das allerdings noch nicht die Rettung. Denn diese Hexe ist Schulleiterin eines englischen Eliteinternats und quält die ihr Anvertrauten auf ihre Weise. Wohlstandsverwahrloste Kinder, die von ihren reichen, aber dauerbeschäftigten Eltern erst zur Nanny und dann ins Internat abgeschoben werden. Bei Cordula Stratmann ist das vielleicht berühmteste Geschwisterpaar der deutschen Literatur in der Gegenwart angekommen. Stratmann ist eine von fünf Autoren, die am Samstagabend im Depot 1 des Schauspiels ihre Fortsetzung des Märchens erzählen, musikalisch begleitet von Malakoff Kowalski. So heiter  wie bei ihr geht es allerdings sonst nicht zu.

Die menschenschmuggelnde Hexe

Finn-Ole Heinrich etwa verlegt das Geschehen in unsere Zeit. Bei ihm ist die Hexe eine Menschenfängerin, die als vermeintliche Helferin Flüchtende in ihrem Wagen über die Grenze nach Europa schmuggelt, um sie dort mit anderen „Soldaten der Armee der Freien im Tal“ gefangen zu halten und zu quälen. „Brachial“ nennt der Autor seine Geschichte selbst. Clemens Meyer („Als wir träumten“, „Im Stein“) lässt Hänsel mit zwei Töchtern zusammenleben, im Keller wohnt eine alte Frau, eingesperrt hinter sieben Schlössern. Der Rest sind wilde Assoziationsketten. Überhaupt fällt auf, dass die Frauen, die der Einladung der lit.Cologne gefolgt, das Märchen fortzusetzen, viel näher am Original bleiben.

Nah am Original, ebenfalls mit Happy End

Eva Menasse hat sich auch in Ton und Handlung eng an die Vorlage gehalten. Der Vater ist alt, Hänsel hat zwei Kinder, deren Mutter gestorben ist, Gretel lebt unverheiratet bei ihnen. Als die Edelsteine irgendwann zur Neige gehen, schickt sie ihren Bruder in die Fremde, um Rettung zu finden. Am Ende gibt es ein erneutes Happy End. Das Schatzkästlein hat sich auf geheimnisvolle Art wieder gefüllt, Hänsel kehrt zurück. Über allem steht die Erkenntnis: „Sicher waren sie immer nur zusammen gewesen.“

Gretel als NS-Überlebende

Bei Adriana Altaras ist Gretel schließlich eine 96 Jahre alte Dame, die im Heim lebt und scheinbar verwirrt von ihrer Jugend in Kriegszeiten berichtet. Sie, die Jüdin, floh mit Hans vor den Nazis in den Wald. Doch eine Frau findet sie und sperrt sie ein. Als diese Stella zum SS-Sommerfest geht, können die beiden entkommen. Ein Happy End? Nur bedingt. Jahre nach Kriegsende sehen die beiden ihre Peinigerin beim heiteren Beruferaten. Zu viel für Hänsels Herz.

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