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PreisverleihungKurze Filme, große Prominenz

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Sönke Wortmann (r.) mit den Gewinnern: Den ersten Preis gewann Arianna Waldner Bingemer, den zweiten Bilal Bahadir.

Sönke Wortmann (r.) mit den Gewinnern: Den ersten Preis gewann Arianna Waldner Bingemer, den zweiten Bilal Bahadir.

Der Weg ist das Ziel, buchstäblich. Für Adolf Winkelmann am 9. Dezember 1967, für Arianna Waldner Bingemer am gleichen Tag, nur 48 Jahre später. Der heute renommierte Regisseur ("Junges Licht") war damals Filmstudent und mutmaßlich verantwortlich für Deutschlands erstes Selfie - am besagten Tag schnallte er sich ein Stativ vor den Bauch, montierte eine schwere Kamera darauf und filmte sich selbst bei einem Spaziergang durchs vorweihnachtliche, also ziemlich schmuddelige Kassel. Heute ist es Arianna Waldner Bingemer, die studiert. Sie sah Winkelmanns Film auf Youtube und drehte ihn mit Smartphone, Selfiestick und sich selbst als Flaneurin nach. Am Ende essen beide eine Bratwurst vom Imbissstand.

Für "Kassel 9.12." gewann sie nun den Movy 2017, einen Filmpreis des gemeinnützigen Unternehmens Kultcrossing, das 2006 vom Aufsichtsratsvorsitzenden der DuMont-Mediengruppe und Herausgeber des "Kölner Stadt-Anzeiger", Christian DuMont Schütte, gegründet wurde. Der Preis wurde im Kölner Cinenova im Rahmen des Kurzfilmfests ".mov" verliehen, das in diesem Jahr zehnjähriges Bestehen feiern konnte, und so freute sich Christa Schulte, ehrenamtliche Geschäftsführerin von Kult-crossing, über prominente Ehrengäste: Früh am Morgen kam die neue Schulministerin von Nordrhein-Westfalen, Yvonne Gebauer (FDP), ins Cinenova, um ihre Wertschätzung für Schultes Arbeit im Dienst der Kultur- und Medienbildung zu bekräftigen. Den Movy-Preis übergab dann der Regisseur Sönke Wortmann, der mit Filmen wie "Das Wunder von Bern" und "Frau Müller muss weg" zu den Stars der deutschen Filmszene zählt - aktuell läuft sein "Sommerfest" im Kino.

Mit "Kassel 9.12.", dem siegreichen Beitrag, hat Arianna Waldner Bingemer das Original freilich nicht bloß kopiert - vielmehr denkt und dreht sie es weiter. Denn ihr Film ist die Kombination beider Filme, sie sind in Parallelmontage nebeneinander zu sehen. Und laden zum Vergleich ein: Wie hat sich Kassel verändert, was ist geblieben? Vor allem aber: Wie reagieren die Passanten auf Winkelmann mit seinem Kamerabauchladen - nämlich irritiert - und wie auf die junge Studentin der Kunsthochschule Kassel mit ihrem Handy - nämlich gar nicht. Ganz unangestrengt gelingt Arianna Waldner Bingemer damit auch eine Beobachtung zur Entwicklung der Medien und des Umgangs damit.

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Der Kurzfilm sei der sicherste Schritt auf dem Weg zum langen Film, sagte Sönke Wortmann im Gespräch mit Moderator Elvis Katticaren. Er selbst hat sich als Filmstudent in München ebenfalls in der kurzen Form ausprobiert, und so war auch ein wenig autobiografische Nostalgie im Spiel, als er die Movy-Preise vergab. Die zweite Auszeichnung ging an Bilal Bahadir, der gerade ein Regiestudium an der Kölner Kunsthochschule für Medien absolviert. "Mein Freund der Deutsche" heißt sein preisgekrönter Beitrag, der auf die Aufgabe der Hochschule zurückgeht, eine markante Episode aus dem Deutschland der 60er Jahre zu erzählen.

Mit Gespür für Pointen stellt Bahadir einen sogenannten Gastarbeiter aus der Türkei in den Mittelpunkt seines Films. Der will dringend abgeschoben werden, weil das Heimweh übermächtig ist - allerdings hat er nicht mit dem Herrn vom Arbeitsamt gerechnet, der nicht nur über eine beträchtliche Leibesfülle verfügt, sondern angesichts vieler offener Jobs auch ein dicker Ausländerfreund ist.

Die Schüler verschiedener Kölner Gymnasien und anderer Schulen konnten sich jedenfalls über einen abwechslungsreichen Vormittag freuen - kurz vor der heutigen Zeugnisvergabe und dem Beginn der Sommerferien bot ".mov" äußerst lehrreichen Unterricht im Kino. Die "Förderung von Medienkompetenz und kultureller Bildung" macht eben Spaß, wie Schulministerin Gebauer sagt - und das "nicht nur vor den Sommerferien".

Was macht Kultcrossing noch?

Die Initiative Kultcrossing hat sogenannte Kultshops entwickelt, in denen Schüler zusammen mit Kulturschaffenden und Profis Berufe workshophaft erarbeiten. Mittlerweile gibt es 150 verschiedene Shops aus den Bereichen Theater, Tanz, Musik, Medien und Bildende Kunst.

In FuSch - Funk und Schule erarbeiten Schüler mit Partnern von Radio Köln und dem Katholischen Bildungswerk eine eigene Radiosendung.

In der Reihe Kultwear entwerfen die Schüler zusammen mit Modedesignern und einer Bekleidungsfirma eine Modelinie.

Auch das Thema Karneval findet in dem Projekt seinen Platz. Eng wird die lokale Geschichte mit Kreativität verbunden. Zusammen mit dem Festkomitee des Kölner Karnevals wird das Karnevalsmuseum besucht und ein Karnevalswagen gebaut. Weitere Infos unter

www.kultcrossing.de

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