Kuriose EntwicklungenDer Erfinder Konrad Adenauer

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Konrad Adenauer versuchte sich als Erfinder - mit zweifelhaftem Erfolg. (Bild: dpa)

Konrad Adenauer versuchte sich als Erfinder - mit zweifelhaftem Erfolg. (Bild: dpa)

Ob Konrad Adenauer je selber einen löchrigen Strumpf gestopft hat, ist nicht überliefert, aber mit den Nöten einer Hausfrau bei diesem Unterfangen war er vertraut. Er musste ja nur seine Gattin dabei beobachten, wie sie die über ein Stopfei gespannte Socke unter eine starke Lampe halten oder aber nach draußen ins Helle gehen musste, um die Stiche zielsicher zu setzen.

Als praktisch veranlagter und handwerklich geschickter Mensch wollte der spätere Bundeskanzler da nicht länger zuschauen und erfand eine pfiffige Abhilfe - das batteriebetriebene Stopfei mit Innenbeleuchtung. In seinem 1938 verfassten Schreiben an die Beamten des Reichspatentamtes nennt er seine Erfindung ziemlich gedrechselt, aber vermutlich zielgruppengerecht eine „Einrichtung zur Ausbesserung von Geweben“.

Erklärend führt Adenauer, damals schon 62 Jahre alt, dazu aus: „Bei weniger hellem Tageslicht und bei künstlichem Licht sind die schadhaften Stellen . . . nur schwer oder gar nicht zu erkennen. Auch muss bei der Ausbesserung feinster Gewebe ohne Tageslicht die künstliche Lichtquelle sehr stark sein, damit die auszubessernde Stelle genügend belichtet ist.“

Sein Geistesblitz bringe „eine erhebliche Verbesserung gegenüber den jetzt im Gebrauch befindlichen Unterlagen und eine Erleichterung der Arbeit unter Einsparung von Licht, indem sie die aus einem durchscheinenden Material herzustellenden Unterlagen von innen her, das heißt von der dem herübergezogenem Gewebe entgegengesetzten Seite her, durch eine kleine elektrische Birne erhellt“.

Obwohl - oder gerade weil - die Berliner Beamten die umständlich formulierte Idee verstanden, lehnten sie den Patent-Antrag ab: Ein derartige Stopfhilfe war nämlich bereits durch eine Schweizer und drei US-amerikanische Patentschriften bekannt. Das Elektro-Unternehmen AEG brachte denn auch Ende der 1930er Jahre eine pilzförmige Variante auf den Markt, von dem sie aber „offensichtlich sehr schnell wieder verschwand“, wie Engelbert Hommel in seiner amüsanten Schrift über „Konrad Adenauers Erfindungen“ hinzufügt. Das elektrische Stopfei war schließlich nicht kriegswichtig.

Brausekopf für Gießkannen mit abklappbarem Deckel

Dass Konrad Adenauer sich in manchen Lebensphasen als Tüftler betätigte, ist noch immer kaum bekannt - es sei denn, man hat im südlich von Bonn gelegenen Rhöndorf das Privathaus des Alten besichtigt und außer der AEG-Variante des Stopfeis einige weitere - nun ja - Erfindungen Adenauers begutachten können: so etwa den „Brausekopf für Gießkannen mit abklappbarem Deckel“, die „Verbesserung des elektrischen Brotrösters“ mit Sichtscheibe, Innenbeleuchtung und Innenspiegel oder auch das Mehrzweck-Gartengerät. Letzteres bastelte Adenauer zusammen, indem er am Stiel eines gewöhnlichen Gartenrechens eine Art Hammerkopf aus Metall anbrachte, um größere Erdklumpen zertrümmern zu können, ohne das Arbeitsgerät wechseln zu müssen. Der Hammer ähnelt frappierend einem Fleischklopfer zum Erweichen hartleibiger Schnitzel, so dass Hommel in seinem Buch vermutet, Adenauer habe sich auch hier von seiner Frau inspirieren lassen.

