Tsunami in ZeitlupeArte-Doku beleuchtet Bedrohung durch antibiotika-resistente Keime

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Resistente_Keime

Petrischalen mit Krankenhauskeimen, die Mehrfachresistenzen gegenüber Antibiotika aufweisen.

Köln – Die Bedrohung ist unsichtbar. Und sie schleicht sich langsam an. Anders als bei Ebola oder der Schweinegrippe gibt es keinen plötzlichen Ausbruch, keine verstörenden Bilder im Fernsehen, die die Menschen aufschrecken. doch die Gefahr, die von antibiotika-resistenten Keimen ausgeht, ist für die gesamte Menschheit genauso bedrohlich wie der Klimawandel. Experten prognostizieren, dass sich die Zahl der Todesopfer durch antibiotika-resistente Keime bis 2050 verzehnfachen könnte. Wenn nichts unternommen wird, könnten diese Erreger jedes Jahr zehn Millionen Menschen töten. Antibiotikaresistenz wäre die weltweite Todesursache Nummer eins.

Der daraus entstehenden Kosten würden sich in den nächsten 35 Jahren auf 100 Billionen Dollar summieren, so der Ökonom und ehemalige britische Staatssekretär Jim O’Neill. „Was wir jetzt erleben, ist ein Tsunami in Zeitlupe. Die Folgen werden gewaltig sein“, sagte Margaret Chan, damals Generaldirektorin der WHO, im Rahmen des „High Level Meeting on Antimicrobial Resistance“ am Rande der UN-Vollversammlung in New York im September 2016.

Michael Wech hat ausgehend von dieser Versammlung einen sehr sehenswerten und in weiten Teilen beängstigenden Dokumentarfilm über diese unsichtbare Bedrohung gemacht, den Arte am Dienstag zur besten Sendezeit ausstrahlt. Wech reiste für den von der Kölner Firma Broadview Pictures produzierten Film um die Welt, traf Wissenschaftler, Politiker und Aktivisten, die dieser globalen Bedrohung den Kampf angesagt haben.

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Anschaulich und auch für Laien verständlich zeigt Wechs Film auf, wie es so weit kommen konnte, dass sich Antibiotika-Resistenzen rasend schnell ausbreiten. Denn überraschend ist das nicht. Schon Alexander Fleming, Entdecker des Penicillin, warnte davor. Der Mikrobiologe Slava Epstein weist in „Resistance Fighters“ darauf hin, dass Bakterien in vier Milliarden Jahren gelernt haben, sich anzupassen. Sie seien uns darin weit überlegen. Doch die Menschheit ignoriert das weitgehend.

Medikamente für völlig gesunde Tiere

Der Dokumentarfilm zeigt, wie durch den massenhaften Einsatz von Antibiotika in der Tiermast resistente Keime unkontrolliert in die Umwelt gelangen. Völlig gesunden Tieren werden die Medikamente verabreicht, um Krankheiten vorzubeugen, die nur durch die Massentierhaltung entstehen. 2016 kamen 80 Prozent der in den USA verabreichten Antibiotika in der Tiermast zum Einsatz. 13 Milliarden Euro setzte die US-Pharmaindustrie zuletzt mit den dort verabreichten Antibiotika um. Doch das Problem besteht nicht nur in weiter Ferne. In Deutschland werden drei von acht der von der WHO als Reserveantibiotika definierten Mittel in der Tiermast eingesetzt. Dabei sollen genau diese Mittel ausschließlich der Humanmedizin vorbehalten sein. Ein weiteres großes Problem, auf das der Film aufmerksam macht, ist der Rückzug großer Pharmakonzerne aus der Forschung. Die Suche nach neuen Antibiotika ist teuer und forschungsintensiv. Es dauert rund zehn bis 15 Jahre, bis ein neues Präparat entwickelt ist. Die Kosten belaufen sich nach Angaben des Films auf rund eine Milliarde Dollar. Die letzte neue Antibiotika-Klasse sei 1984 eingeführt worden. Aktuell werde weltweit an 800 Krebs- und Bluthochdruckmedikamenten geforscht, aber nur an 28 Antibiotika. Dabei drängt die Zeit. Chinesische Forscher konnten 2015 in Asien das Enzym MCR-1 nachweisen, das Bakterien resistent gegen das wichtige Reserveantibiotikum Colistin macht. Auch Colistin wird in großen Mengen in der Tiermast eingesetzt.

Der Film

„Resistance Fighters – Die globale Antibiotika-Krise“ wird am 19.3.2019 um 20.15 Uhr auf ARTE ausgestrahlt.

Der Dokumentarfilm von BROADVIEW Pictures ist auch in der ARTE Mediathek abrufbar.

„Resistance Fighters“ zeigt auf, dass wir kurz vor einer „post-antibiotischen Ära“ stehen, einer Zeit, in der Menschen wieder an einfach Infektionen sterben werden. „Ich habe nicht viel Hoffnung, dass wir diesen Krieg gewinnen können. Aber es ist wichtig, dass wir uns nicht einfach vom Schlachtfeld zurückziehen“, sagt Timothy Walsh, Mikrobiologe und Professor an der Cardiff University. „Wir müssen weiter angreifen und unser Bestes geben, um das eigentlich Unabwendbare hinauszuzögern.“

Arte zeigt „Resistance Fighters“ am Dienstag, 19. März, um 20.15 Uhr. Der Dokumentarfilm von Broadview Pictures ist auch in der Arte-Mediathek abrufbar.

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