Steinbrück macht jetzt Kabarett„Damit erkläre ich dieses Interview für beendet“

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Peer Steinbrück und Florian Schroeder

Peer Steinbrück und Florian Schroeder

Köln – Meine Herren, Ihr Programm für Köln heißt „Schroeder wählt Steinbrück“ – warum nicht umgekehrt?

PEER STEINBRÜCK: Weil ich schon einmal Schröder gewählt habe.

FLORIAN SCHROEDER: Ich habe Peer Steinbrück als kabarettistisches Nachwuchstalent entdeckt. Jung, frech, ironisch. Das hatten wir bislang nicht in Deutschland. Jetzt interessiert mich, ob er auch in großen Sälen funktioniert. Ich traue ihm alles zu und sehe uns mittelfristig ganz klar im Ereignis- und Dokumentationskanal RTL. Als Nachfolger von Chris Tall und Bülent Ceylan. Einzig mit dem Fernsehen ist Peer Steinbrück ein bisschen reserviert. Aber das kriegen wir auch noch hin.

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STEINBRÜCK: Stimmt. Meine Kamerascheu ist legendär.

Ein Nachwuchstalent mit 70. Ist das Ihr Beitrag gegen Diskriminierung im Alter, Herr Schroeder?

STEINBRÜCK: Damit erkläre ich dieses Interview für beendet.

Weil ich nach Anti-Diskriminierung gefragt habe?

STEINBRÜCK: Ach so, das habe ich dann falsch im Ohr gehabt.

SCHROEDER: Sehen Sie, das ist das Problem von Politikern, dass sie alles Mögliche falsch verstehen. Deshalb biete ich mich als Ausbilder an.

Wollen Sie, Herr Steinbrück, endlich mal ungestraft Sprüche klopfen? Sie müssen zugeben, kaum jemand hat für ungeschützte Bemerkungen so viel Lehrgeld bezahlt wie Sie.

STEINBRÜCK: Ich wünschte mir mehr Humor und Formulierungsfreude in den Reden von Politikern. Das Ablesen vorgefertigter Manuskripte im Parlament schadet der Debattenkultur. Und es hat einen Spiralen-Effekt: Weil jede Formulierung erst dreimal hin und her gewalkt wird, damit man bloß nicht aneckt, wirken viele Reden unoriginell und langweilig. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich ein Teil der Wähler nach Politikern sehnt, die sich nicht in ein Sprachkorsett zwängen lassen. Tut man das indessen, hat man umgekehrt von einem anderen Teil schnell einen Shitstorm am Hals. Aber Revanchegelüste standen nicht am Ausgangspunkt für unsere kleine Tournee.

Sondern?

STEINBRÜCK: Ich habe mich bei Herrn Schroeder darüber beschwert, dass er mit seinem Buchtitel „Hätte, hätte, Fahrradkette“ meine Urheberrechte verletzt hat.

SCHROEDER: Den Satz haben Sie bestimmt nicht erfunden! Außerdem habe ich Sie sogar damit zitiert.

STEINBRÜCK: Aber irgendwo ganz weit hinten. Und wer kannte denn schon den Spruch mit der Fahrradkette, bevor er mir aus dem Mund purzelte?

SCHROEDER: Typische Politiker-Eitelkeit: Immer wollen sie auf Seite 1 stehen.

STEINBRÜCK: Und ich ahne schon, dass manche Leser das 1:1 nehmen und sagen werden: „Guck an, der Steinbrück macht auf beleidigte Leberwurst.“

Steinbrück über den Stinkefinger

Irgendwie sind Sie ja doch angefressen wegen des Bilds, das sich bei den Leuten von Ihnen festgesetzt hat. Wie steht’s mit Selbstkritik?

STEINBRÜCK: Also, der Stinkefinger war ein Fehler, ganz klar …

… Den haben Sie gezeigt, als Sie ohne Worte auf Spitznamen wie „Problem-Peer“ oder „Pannen-Peer“ reagieren sollten.

STEINBRÜCK: Ja, und das war falsch, weil es dem Publikum signalisierte, der Steinbrück könnte unbeherrscht sein. Ich könnte jetzt sagen, es ist mir „einfach passiert“. Allerdings darf man von einem Politiker schon erwarten, dass er vorher darüber nachdenkt.

Ihre Beschwerde als Kanzlerkandidat über das zu geringe Gehalt, das ein Kanzler bekommt?

