Michael Keaton im InterviewEhemaliger Batman-Darsteller spricht über neuen Film

Lesezeit 9 Minuten
Michael Keaton

Michael Keaton spielt die Hauptrolle in dem aktuellen Kinofilm „The Founder“.

Mister Keaton, kannten Sie Ray Kroc vor der Lektüre des Drehbuchs zu „The Founder“?

Nein, ich hatte keinen blassen Schimmer, wer er war. Ich dachte natürlich, die McDonald-Brüder hätten das Fast-Food-Imperium selbst aufgebaut. Wie man sich täuschen kann. Die beiden Brüder haben den Burger, wie wir ihn heute kennen, in den 50er Jahren zwar erfunden – aber zur Weltmarke hat ihn dann Ray Kroc gemacht.

Wer war dieser Ray Kroc genau?

Alles zum Thema Film und Fernsehen

Ein frustrierter Handelsvertreter für Milchshake-Mixer. Er erkannte als Einziger das Potenzial, das in dem Burger-Franchise steckte. Er eröffnete immer mehr McDonald’s-Filialen, wurde dadurch zum Multi-Milliardär und ging dabei auch über Leichen. Diesen Mann so zu zeigen, wie er war: visionär, durchsetzungsstark und mit allen Wassern gewaschen, aber auch zerfressen von Ehrgeiz, brutal und kaltherzig, das war für mich eine große Herausforderung. Sie anzunehmen hat mir sehr viel Spaß gemacht.

Sie stammen aus der Arbeiterklasse. Wie stecken Sie das weg, wenn Sie so ein Kapitalismus-Monster wie Ray Kroc spielen?

Als Schauspieler habe ich die Aufgabe, meine Figur so authentisch wie möglich darzustellen. Dabei schalte ich meinen moralischen Kompass aus. Solange ich vor der Kamera stehe, bin ich Ray Kroc. Mein Job ist es, ihn so dreidimensional wie möglich zu zeigen, damit sich der Zuschauer selbst ein Urteil bilden kann. Und es stimmt, ich komme aus der Arbeiterklasse.

Ich bin das jüngste von sieben Kindern. Meine Eltern haben uns in einem Kaff nahe Pittsburgh unter großen finanziellen Schwierigkeiten großgezogen. Mein Vater hatte eigentlich immer zwei Jobs zugleich. Das hat mich natürlich geprägt. Ich habe zum Beispiel sehr großen Respekt vor hart arbeitenden Menschen. Vor Menschen mit Herzensbildung. Ich könnte auch nie handeln wie Ray Kroc: das Wohl meiner Familie aufs Spiel setzen, unser Haus für eine fixe Idee verpfänden, das Risiko eingehen, dass wir bei einem Fehlschlag alle auf der Straße stehen.

Der Film zeigt – fast exemplarisch – den Kampf „guter Kapitalismus“ gegen „schlechter Kapitalismus“. Hat Sie dieses Thema besonders gereizt?

Klar. Aber vergessen wir nicht: Auch die McDonald-Brüder wollten natürlich Geld verdienen. Doch sie waren fair, bezahlten ihre Mitarbeiter gut und achteten auf höchste Qualität. Kroc machte aus der Burger-Bude eine gigantische Expansions-Maschine, die nur ein Ziel hatte: Gewinn-Maximierung. Außerdem zeigt der Film auch, wie Leute bei den Business-Deals über den Tisch gezogen wurden. Diesbezüglich erinnert mich „The Founder“ durchaus an Filme wie „Social Network“ oder „There Will be Blood“.

Haben Sie Spuren von Krocs Charakter auch in Ihrem gefunden?

Auf jeden Fall. Auch ich arbeite gerne sehr hart. Auch ich kann mich auf eine Sache ganz und gar fokussieren. Auch ich habe einen starken Willen, ein starkes Durchsetzungsvermögen. Und wie Kroc habe auch ich es gerne sauber und aufgeräumt. Als ich im Film vor der Burger-Filiale den Dreck wegfegen musste, habe ich das sehr genossen. Sie müssen wissen, bei McDonald’s ging es damals weniger um Fast-Food, sondern mehr um ein ganz gewisses – uramerikanisches – Lebensgefühl. Es war ein Ort der Identität. Dort konnte jeder bei einem Burger und einer Coke seinen ganz persönlichen American Dream träumen.

