Abo

TV-Kritik „Anne Will“Von der Leyen: „Trump hat eine Chance verpasst“

Lesezeit 3 Minuten
will

Ursula von der Leyen (M.) in der Sendung bei Anne Will (l.)

Berlin – Anne Will graut es nun wirklich vor diesem neuen Präsidenten, kein Zweifel. Zwei Tage nach der Vereidigung von Donald Trump ist sie auf Sendung mit dem Titel „Trump im Amt - Verändert das die Weltordnung?“. Aber als erstes wird nicht diese Frage erörtert, sondern eine etwas weniger komplexe. Nämlich diese: Ist Trump nicht furchtbar? Das finden alle Gäste irgendwie. Aber Anne Will will es auch von jedem nochmal wissen? Ist Trump brandgefährlich? Hat Ihnen die Antrittsrede imponiert? Haben Sie so viel Aggression erwartet?

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen spricht diplomatisch von einer „verpassten Chance“ bei der ersten Rede Trumps als Präsident. Der ehemalige EU-Kommissar Günther Verheugen hält Trump für gefährlich, der Vorsitzende des Bundesverbands der Industrie (BDI), Dieter Kempf, zeigt sich beunruhigt und vermisst bei Trump „den menschlichen Faktor“. Der Historiker Michael Wolffsohn sagt, Trump sei nationalistisch, chauvinistisch, „ein ungebildeter Mensch“ und es fehle ihm auch die Herzensbildung. Selbst Ralph Freund, ein Frankfurter Unternehmensberater, der sich zum Freundeskreis der US-Republikaner zählt, und Trump mittlerweile gut findet, sagt, Trumps Tonlage sei „auch für mich befremdlich“.

Wo Donald Trump Frank Walter-Steinmeier ähnelt

Kollektives Hände-über-dem-Kopf-zusammenschlagen also. Aber der Mann ist ja jetzt Präsident, was also macht man in dieser Lage sonst noch? Die Moderatorin ist ein bisschen ratlos. Sie fragt die Ministerin, ob sie sich angesprochen fühlt, wenn Trump auf das Establishment schimpft und lässt die Runde so lange über dessen Forderung nach Zöllen für die Auto-Industrie und deutsche Autos loben, dass ein Werbeblock nicht mehr nötig ist.

Alles zum Thema Anne Will

Der deutsche Republikaner Freund glaubt, dass alles nicht so schlimm werden wird, weil auch ein US-Präsident ja nicht alles dürfe. Warum er dann Trump überhaupt unterstützt, bleibt offen. Auch Wolffsohn gibt sich einigermaßen verständnisvoll. Trump habe zwar die Nato in Frage gestellt - aber damit ja nur eine Realität ausgesprochen. Die Nato werde schließlich auch in Deutschland kritisiert und habe Mitglieder, die es mit Menschenrechten nicht so genau nehmen. In der Russlandpolitik verfolge Trump eigentlich den selben freundlichen Ansatz wie der deutsche Außenminister und künftige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, nur eben etwas anderes im Ton.

„Donald Trump wird alles tun wird, was er gesagt hat“

Doch alles halb so wild also? „Es ist nicht notwendigerweise ein Nachteil, wenn Amerika sich zurücknimmt“, sagt Verheugen. Allerdings ist er am pessimistischsten. Er gehe davon aus, „dass Trump alles tun wird, was er gesagt hat“. Verheugen lässt Hormonfleisch, genmanipulierte Pflanzen und die in der TTIP-Debatte berühmt gewordenen Chlorhühnchen - nunja: aufmarschieren als warnende Beispiele, bei dem der Präsident eben doch ziemlich allein agieren könne.eine Vertiefung wäre da interessant gewesen. Verheugen zieht noch eine ganz andere Verbindung - die zum möglichen Trumpismus in Europa und Deutschland. Trump habe auch gewonnen, indem er an die Globalisierungs-Verlierer appelliert habe, sagt er. Und die gebe es auch hier. Es sei eine neue soziale Frage entstanden.

Für die Bundesregierung, die mit Trump ganz direkt umgehen muss, antwortet von der Leyen mit dem Rezept, das schon seit der Wahlentscheidung gilt: Abwarten. Man dürfe nicht mit Emotionen reagieren, sagt sie. „Ablehnen oder völlige Zustimmung sind die falschen Kategorien“. Noch scheinen sie in die Regierung zu hoffen: Zu Trumps Techniken gehöre, alles schlecht zu reden, sagt von der Leyen. Da könne man dann recht einfach Erfolg haben. Und außerdem dürfe man „nicht nur auf den Präsidenten schauen“. Es gebe ja noch die vielen persönlichen Verbindungen zwischen Amerikanern und Europäern. „Darauf setze ich“, sagt sie. Es ist wirklich das Prinzip Hoffnung.

KStA abonnieren