Ein langjähriger Bundeskanzler, der sich mit Erdbrocken herumschlägt und beleuchtete Stopfeier entwirft - das liegt nicht gerade nahe. Gaby Brennig vom Besucherdienst des Adenauer-Hauses in Rhöndorf hat folgerichtig beobachtet: „Die Leute stehen immer ganz baff vor den Vitrinen.“ Und auch die Historikerin Claudia Waibel, im Adenauer-Haus zuständig für Museumspädagogik, räumt ehrlich ein: „Auch ich wusste nichts über Adenauers Erfindungen, bevor ich hier anfing.“

Misserfolg war Deutschlands Glück

Es ist ein Glücksfall für Deutschland, dass Adenauer als Daniel Düsentrieb von Rhöndorf deutlich weniger Erfolg hatte denn als Politiker. Sonst hätte der in Köln geborene Mann mit dem markanten Indianergesicht womöglich am Ende noch eine überaus einträgliche „Hektargroße Umgrabhilfe für Äcker und Felder“ erfunden und es zum Millionär gebracht, wohingegen sich die Westbindung der Bundesrepublik und die soziale Marktwirtschaft nicht hätten durchsetzen lassen.

Wenn das Bibel-Wort „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen“ stimmt, dann verraten die Erfindungen Adenauers mehr über ihn oder die Nöte seiner Zeit als so manche seiner Aussagen oder mehr oder minder verlässliche Anekdoten über ihn. Beispielsweise las Adenauer abends gerne noch und schlief häufig darüber ein. Dass dann bis zum nächsten Morgen die Leuchte am Bett sinnlos Strom verbrauchte, ärgerte den Sparfuchs. Also griff er zu seinem Werkzeug und versah die Stehlampe mit einer Zeitschaltuhr, die jeweils für 30 Minuten Strom bereitstellte und das Licht dann löschte.

Mehlwurm unter Strom

Das Ganze funktionierte sogar, was sich längst nicht von jeder Erfindung Adenauers sagen lässt - zum Beispiel vom Elektrischen Insektentöter aus dem Jahr 1935, mit dem er die Giftspritze im Garten überflüssig machen wollte. Dass sich Krabbeltiere mit Elektrizität ins Jenseits befördern lassen, hatte der Tüftler selber ausprobiert - an einem Mehlwurm, an dessen beide Enden er zwei Strom führende Drähte gehalten hatte. Adenauer beobachtete an dem Tier „Funken oder Verbrennungserscheinungen“.

Zufrieden ließ er sich von der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) eine Kleisterbürste zum Tapezieren so umbauen, dass zwischen den Borsten einige Elektroden steckten. In Wasser - oder zum besseren Stromleiten in eine dünne Lösung aus Wasser und Ätzkali - getaucht, sollte unerwünschte Insekten sterben, indem der Gärtner mit der unter Strom stehenden Bürste befallene Baumstämme oder Blätter bestrich. Doch die AEG musste bei Tests leider feststellen, dass der Insektentöter - bei als notwendig erachteten 1000 Volt anliegender Spannung - unter ungünstigen Umständen „absolut tödlich“ für den Anwender selbst gewesen wäre. Außerdem für die meisten Insekten, doch dabei war nicht klar, ob diese durch den Strom starben oder allein schon durch die Lauge - insgesamt ein niederschmetterndes Ergebnis, wie Adenauer etliche hinnehmen musste.

Kein wirtschaftlicher Erfolg

Zwar gelang es Adenauer auf Umwegen, Patente für ein Notzeiten-Brot auf Maismehl-Basis sowie für eine Soja-Wurst zu erhalten, doch der von ihm erhoffte wirtschaftliche Erfolg seiner Tüftelei stellte sich nicht ein.

Auch Rosenerfinder war Adenauer nie, auch wenn dies oft zu lesen ist. Die nach ihm benannte Rose wuchs nicht auf seinem Mist, sondern wurde ihm 1954 vom Züchter Mathias Tantau aus Uetersen gewidmet.

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