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WDR-Computer-NachtCybersex-Versuche mit Alfred Biolek

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In der WDR-Computer-Nacht ist auch dieser Archivschatz zu sehen: Alfred Biolek zeigt in seiner Sendung am Beispiel eines Pärchens, wie Cybersex funktionieren könnte.

In der WDR-Computer-Nacht ist auch dieser Archivschatz zu sehen: Alfred Biolek zeigt in seiner Sendung am Beispiel eines Pärchens, wie Cybersex funktionieren könnte.

Köln – Nichts hat Leben und Arbeit in den letzten fünfzig Jahren mehr verändert als Computer. Das ist die wenig überraschende Bilanz eines umso überraschenderen Filmprojekts, das monatelange Fleißarbeit im Archiv zwar zutage fördert, für das sich aber derzeit nur nachts ein Sendeplatz findet. „Da gab es viele Gänsehaut-Momente“, berichtet Autor Mike Schaefer – etwa jene cineastisch beeindruckende Szene, die den Verlust altgewohnter Bürowelt „mit dem vielleicht längsten Schweigen im gesamten WDR-Archiv“ dokumentiert.

Oder der TV-Wahlabend 1965, an dem Zuschauer erstmals erfuhren, was eine Hochrechnung sein soll. Und immer qualmten im Studio nicht nur die Gehirne, sondern ganz selbstverständlich auch die Zigaretten. Der Besuch bei den Facebook-Vorfahren in Kalifornien wirkt wie ein Trip zur Hippie-Landkommune. Um Riesen-Magnetbänder gigantischer Rechenzentren, die weniger leisteten als heute ein Smartphone, kümmerten sich adrette junge Damen mit unglaublich kurzen Röcken.

Ganz zu schweigen vom bizarren Cybersex-Versuch mit virtuellem Anbaggern, den ein kaum weniger adrett jugendfrischer Alfred Biolek mit einem Kandidatenpaar präsentierte: er in Bonn, sie in Köln, beide eingeschnürt in unsägliche Corsagen voller Sensoren und Vibratoren. Und France Gall trällert ganz unbefangen ihren Schlagerrefrain: „Der Computer Nummer drei sucht für mich den richtigen Boy.“

Diese Fernsehnacht schafft als kurzweilige Zeitreise den Spagat zwischen Zeitgeist-Comedy und ernsthaften Fragen – „immer noch Fragen übrigens, die sich in all den Jahrzehnten kaum verändert haben“, wie der zuständige Programmgruppenleiter Thomas Hallet feststellt. Angst vor Kontrollverlust zum Beispiel oder Allmachtsfantasien. Die Freiheit des Menschen, ergänzt TV-Wissenschaftsguru Ranga Yogeshwar, müsse vor dem Hintergrund vernetzter elektronischer Kontrolle „neu ausgehandelt werden“. Um nicht mehr und nicht weniger geht es.

Yogeshwar gehört ebenso wie der WDR-Computerclub-Veteran Wolfgang Back zu den Experten, die das Archivmaterial aus heutiger Sicht kundig kommentieren. Das Ergebnis sind Denkanstöße bis hin zur künstlichen Intelligenz, für die so tief nachts nicht mehr jeder fit genug ist. Aufzeichnen lohnt sich also mehr als Aufbleiben. (uws)

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