Tom Sawyer„Wir sind cooler geworden“

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Die Vier vom Film: Jacky Ido, Louis Hofmann, Leon Seidel und Hermine Huntgeburth.

Die Vier vom Film: Jacky Ido, Louis Hofmann, Leon Seidel und Hermine Huntgeburth.

Louis Hofmann und Leon Seidel, zwei Schüler aus Köln, sind Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Nach der ersten, erfolgreichen Mark-Twain-Verfilmung läuft seit diesem Donnerstag „Die Abenteuer des Huck Finn“ in den Kinos. Beim Besuch der Redaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“ begleitet die beiden die Regisseurin Hermine Huntgeburth – Jacky Ido, der den Sklaven Jim spielt, steckt im Zug von Paris nach Köln fest und kommt später. Beim Interview sind Louis und Leon, der gerade vom Schüleraustausch aus Australien zurückgekommen ist, sehr entspannt, tippen auf ihren Smartphones herum und tuscheln miteinander.

Leon und Louis, Ihr seid mit „Tom Sawyer“ richtige Filmstars geworden. Wie haben denn Eure Mitschüler darauf reagiert?

LEON SEIDEL: Manchmal kam vielleicht ein bisschen Neid auf, aber im Großen und Ganzen haben die gut reagiert.

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Haben die den Film gesehen?

LEON: Klar. Ich habe die alle zur Premiere eingeladen.

LOUIS HOFMANN: Ich natürlich auch. Eifersucht oder so habe ich nicht gespürt. Die haben mitgefiebert und sich gefreut.

„Man lernt auf jeden Fall dazu“

Und habt Ihr selbst Euch verändert?

LEON: Nö.

LOUIS: (lacht) Wir sind cooler geworden.

LEON: Man lernt auf jeden Fall dazu und sammelt neue Erfahrungen, klar. Aber meine Einstellung zum Leben oder so hat sich nicht geändert.

Wie seid Ihr überhaupt zur Schauspielerei und zu den Rollen in „Tom Sawyer“ und „Huck Finn“ gekommen?

LEON: Wir haben uns online bei einer Agentur geworben, die uns dann zum Casting eingeladen hat. Und wenn man die halbwegs überzeugt, nehmen die einen in ihre Kartei auf.

Frau Huntgeburth, was haben Sie als Regisseurin gedacht, als Sie die beiden zum ersten Mal sahen?

HUNTGEBURTH: Ich hatte mit Louis schon gedreht, „Der verlorene Vater“, mit Edgar Selge. Deshalb kannten wir uns schon. Das ist natürlich kein Freifahrtschein für weitere Filme, deshalb haben wir ein großes Casting für die Mark-Twain-Filme gemacht. Und da hat sich herauskristallisiert, dass die beiden es einfach sind.

Kanntet Ihr die Bücher von Mark Twain vorher?

LOUIS: Ich glaube, jeder Junge in unserem Alter hat schon irgendwas mal mit Mark Twain zu tun gehabt. Ob durch die Bücher, oder Fernsehserien, oder durch Verfilmungen. Das ist ja schon mindestens 50 Mal verfilmt worden. Ich habe das im Fernsehen gesehen, als Zeichentrick.

Frau Huntgeburth, was hat Sie daran interessiert, die 51. Verfilmung zu machen?

HUNTGEBURTH: Der Produzent Boris Schönfelder hat das an mich herangetragen. Der kannte die Bücher eben auch aus seiner eigenen Kindheit, und, wie wir wahrscheinlich alle, Verfilmungen. Es gibt zum Beispiel einen berühmten Vierteiler. Wir haben gedacht, das ist wieder eine Gelegenheit, Abenteuer zu erzählen – einen Film zu machen, in dem Spaß, Verrücktheit, aber auch ein ernstes Thema wie die Sklaverei in „Huck Finn“ zusammentreffen.

Aber noch mal. Was hat Sie an der Regie gereizt?

Abgründe der amerikanischen Provinz

HUNTGEBURTH: Dass das Kostümfilme sind, dass man auch im Jugendfilm mit großer Ausstattung arbeiten muss. „Huck Finn“ ist ein Western geworden.

Nun sind Tom Sawyer und Huck Finn uramerikanische Charaktere, auch noch aus den Südstaaten …

HUNTGEBURTH: Den Mississippi in Deutschland zu finden, das war natürlich schon schwierig. Aber es gibt hier tolle Gegenden. Teile des Films, die auf dem Wasser spielen, haben wir zum Beispiel auf der Havel gedreht. Um die Größe des Stromes zu zeigen, haben wir Seen genutzt. Und wir sind nach Rumänien ins Donau-Delta umgezogen.

Louis und Leon, war es für Euch schwierig, Euch in Tom Sawyer und Huckleberry Finn hineinzuversetzen. Die beiden lebten schließlich in einer völlig anderen Zeit. Kein Smartphone, keine Playstation.

LEON: Man kann sich gut in die Rolle hineinversetzen, denn man hat ja die riesigen alten Sets, man hat die Kleidung und man hat die Schminke drauf.

Und die Sprache?

LOUIS: Die habe ich als gar nicht so anders empfunden. „Geil“ sagen die natürlich nicht.

HUNTGEBURTH: Eine der Besonderheiten der Weltliteratur von Mark Twain war, dass er überhaupt Slang benutzt hat, dass er sich also von der Hochsprache der Literatur fortbewegt hat. Speziell „Huck Finn“ blickt in die Abgründe der amerikanischen Provinz. Ich denke, wenn man heute Filme mit historischem Hintergrund dreht, darf man sich nicht an die Sprache anbiedern, sondern man muss ein Gefühl entwickeln einerseits für das Historische, andererseits aber auch für das Jetzt.

Manche finden Mark Twain politisch nicht korrekt, zum Beispiel wegen des Ausdrucks Nigger. Stellte das für Sie ein Problem dar?

HUNTGEBURTH: Man darf nicht alles egalisieren, politisch korrekt zurecht biegen – das ist ein Übertünchen der Probleme. Wenn man zum Beispiel die Geschichte von Huck Finn erzählt, dann ist dies die Geschichte von jemandem, der zumindest am Anfang rassistisch denkt. Für den ist es die Norm, dass Sklaven Menschen zweiter Klasse sind, und das drückt sich auch in seiner Sprache aus.

„Die Chemie hat gestimmt“

Warum spricht uns diese Geschichte heute noch an?

HUNTGEBURTH: Weil es auch um Außenseitertum geht. Huck ist ein Kind, das ausgestoßen ist, das seinen Platz in der Gesellschaft nicht findet. Außerdem ist seine Geschichte und die des Sklaven Jim ein Appell an die Humanität. Auch heute noch gibt es sklavenähnliche Abhängigkeiten.

An dieser Stelle trifft Jacky Ido ein. „Huck Finn“ ist nach „Die weiße Massai“ seine zweite Zusammenarbeit mit Hermine Hundgeburth. Ido ist ein wenig unpässlich, trotzdem ist er mit dabei auf Premierentour. Mit den Jungen spricht er Englisch und nimmt Leon wegen seines „Aussi“-Akzents hoch, den der sich während seines Schüleraustauschs in Australien angeeignet hat.

Jacky Ido, Sie scheinen sich ja prima mit den beiden zu verstehen. Wie war die Zusammenarbeit?

JACKI IDO: Mit den beiden „Kids“ hier? Großartig. Wir hatten eine tolle Zeit, so für eine halbe Stunde, bis sie wieder schlafen gehen mussten… Nein, es hat Spaß gemacht und ich würde sagen, dass die Chemie ganz einfach gestimmt hat.

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