StipendiumDreh dich nicht um

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Im Hintergrund eine Fotografie von Evamaria Schaller, im Vordergrund eine Installation von Alfons Knogl

Im Hintergrund eine Fotografie von Evamaria Schaller, im Vordergrund eine Installation von Alfons Knogl

Eine blonde Frau, die allein durch die Straßen Istanbuls streift. Wie ein Fremdkörper habe sie sich da oft gefühlt, sagt Evamaria Schaller. Die in Graz geborene Medienkünstlerin hat dieses Gefühl der Fremdheit in Miniperformances gebannt. Ganz in Schwarz gekleidet, den Rollkragen ihres Pullovers über den Kopf gezogen hockt sie in der Mitte ihrer großformatigen Bilder aus dem Alltag der türkischen Metropole - immer mit dem Rücken zum Betrachter. Dreh dich bloß nicht um, scheinen die Bilder zu rufen.

Schaller war 2016/2017 im Rahmen des Residenzprogramms der Stadt Köln für Bildende Künstler und Autoren zwei Monate lang im "Atelier Galata" in Istanbul. Nun zeigt sie ihre Arbeiten gemeinsam mit den anderen Stipendiaten, die von 2009 bis 2017 in der Türkei waren, in der Ausstellung "Aufwachen in Istanbul" im Kunsthaus Rhenania.

War Istanbul zu Beginn dieses Stipendienprogramms ein hipper Schmelztiegel, der Millionen Touristen aus allen Ecken der Welt anlockte, so ist die Stadt nach den politischen Entwicklungen der vergangenen Jahre ein völlig andere. Das wirkt sich auch auf die Künstler aus. Evamaria Schaller sah nach Warnungen davon ab, mit einer großen Kamera und Stativ durch die Straßen zu ziehen. Man hätte sie sonst vielleicht für eine westliche Journalistin gehalten. Die Selbstauslöserfotos entstanden mit einer Kompaktkamera.

Frühe Abreise

Für Philipp Enders endete der Aufenthalt in Istanbul früher als geplant: Nach einem Selbstmordattentat am 19. März 2016 beschloss er, früher abzureisen. In der Soundinstallation "Abschied von I" liest er aus Tagebucheinträgen und anderen Aufzeichnungen aus dieser Zeit, die Fahrt zum Flughafen dient der Erinnerung an die Stadt, die er vermissen wird.

Lars Breuer hingegen war 2010 Stipendiat, in den "guten Jahren", wie er sagt. Alles sei öffentlich, draußen gewesen. "Es waren lebendige Jahre, man war an einem Ort, wo viele Menschen etwas aufbauen wollten, das nun wieder zusammengesackt ist." Breuer zeigt unter anderem ein Selbstporträt, das er an eine Arbeit Max Beckmanns angelehnt hat. Dieser hatte sich 1907 während eines Stipendien-Aufenthalts in Florenz gemalt. "Mich interessiert", sagt Breuer, "die Parallelität von Zeitigkeiten."

Der türkische Künstler Burcak Konukman, zu dem der Kontakt durch die Stipendiaten zustande kam und der nun als Gast in Köln ist, betont die Bedeutung des Dialogs. Er wolle mehr über Kunst und Kultur und weniger über Politik sprechen. Und er wünsche sich einen Austausch. Es reiche nicht, Künstler nach Istanbul zu holen, es müssten auch türkische Kollegen ins Ausland gehen. Die Stadt Köln überlege zurzeit, wie sich das realisieren lasse, sagte Nadine Müseler vom Kulturamt.

Und über allem schwebt immer die Frage, ob man in einer Stadt, in der Freiheit und Grundrechte beschnitten werden, noch Kunst machen kann, Kunst machen sollte. Evamaria Schaller erzählt, dass ihre türkischen Freunde mittlerweile sogar zu ängstlich seien, um per Whatsapp oder Facebook zu kommunizieren. Deshalb müsse das Programm fortgesetzt werden. "Der Austausch ist das wichtigste. Die Künstler dort sind in einer Blase gefangen."

Die Ausstellung

Vernissage der Ausstellung "Aufwachen in Istanbul" mit Gesprächen mit den Kölner Stipendiaten und Istanbuler Künstlern ist am 15. Oktober um 13 Uhr im Kunsthaus Rhenania, Werft 5 - Raum für Kunst, Bayenstraße 28. Am 22. und 29. 10. um 16 Uhr Führung durch die Ausstellung

Öffnungszeiten: Donnerstag bis Sonntag 15 bis 19 Uhr und nach Vereinbarung (amb)

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