Abo

Zum 90. GeburtstagPu der Bär – So glücklich, wie man nur sein kann

Lesezeit 7 Minuten
Neuer Inhalt (1)

Pu der Bär wird 90.

Köln – Am 14. Oktober 1926 erschien Alan Alexander Milnes Kinderbuch über einen Bären von sehr geringem Verstand, der mit seinen Freunden im  Hundertsechzig-Morgen-Wald lebt. Wir gratulieren ihm zum 90. Geburtstag mit Liebeserklärungen.

Der Autor

Alan Alexander Milne wurde 1882 in London geboren. Er schrieb Theaterstücke und Gedichte. Berühmt wurde er jedoch mit dem am 14. Oktober 1926 erschienenen Kinderbuch „Winnie-the-Pooh“ („Pu der Bär“)

Der kleine Junge in der Geschichte heißt wie sein Sohn Christopher Robin. Pu und seine Freunde sind dessen Kuscheltieren nachempfunden.

PU macht Mut

Pu der Bär ist wohl eine der wenigen Kinderfiguren, die es mit ihren Weisheiten schaffen, jede Generation zu berühren. Die Kinder haben ihr Leben sowie wichtige, aber auch harte Erfahrungen noch vor sich. Pus Erkenntnisse – wie „Du darfst nicht immer in deiner Ecke des Waldes bleiben und darauf warten, dass die anderen zu dir kommen. Manchmal musst du auch zu ihnen kommen“ – helfen ihnen womöglich ein Stück weit den teils mit Verzweiflung und Tränen gepflasterten Weg der Freundschaft zu gehen. Pu macht Mut. Die Erwachsenen wiederum dürfen sich dank Pus Klugheiten an wesentliche Einfachheiten erinnern. Und der liebenswerte Bär drückt es so sympathisch naiv aus, dass die Welt einem in grauen Tagen wieder ganz sonnig erscheint. Schlaue Sätze faszinieren nun einmal jede Generation.

Jennifer Wagner

Nichts Höheres als Honig

Die einfachen Dinge im Leben versprechen oft den höchsten Genuss, und für Pu gibt es kulinarisch nichts Höheres als Honig. Manchmal ist das mit der Höhe wörtlich zu nehmen, leider, dann muss sich der Bär als Wolke verkleiden, um an einem Luftballon schwebend ein Bienennest zu plündern. Was schmerzhaft misslingt, den Liebhaber „kleiner Imbisse“ aber eben so wenig entmutigen kann wie eine andere Honig-Erfahrung: Nascht man „eine Kleinigkeit“ zu viel, dann hat das Folgen. Pu bleibt in der Kaninchenhöhle stecken und muss bis zur Befreiung fasten.

Die subtilste Form kulinarischen Genusses aber hat niemand je besser als dieser Bär beschrieben: „Obwohl Honigessen etwas sehr Gutes war, was man tun konnte, gab es doch einen Augenblick, kurz bevor man anfing den Honig zu essen, der noch besser war als das Essen, (aber er wusste nicht, wie der hieß.)“ Ach, wer das wüsste und einen Weg fände, den Moment auszudehnen, der hätte Töpfe voller Honig und ein köstliches Pu-Gesumm verdient.

Beatrix Lampe

Je einfacher, desto besser

Wer Pu liest, wird weise. Denn von diesem Bären kann man lernen, dass es auf sehr schwierige Fragen des Lebens ganz einfache Antworten gibt. Essen zum Beispiel. Komplexität ist eben nicht immer schlau – auch wenn die (Geistes-)Wissenschaft uns das gerne glauben machen will, schließlich ist Komplexität ihre Geschäftsgrundlage. Pu weiß das – obwohl (oder eben weil) er beharrlich behauptet, ein Bär von sehr geringem Verstand zu sein. Das beweist ein Zitat über das Klugscheißer-Kaninchen: „Kaninchen ist schlau“, sagte Pu nachdenklich. „Und es hat Verstand. Ich glaube, deshalb versteht es auch nie was.“

Man kann am Leben verzweifeln – oder man kann es sein lassen. Ein Pu-Grundsatz, der gerade Furchtsamen einen bestechenden Weg zu neuem Denken weist. „Angenommen, ein Baum fällt um, Pu, wenn wir direkt darunter stehen?“ fragt das ängstliche Ferkel. „Angenommen, er fällt nicht um“, sagt Pu nach sorgfältigem Nachdenken. Was für die Erkenntnis gilt, gilt auch für das Schreiben: Je einfacher, desto besser.

