Verdreht, gefälscht, gelogenDie Geschichte der Fake-News

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(Symbolbild)

Köln – Ein Präsidentschaftskandidat, der im amerikanischen Wahlkampf eine Lüge nach der anderen verbreitet, ohne dass es ihm schadet, sondern ihm sogar den Wahlsieg beschert. Leicht zu entlarvende Fake News, die sich dennoch im Internet in Rekordgeschwindigkeit verbreiten und von vielen geglaubt werden. „Postfaktisch“ ist das „Wort des Jahres“.

Wir leben in Zeiten, in denen für viele wahr sein muss, was wahr sein soll – und alles andere automatisch eine Lüge ist. Viel Aufregung gab es 2016 um diese Phänomene. Doch wie so oft hilft auch hier ein Blick zurück. Denn handfeste Lügen, Fälschungen, bewusste Fehlinterpretationen und Umdeutungen gab es schon immer, ja sie gehören zu den Konstanten der Geschichte. Wir stellen Ihnen einige besonders prägnante Beispiele vor.

Konstantinische Schenkung

Allen Religionen ist gemein, dass sie die Lüge als Sünde verurteilen. So auch die katholische Kirche. Das hat ihre Vertreter allerdings nie daran gehindert, besonders dreist zu lügen und zu betrügen. Bestes Beispiel ist die Konstantinische Schenkung. Sie galt über Jahrhunderte als Grundlage für den weltlichen Herrschaftsanspruch des Papsttums.

Kaiser Konstantin hatte demnach aus Dankbarkeit für die Heilung vom Aussatz durch die Taufe Papst Silvester I. und all seinen Nachfolgern die Westhälfte des Römischen Reiches mittels Schenkung übertragen. Der italienische Humanist Lorenzo Valla konnte im 15. Jahrhundert mit stilistischen und inhaltlichen Gründen beweisen, dass die Konstantinische Schenkung eine mittelalterliche Fälschung (wohl des 8. Jahrhunderts) war.

„Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen“

Wenn es um Fake News geht, sind besonders häufig Politiker betroffen, denen man Äußerungen in den Mund legt, um sie zu diskreditieren. Auch das ist kein neues Phänomen. So wird der französischen Königin Marie Antoinette, deren Ruf durch die Halsbandaffäre ohnehin schwer beschädigt war, nachgesagt, sie habe auf die Vorhaltung, die Armen könnten sich nicht einmal mehr Brot leisten, geantwortet: „Dann sollen sie doch Kuchen essen!“ Prägnanter kann sich die Arroganz des Hochadels gegenüber den Sorgen des Volkes kaum artikulieren.

Doch Historiker sind sich sicher, dass sie diesen Satz nie sagte, stammt er doch von Jean-Jacques Rousseau. Er schrieb um das Jahr 1766 – und damit lange vor der Französischen Revolution–, dass „eine große Prinzessin angab, als man ihr sagte, die Bauern hätten kein Brot … »So mögen sie Kuchen essen«“. Marie Antoinette lebte zu diesem Zeitpunkt als Kind von Kaiser Franz I. in Wien.

Protokolle der Weisen von Zion

Diese erstmals 1903 in der judenfeindlichen Presse des zaristischen Russlands erschienene antisemitische Textsammlung enthielt angebliche Mitschriften jüdischer Geheimsitzungen zum Ziel der „Weltherrschaft des Judentums“. Wer sie verfasste, ist unsicher.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Text auch international verbreitet, obwohl die Protokolle bereits 1921 in der Londoner „Times“ als Fälschung entlarvt worden waren. Bis 1933 erschienen in Deutschland insgesamt 33 Ausgaben des Textes, durch Übersetzungen wurden die „Protokolle“ in den 1920er Jahren aber auch in Frankreich, Großbritannien sowie den USA bekannt und zur weitestverbreiteten antisemitischen Schrift des 20. Jahrhunderts. Noch heute beziehen sich viele Antisemiten und Verschwörungstheoretiker auf diese „Protokolle“.

Dolchstoßlegende

„Im Felde unbesiegt“ – mit solchen Formulierungen verbreitete die Oberste Heeresleitung, allen voran Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff, nach Ende des Ersten Weltkriegs die Mär, das deutsche Heer sei nicht durch seine Feinde besiegt, sondern hinterrücks erdolcht worden. Nicht Fehler in der Kriegsführung, die Erschöpfung der Soldaten oder die Überlegenheit der gegnerischen Staaten waren demnach der Grund für die Niederlage, sondern zivile Kräfte im eigenen Land.

Linke Vaterlandsverräter und jüdische Verschwörer trugen nach dieser Deutung die Schuld an der Niederlage und ihren Folgen wie den im Vertrag von Versailles festgelegten demütigenden Friedensbedingungen seitens der Siegermächte. Die Dolchstoßlegende war für die demokratischen Kräfte der Weimarer Republik eine schwere Hypothek – und für die rechtsextreme Propaganda ein zentrales Thema, mit dem sie den Aufstieg Hitlers vorantrieb.

Überfall auf Polen

Den Krieg gegen Polen hatte Hitler von langer Hand vorbereitet, nur so ließen sich seine Pläne der Eroberung von „Lebensraum im Osten“ umsetzen. Nach der Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Pakts war der Weg frei. Antipolnische Propaganda heizte die Stimmung unter den Deutschen an. Der angebliche Überfall auf den Sender Gleiwitz, bei dem als Polen verkleidete SS-Männer am 31. August 1939 die Station stürmten, war der letzte Schritt auf dem Weg zum Krieg. Um 4.45 Uhr am 1. September eröffnete das Schiff „Schleswig-Holstein“ das Feuer auf die polnischen Befestigungen der Westerplatte vor der Freien Stadt Danzig. Hitler jedoch begründete den Überfall mit einer polnischen Aggression: „Polen hat nun heute Nacht zum ersten Mal auf unserem eigenen Territorium auch mit bereits regulären Soldaten geschossen. Seit 5 Uhr 45 wird jetzt zurückgeschossen!“

Massenvernichtungswaffen im Irak

C. Powell

C. Powell

Als „Schandfleck meiner Karriere“ hat der ehemalige US-Außenminister Colin Powell seinen Auftritt vor dem UN-Sicherheitsrat am 5. Februar 2003 später bezeichnet. Damals informierte Powell die Vereinten Nationen über die angeblich existierenden irakischen Massenvernichtungswaffen und die daraus resultierenden Bedrohung der Welt durch das Regime von Saddam Hussein. Er präsentierte unter anderem Satellitenfotos von Lastwagen mit angeblichen mobilen Biowaffen-Labors. Damit lieferte er die Begründung der USA für den Krieg gegen den Irak. Der damalige deutsche Außenminister Joschka Fischer sagte auf der Münchner Sicherheitskonferenz: „Ich bin nicht überzeugt.“ Heute weiß man, dass diese Skepsis angebracht und die amerikanischen „Beweise“ falsch waren.

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