STEINBRÜCK: Mein Hinweis, dass ein Sparkassendirektor in NRW mehr verdient als die Bundeskanzlerin oder der Bundeskanzler, war absolut zutreffend, keineswegs neu und schon mehr mehrfach gefallen.

Und war ja auch richtig. Nur im Kontext mokierte sich jemand über sein Gehalt, noch bevor er den Job überhaupt hat.

STEINBRÜCK: Aber so habe ich es nicht gesagt. Es kommt offenbar nicht darauf an, was man sagt, sondern darauf, wie es ausgebeutet werden kann.

SCHROEDER: Das hat aber schon Robert Musil im „Mann ohne Eigenschaften“ geschrieben: Dass die unwichtigen Worte lauter widerhallen als die eigentlichen, das sei die traurige Erkenntnis unseres Lebens. Das Internet mit seiner Stakkato-Kommunikation hat dazu geführt, dass sich keiner mehr einen Satz zu formulieren traut, der ihm – erst recht, wenn er aus dem Zusammenhang gerissen wird – einen Shitstorm beschert. Es geht mir ja selber so, dass ich bissige Bemerkungen gleich wieder zurückhole und relativiere. Letztlich haben wir den Angela-Merkel-Stil – nicht auffallen, nicht anecken, nicht brillieren – dem Internet mit zu verdanken.

STEINBRÜCK: Merkels Art zu sprechen verstärkt ihre Selbstinszenierung als Inkarnation der Stetigkeit, der Verlässlichkeit. Aber damit sediert sie das Publikum.

Das hat Martin Schulz vor ein paar Tagen sehr viel kantiger formuliert ...

STEINBRÜCK: Ihre Tendenz, inhaltliche Festlegungen und Kompassweisungen zu vermeiden – damit sich niemand provoziert fühlt –, trägt zur Entpolitisierung bei. Ein Wahlkampf lebt aber von einem Wettbewerb konkreter Vorstellungen über die Zukunft unseres Landes.

SCHROEDER: Umgekehrt muss ich auch sagen, und das wird Sie vielleicht wundern: Mir macht es oft Spaß, der Kanzlerin zuzuhören. Nicht wegen ihrer unfreiwilligen Komik, sondern mit ihrer teils sehr bewusst eingesetzten Ironie, die aber offenbar nur die wenigsten verstehen.

STEINBRÜCK: (lacht grimmig). Die hat sich auch mir – ehrlich gesagt – noch nicht erschlossen. Im kleinen Kreis ja, da kann sie sehr witzig sein. Aber doch nicht in ihren öffentlichen Reden.

Herr Steinbrück, wer war für Sie in Bundestagsdebatten die härteste Nuss?

STEINBRÜCK: Guido Westerwelle. Von unseren Scharmützeln gibt es schöne Clips auf Youtube. Gregor Gysi fand ich als Debattengegner nie besonders schwierig. Der ist unterhaltsam, manchmal skurril, aber in der Faktendarstellung teilweise so neben der Spur, dass es inhaltlich nicht bedrohlich wurde. Als hervorragende Redner habe ich Norbert Lammert und Norbert Röttgen von der CDU geschätzt.

SCHROEDER: Ansonsten fehlen Sie mir im Bundestag, Herr Steinbrück. Klar, das muss ich jetzt sagen. Es stimmt aber auch. Deshalb freue ich mich auf die Rückkehr der FDP. Da wurden noch immer die skurrilsten Gestalten nach oben gespült.

Schroeder über Bundestagsreden

Würden Sie gerne selbst mal im Bundestag reden?

SCHROEDER: Sofort. Ich stelle mir die Parlamentarier als tolles Auditorium vor.

Warum?

SCHROEDER: Weil es heute zum Selbstverständnis jedes Politikers gehört, mindestens so zu tun, als könnte er über sich selber lachen. Was übrigens eine Herausforderung für uns Kabarettisten ist. Sie können heute kaum noch einen Politiker mit Satire treffen. Außer Vertreter der AfD und den Sultan aus der Türkei. Alle anderen haben längst erkannt: Wer sich darüber aufregt, dass sich einer über ihn lustig macht, steht am Ende noch lächerlicher da. Ich würde so eine Rede natürlich kabarettistisch aufziehen, wobei Gysi die Latte schon verdammt hoch gelegt hat.#

Die Personen

Peer Steinbrück, geb. 1947 in Hamburg, war Finanzminister in der großen Koalition von 2005 bis 2009. 2013 scheiterte er als Kanzlerkandidat der SPD an Angela Merkel. 2016 schied er aus dem Bundestag aus.

