Kuriose NebenbeschäftigungGeheimtipp für Fetischisten

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Der „Willy-Waermer“ für das beste Stück am Mann. (BILD: DDP)

Der „Willy-Waermer“ für das beste Stück am Mann. (BILD: DDP)

Wer denkt, Fetischbekleidung gebe es nur in Lack undLeder, der kann sich im niedersächsischen Dorf Arpke bei Lehrte vomGegenteil überzeugen. Dort sitzt Manuela Busch-Dankewitz mit ihrenHelferinnen und strickt Fetischware aus Wolle für besondere Kunden:„Wollfetischisten mögen ganz dicke Pullover und das kratzige Gefühlauf der Haut“, sagt sie. Die 45-jährige Hobbystrickerin muss eswissen: Seit sechs Jahren beliefert sie Kunden auch aus Kanada,Schweden, der Schweiz oder Neuseeland mit ihren Eigenkreationen. Dazugehören sogenannte Balaclavas, eine Art Sturmhauben, die nur Augenund Mund freilassen, Ganzkörperwollsäcke oder der „Willy-Wärmer“, dasWollaccessoire für das beste Stück am Mann.

Angefangen hat alles mit dem Wunsch nach einem Pullover. Für dieFreundin ihres Sohnes sollte Busch-Dankewitz einen besonderen Schnittausfindig machen. Bei der Recherche im Internet stieß dieFamilienmutter dann auf den Szene-Trend: Fetischbekleidung aus Wolle.Ob extrem bauschige Pullover oder ellenlange Schals - Hauptsache dasStrickwerk hüllt den Kunden ganz in Wolle.

Modelle nachgestrickt

Busch-Dankewitz gilt seit jeher in ihrer Familie alsStrick-Talent. Für einen großen Pullover braucht sie kaum mehr Zeitals „zwei oder drei entspannte Abende auf dem Sofa“. Und soentschloss sie sich, einige Modelle aus dem Internet nachzustricken.Die Fetisch-Strickerei sei zuerst nur Spaß gewesen, dann kam dieGeschäftsidee dazu, erzählt Ehemann Borris Dankewitz.

Die Modelle aus Arpke fanden Anklang bei den Szenekunden. SeineFrau, die hauptberuflich Altenpflegerin ist, entwarf zunehmend eigeneKreationen für Bedürfnisse der Wollfetischisten. Zum BeispielWollhosen, die sich hinten leicht aufschnüren lassen oderGanzkörperwollsäcke ohne Arme, die über dem Kopf zugebunden werdenkönnen.

Nach und nach entwickelte sich aus der Hobbystrickerei ein kleinesUnternehmen mit spezieller Ausrichtung auf Fetischware. Rund 800Kilogramm Wolle lagern inzwischen im Büroanbau des Familienheims.Busch-Dankewitz konnte die Nachfrage nicht mehr alleine bewältigenund suchte Verstärkung. Die fand sie bei ihren Patientinnen, obwohlfür viele „Fetisch“ bis dahin nicht mehr als ein unbekanntesFremdwort war. Mittlerweile ist das Team von Helferinnen auf siebenFrauen angewachsen, die zwischen 26 und 87 Jahre alt sind und in ganzDeutschland verteilt leben. Die Aufträge werden per E-Mail oderTelefon abgewickelt.

Abwechslung im Alltag

Eine der Strickerinnen ist Hilde Gutsche. Die 87-Jährige genießtes, durch die Handarbeit etwas Abwechslung in ihrem Alltag zuerfahren. „Manchmal tun mir die Hände weh, dann muss ich aufhören“,erzählt die Seniorin. „Aber ich stricke gerne, sonst wäre mir nurlangweilig.“ Gerade hat sie ein paar überlange Strümpfe angefangen,die Stockings genannt werden. „Die sind für den Herrn“, sagt sie.Auch exotische Wünsche wie etwa Unterwäsche aus Wolle sind fürGutsche kein Grund zum Kopfschütteln. „Früher hatten wir nur so wasan“, sagt sie.

Wenn Busch-Dankewitz Fetischware strickt, dann verbindet sie damitauch so etwas wie ein gesellschaftspolitisches Statement. „Ich weißgar nicht, warum ein Fetisch so ein Tabuthema ist. Vor 20 Jahrenhaben wir uns alle über Piercings, Tattoos, Lack und Leder aufgeregt,heute ist das schon normal. Es gehört fast zum Straßenbild“, sagt dieHobby-Designerin, die Ende des Jahres ihre erste Kollektionherausbringen will, die von alltagstauglichen Modeschöpfungen ausWolle bestimmt wird. Wollfetischisten gehe es oft auch nicht umsexuelle Vorlieben, sondern einfach um das Gefühl, ganz umhüllt vonWolle zu sein.

(wolltraum.de)(ddp)

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