Türkei-Talk bei „Anne Will“Röttgen droht Erdogan mit Ende der EU-Verhandlungen

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CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen im Gespräch mit Anne Will.

Berlin – Die Wahl in den Niederlanden war am Sonntagabend Thema der ARD-Talkshow Anne Will. Es ging um die Frage, ob „klare Kanten statt leiser Töne“ notwendig seien, um dem Populismus entgegenzutreten. Vor allem das Auftrittsverbot türkischer Politiker habe eine klare Stellung der niederländischen Regierung gezeigt und der Ministerpräsident Mark Rutte zur Wiederwahl verholfen. Sollte Deutschland nun nachziehen?

Selten dürfte so viel Konsens in einer Fernsehdebatte unter verschiedenen politischen Fraktionen geherrscht haben: Ein a priori-Auftrittsverbot hielten die Diskussionsgäste zum jetzigen Zeitpunkt eher nicht für die beste Lösung. Und das mit unterschiedlichen Begründungen. Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages, wies auf die politische Rolle der Türkei in Nahost hin. Man müsse Erdogan deutlich machen, dass Wahlkampf in Deutschland nicht erwünscht sei. Ein Verbot sei jedoch erst aus Sicherheitsbedenken denkbar.

Röttgen: „Türkei stimmt auch über Verhältnis zur EU ab“

Eine weitere klare Ansage machte Röttgen in Richtung Türkei: Er drohte mit dem Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen, sollte das Land ein Präsidialsystem einführen. Die Türken müssten vor dem Referendum über eine Verfassungsreform zugunsten Erdogans wissen, dass sie auch über das Verhältnis der Türkei zur Europäischen Union abstimmen. 

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Olaf Scholz (SPD), Hamburgs Erster Bürgermeister, blieb etwas vager und verwies auf die Notwendigkeit, die Sachlage auf Bundesebene zu besprechen.

Nach alternativen Wegen suchte Gerhart Baum (FDP), Bundesminister a.D. Er plädierte dafür, die EU zu stärken und der türkischen Opposition zu helfen, indem man den Wählern erklärt, was beim türkischen Referendum auf dem Spiel stehe. Ähnlich drückte sich die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament, Ska Keller, aus. Es gebe „andere Hebel, an den man drehen kann.“ 

„Töne, die hier undenkbar wären“

Doch die politische Lage der Niederlande sei mit der Deutschen nicht zu vergleichen, mahnte der Europa-Korrespondent für „Die Welt“ Dirk Schümer. Dass die holländische Regierung die Landung des türkischen Außenministers Mavlut Cavusoglu verweigert habe und die türkische Familienministerin Kaya zurück an die Grenze gebracht wurde, habe gewiss in die Hände von Rutte gespielt – auch vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der anschließend die Vorfälle für seine Propaganda benutzt habe.

Das sei jedoch nicht das Einzige, was dem holländischen Ministerpräsidenten bei der Wahl geholfen hat. Er habe während der Wahlkampagne einen sehr rauen Ton gegenüber Migranten angeschlagen, erklärt der Korrespondent. „Benehmt euch normal oder haut ab“, habe Rutte in einem offenen Brief an Migranten, die sich nicht an gesellschaftliche Regeln halten, geschrieben. So was sei in Deutschland kaum denkbar. 

Insgesamt habe die rechtsliberale VVD-Partei um Rutte kürzlich einen harten Kurs mit Asylbewerbern eingeschlagen. Da müssten die Wähler gedacht haben, „ich brauche nicht mehr Wilders zu wählen, wenn die anderen das auch machen“, so Schümer.

Kann man Populismus bekämpfen, ohne selbst populistisch zu werden?

Eigentlich könne Deutschland in dieser Hinsicht besser auf politischer Ebene mit Populismus umgehen, sagte Scholz (SPD). „Wir sind in diesem Sinne eher ein Vorbild“ für die Niederlande, und nicht umgekehrt. Man müsse über alle Themen diskutieren und Probleme aufgreifen, ohne die politische Agenda von den Populisten bestimmen zu lassen, so der Bürgermeister.

„Klare Kanten“ könne auch bedeuten, für die Europäische Union und Weltoffenheit zu stehen, so die Grüne EU-Fraktionsvorsitzende Keller. „Soziale Gerechtigkeit ist jedoch auch bei Populisten in Holland und Europa ein Thema“, mahnte Schümer. Viele Wilders-Wähler hätten früher für die Linken abgestimmt. Am Sendungsende wird klar: Eine einfache Antwort lässt sich nicht finden. (mit dpa)

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