Florian Schroeder, geb. 1979 in Lörrach, ist als Kabarettist für Hörfunk und Fernsehen tätig, so in WDR 1 Live und im SWR. Bekannt ist der Blogger und Buchautor auch für seine Imitationen Prominenter. (jf)

Die freie Rede können Spitzenfunktionäre sich doch gar nicht erlauben. Eine falsche Bemerkung, sagen wir des EZB-Chefs, und die Finanzmärkte wanken.

STEINBRÜCK: Auch das sollte Politiker aber nicht an einem souveränen Vortrag hindern. So viel Professionalität darf man schon erwarten, dass einer nicht am Blatt klebt. Tatsächlich gilt für Regierungserklärungen ein festgelegter Wortlaut, weil der Text in der Koalition abgestimmt ist und – wenn es korrekt zugeht – schon zuvor an den Oppositionsführer gegangen ist, damit der sich vorbereiten kann. Also, da darf man nicht vom Manuskript abweichen. Aber in der Debatte ist das anders.

Verstärken Satire-Formate wie die „heute-Show“ womöglich die Entfremdung zwischen Medien und Öffentlichkeit?

STEINBRÜCK: Es lohnt sich, dem Gedanken nachzugehen. Die Darstellung der Politiker als korrupte, unfähige Volldeppen bedient Ressentiments. Und wenn ich mir angucke, wie wenige Frauen und Männer überhaupt noch bereit sind, sich politisch in demokratischen Parteien zu engagieren, halte ich jedwede Herabwürdigung für gefährlich. Allein in NRW sind auf kommunaler Ebene rund 10000 Mandate zu vergeben. Dafür Kandidaten zu finden wird immer schwieriger.

SCHROEDER: Aber das ist nicht den Satire-Sendungen zuzuschreiben. Da muss ich die Kollegen in Schutz nehmen. Natürlich geben sie hier und da dem Affen Zucker. Aber keiner ist so drauf, dass er „die Politiker“ generell für dumm und verachtenswert hält. Das Niveau der professionellen Satire in Deutschland finde ich ziemlich hoch. Was Sie zu Recht als Problem beschreiben, hat meines Erachtens wiederum mit der Enthemmung, Distanzlosigkeit und Undifferenziertheit in den „sozialen Medien“ zu tun.

STEINBRÜCK: Trotzdem halte ich auch manche Praxis der TV-Magazine für kritikwürdig, etwa den „Treppen-Journalismus“, den die politischen Magazine vielleicht sogar noch mehr betreiben als die Satire-Formate.

Was soll das sein?

STEINBRÜCK: Folgende Situation: Sie kommen als Politiker eine Treppe hoch, da springt Sie unangekündigt und ungefragt ein Kamerateam an und konfrontiert Sie in provozierendem Ton mit irgendeinem Vorgang, der vier Jahre oder noch länger zurückliegt. Wenn Sie zögern, gar ins Stottern kommen, stehen Sie als unbeholfener Doofmann da. Bitten Sie um etwas Zeit, um die Sache zu recherchieren, heißt es, „der hat ja keine Ahnung“. Und sagen Sie, „kein Kommentar“, dann wird eben das gesendet – als Ausdruck der Verweigerung, was einer Vorverurteilung gleichkommt.

Die Show

Mit dem gemeinsamen Programm „Schroeder wählt Steinbrück“ gastieren der Kabarettist und der Politiker am Donnerstag, 6. Juli im Kölner Tanzbrunnen (20 Uhr).

Tickets sind erhältlich unter:

Telefon 030/39066550 und www.eventim.de

Weitere Informationen: www.satireshow.de

In Ihrer Show brauchen Sie das nicht zu befürchten. Gibt’s dafür ein Programm, ein Drehbuch? Oder machen Sie auf Stand-up-Comedy?

SCHROEDER: Nein. Wir sprechen uns über die Themen ab und halten dann eine politische Lagebesprechung, von sehr albern bis sehr ernsthaft.

STEINBRÜCK: Mit dem Begriff „Comedy“ hätte ich eh Schwierigkeiten. Es soll kein Klamauk werden, sondern politisches Pingpong. Mit einer guten Portion Selbstironie.

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