Pu, der ein ebenso großer Dichter wie Denker ist, weiß das natürlich: „Das ist die beste Art Gedichte zu schreiben, indem man die Sachen einfach kommen lässt“. Das Beste an Pu: Er ist klug und bescheiden genug, mit seiner Weisheit nicht als Bär-gewordener Dalai Lama hausieren zu gehen. Konsequent verweigert er sich in einem seiner berühmtesten Lieder der Rolle als Ratgeber in Lebensfragen: „Gib mir ein Rätsel auf und ich werde sagen: Da musst du jemand anders fragen.“

Kerstin Meier

Wohlig warm

Disney-Filme hin, Bilderbücher her: Manche Menschen kennen Pu vor allem als Ohrenbär. Der Hamburger Harry Rowohlt hat Milnes Text nicht nur ganz wunderbar neu übertragen, sondern die Abenteuer des Bären (dessen Namenszusatz Pooh am ehesten mit Hosenscheißerchen zu übersetzen wäre) noch viel wunderbarer vorgelesen, vorgetragen und das Gesummse natürlich vorgesummt. So kriecht der Text aus dem Zauberwald direkt dahin in den Kopf, wo es wohlig warm und sehr freundlich ist. Hörbücher von Harry Rowohlt und Pu, der Bär bringen Sanftmut selbst in übelste Stauphasen auf der A1. Grund also, ihm seine schöne Liebeserklärung zurückzugeben: „Wenn du hundert Jahre alt wirst, will ich hundert Jahre minus einen Tag alt werden, damit ich nie ohne dich leben muss.“ Alles Liebe zum Geburtstag, lieber Pu. Und einen Extra-Topf Honig dazu!

Barbara A. Cepielik

Wie Balsam für die Seele

Ferkel ist chaotisch und egozentrisch, Kaninchen entschlossen und streng, das Heffalump mysteriös und beunruhigend. Pu hingegen vor allem verfressen. Im Buch laufen die Freunde dem Bären von geringem Verstand mitunter den Rang ab. Anders, wenn Harry Rowohlt liest. Dann fährt Leben in Pu. Sein gemächlicher und konsensualer Charakter blüht auf. Der gelesene Pu legt sich wie Balsam auf aufgewühlte Chefredakteursseelen und bringt sie auf andere Gedanken. Man sieht ihm nach, dass er ständig an Imbisse denkt und Honig wie im Zeitraffer verschlingt. Sogar liebe Freunde erkennt man in den Bewohnern des Hundertsechzig-Morgen-Waldes. Aus dem sarkastischen I-Ah spricht doch glatt der Kollege . . . Nein, der Name wird nicht verraten. Ist auch vollkommen gleichgültig. Der Zauber wirkt über die Jahrzehnte und wir lachen über Kängas geballte Mutterliebe, die auf Ferkel trifft. Das kleine Schwein wird gewaschen und die finsteren Gedanken sind wie weggeblasen.

Peter Pauls

Pus Optimismus steckt an

Wie heitert man einen dauer-depressiven Freund auf? An seinem Geburtstag, den alle vergessen haben? Pu schafft das mit Geschenken, die unsereins nicht einmal zum Schrottwichteln einreichen würde. Und das geht so: Pu trifft den traurigen I-Ah an seinem Ehrentag, ohne Geschenke, ohne Party. Also rennt er los holt einen Topf voll Honig, den er aber – von Hungeranfällen geplagt – unterwegs leert. Damit das leere Stück Ton etwas attraktiver aussieht, lässt er von Eule eine Widmung draufschreiben – doch Eule kann nicht richtig schreiben und also steht darauf: „Hirz Lerz Nuckwnüsch uzm Bubu Bugebu Burzkat.“

Freund Ferkel, von Pus Verschenkfieber angesteckt, holt einen großen roten Luftballon, fällt aber vor Aufregung hin und überreicht I-Ah schließlich nur einen „kleinen feuchten Fetzen“. Ein Drama? Nein! Von Pus Grundoptimismus angesteckt entdeckt I-Ah, dass man den Fetzen im Topf aufbewahren kann - was nicht ginge, wenn der Ballon noch heil und der Topf noch voll wäre. Und I-Ah „war so glücklich, wie man nur sein kann“.

Wolfgang Wagner

Stöcke von einer Brücke

Was spielt man am liebsten, wenn man im Hundert-Morgen-Wald wohnt und gerade mal nicht auf Honigsuche ist? Poohsticks! Bei dem Spiel, das Winnie und seine Freunde erfunden haben, geht es darum, gleichzeitig Stöcke von einer Brücke ins Wasser zu werfen. Der, der auf der anderen Seite als erster wieder zum Vorschein kommt, beziehungsweise dessen Besitzer, hat gewonnen. Die literarische Vorlage, Puh baut ein Haus aus dem Jahr 1928, inspirierte die Engländer zu einer jährlichen Poohsticks Meisterschaft, die seit 1983 bis zum Jahr 2014 in der Nähe des kleinen Ortes Abingdon ausgetragen wurde. Wegen des großen Zuschauer-Interesses fahndete man schließlich nach einem neuen Austragungsort und fand ihn in dem Örtchen Witney, westlich von Oxford, wo eine Brücke über das Flüsschen Windrush ideale Stockwurf-Bedingungen bietet. Zu gewinnen gibt es übrigens die Hundred Acre Edwardes.

Die Poohsticks-Meisterschaften stehen in indirekter Konkurrenz zu den Torten-Wurf-Meisterschaften in Kent, bei denen man sich mannschaftsweise Creme-Kuchen entgegenschleudert, dem Betten-Rennen in Yorkshire, wo 2,4 Meilen in einem von Läufern gezogenen rollenden Bett samt Insassen zurückzulegen sind, und den Steineflitsch-Meisterschaften in Schottland.

Lioba Lepping

KStA abonnieren