Was ist aus dem viel beschworenen American Dream geworden? Gibt es den überhaupt noch?

Ich glaube schon. Er hat sich in den letzten Jahrzehnten allerdings erheblich gewandelt. Früher träumte man von einem Auto oder einem eigenen Haus. Oder davon, genügend Rücklagen zu haben, damit die Kinder aufs College gehen können. Heute geht es doch meist nur noch um die Anzahl der Autos und Häuser. Wir leben mittlerweile in einer Welt, die uns fast alle zu gierigen Konsumenten macht und mit Dingen bombardiert, die wir gar nicht brauchen und nicht haben wollen. Trotzdem kaufen wir sie, nur um sie dann schnell wieder wegzuwerfen.

Haben Sie sich Ihren ganz persönlichen amerikanischen Traum erfüllt?

Oh ja! Dafür habe ich sehr hart gearbeitet. Doch ich hatte auch sehr viel Glück. Und ich gestehe: Ich habe zwei Häuser. Wer hat das schon?

Als Hollywood-Star? Da geht es bei vier, fünf Villen in Beverly Hills und Malibu und einer Privat-Insel doch erst richtig los ...

(Lacht) Ja, vielleicht. Aber Reichtum und Luxus waren nie mein Ziel. Als ich anfing, wollte ich vor allem ein guter Schauspieler werden. Und auf einem bescheidenen Niveau von meiner Arbeit leben können.

Fortsetzung folgt auf der nächsten Seite

Immerhin haben Sie auch noch eine Ranch in Montana. Züchten Sie da auch selbst Rinder?

Ich habe dort zwar viele Rinder, habe sie aber an meine Nachbarn verpachtet. Ich habe weder die Zeit noch das Know-how für die Rinderzucht. Allerdings bin ich sehr in der Art und Weise involviert, wie die Tiere aufgezogen werden. Mir liegt viel an artgerechter Haltung. Ich habe schon von jeher ein ausgeprägtes Umweltbewusstsein. Lange bevor es in war, grün zu sein. Als ich diesen Flecken Erde vor Jahrzehnten kaufte, wusste ich gleich: Hier bist du zu Hause. Ich hatte schon immer ein Faible für den Westen, für das Weite, Ursprüngliche, Unberührte. Es ist doch so schön, im Einklang mit der Natur zu leben. Früher haben mich viele meiner Freunde ausgelacht, wenn ich zum Fliegenfischen gegangen bin. Jetzt lacht keiner. Heute fragen sie mich, ob ich es ihnen beibringen kann.

Hand aufs Herz: Wann haben Sie das letzte Mal einen Big Mac gegessen?

Das ist schon lange her. Burger esse ich wirklich gerne. Meistens brate ich sie mir aber selber auf dem Grill. Ich erinnere mich aber noch gut daran, wie ich als kleiner Junge mit meinem ältesten Bruder fast 30 Kilometer weit gefahren bin, um bei der nächsten McDonald’s-Filiale einen Burger mit Pommes und Cola zu bekommen. Toll fand ich damals aber nicht nur das Essen, sondern auch das ganze Drumherum: das gigantische gelbe „M“, das nachts so wunderbar leuchtete, die Atmosphäre, das Gefühl von Geborgenheit.

Welche Jobs hatten Sie denn, bevor Sie von der Schauspielerei leben konnten?

Ich habe nie in einem McDonald’s-Restaurant gearbeitet, wenn Sie das meinen. Aber ich habe sehr wohl in anderen Restaurants gekellnert. Den ersten Job, den ich je hatte, gab mir eine ältere Lady in unserer Straße, wo ich aufgewachsen bin. Ich habe einen Sommer lang ihren Rasen gemäht. Und sie gab mir für jedes Mal fünf Cent. Ihre Wiese war allerdings wirklich riesengroß. Am Ende des Sommers ließ sie sich erweichen und gab mir 25 Cent. Dann habe ich eine Zeit lang als Caddy auf einem Golfplatz gearbeitet. Aber zu der Zeit war ich noch ziemlich klein, so dass ich es kaum schaffte, einen Golfsack zu tragen. Die Golftaschen schleiften also immer auf dem Boden. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass ich den Job nicht sehr lange hatte. Dann habe ich als Parkplatzwächter gearbeitet und auf dem Bau. Das war ein echter Knochenjob.

Und als dann die Millionen-Gagen kamen …

.. bis die kamen, hat es sehr lange gedauert. Aber noch einmal: Ich war nie gierig. Weder nach Ruhm, noch nach Reichtum. Das hat mich vor vielen Abstürzen bewahrt.

Aber ein Star in Hollywood zu sein – das fühlt sich doch gut an, oder?

Ja, für ein paar Wochen vielleicht. Aber Macht und Einfluss sind ja nicht von Dauer. Hatte ich einen Hit am Start, rollten sie mir in Hollywood überall den roten Teppich aus. War mein nächster Film ein Flop, haben mich dieselben Leute, die mich gerade noch hofierten, nicht einmal mehr gegrüßt. Ich habe mich bei den Powerplay-Karriere-Spielchen jedenfalls nie wohl gefühlt. Als Schauspieler muss man sich mit der Zeit eine dicke Haut zulegen. Denn es gibt immer Leute, die wollen dich herunterziehen oder sogar fertigmachen, ganz egal, was du machst. „Du bist schlecht. Du kannst das nicht.“ Ich habe ihnen allerdings nie so viel Macht über mich gegeben, dass ich durch ihre Urteile aus der Bahn geworfen worden wäre.

Ray Kroc hört immer und immer wieder die Platte eines Motivations-Gurus. Mit dem Mantra: „Durchhaltevermögen ist wichtiger als Talent.“ Stimmen Sie dem zu?

Es ist schwierig, darauf ehrlich zu antworten. Meist geht es Hand in Hand. Wenn man kein Talent hat, dann nützt einem auch kein Durchhaltevermögen. Allerdings habe ich Leute mit großem Talent daran scheitern sehen, dass sie bei Rückschlägen zu früh aufgeben und nicht den Willen hatten, sich durchzubeißen. Man muss einfach dabei bleiben – trotz allem. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.

Sie hatten Anfang des neuen Millenniums eine ziemlich lange Durststrecke zu überstehen. Jetzt haben Sie den vielleicht besten Lauf seit Jahrzehnten. Was haben Sie anders gemacht?

Wenn ich das wüsste. Ich habe keine Ahnung. Ich habe immer mein Bestes gegeben – auch bei den lausigen Filmen. Das bin ich meinem Arbeitsethos schuldig. Dann kam „Birdman“. Und jetzt bin ich gefragter denn je.

In „Birdman“ spielen Sie einen ehemaligen Superhelden-Darsteller, der nach Karriere-Absturz ein Comeback versucht. Klingt fast so, als wäre Ihr Leben verfilmt worden.

Na ja, ganz so schlimm war es bei mir nun doch nicht. Aber es stimmt schon, dass ich erst seit einiger Zeit wieder auf einer guten Welle ganz nach oben surfe. Demnächst werde ich sogar wieder in einer Comic-Verfilmung zu sehen sein: In „Spider-Man: Homecoming“ als Vulture, Spider-Mans Nemesis. So tauche ich nach fast 30 Jahren zum ersten Mal wieder ins Comic-Universum ein. Und ich habe jede Minute genossen.

Und wann kommt endlich „Beetlejuice 2“?

Da müssen Sie Tim Burton fragen. Aber wenn er mich ruft, bin ich da!

Zur Person

Michael Keaton, geboren 1951 in Coraopolis, Pennsylvania, wäre wohl längst kein Schauspieler mehr, wenn er nicht Tim Burton begegnet wäre. Nachdem der Regisseur 1988 bei „Beetlejuice“ Keatons komisches Talent erkannt hatte, wollte er ihn auch unbedingt – übrigens gegen heftigen Widerstand der Studiobosse – als Batman verpflichten. Mit dieser Rolle, die er 1989 und 1992 in zwei Filmen spielte, wurde Michael Keaton zum Weltstar.

In der Folge drehte er unter anderem mit Quentin Tarantino und Steven Soderbergh, ehe es Ende der 90er Jahre still um ihn wurde. 2014 feierte Keaton mit „Birdman“ ein glänzendes Comeback. 2015 folgte mit „Spotlight“ ein weiterer Oscar-prämierter Film (über die Investigativ-Journalisten des „Boston Globe“). In „The Founder“ spielt er nun Ray Kroc – den Mann, der den Schnellimbiss McDonald’s zum Weltkonzern machte. Der Film ist am Donnerstag in Deutschland angelaufen.

KStA abonnieren