Michael MeierDer rastlose Fußball-Gestalter

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Aufstiegsfeier im Sommer 2008: Matthias Scherz (l.) und Kevin Schöneberg tragen Manager Meier durch die Kabine. (Bild: Dahmen)

Aufstiegsfeier im Sommer 2008: Matthias Scherz (l.) und Kevin Schöneberg tragen Manager Meier durch die Kabine. (Bild: Dahmen)

KÖLN - Eine Magnetkarte gibt den Weg frei zum Arbeitsplatz von Michael Meier. In großen Unternehmen sitzen die Chefs immer in den oberen Etagen. Beim 1. FC Köln ist der Begriff „oben“ relativ. Der neue Anbau ans Geißbockheim, von wo aus die Geschicke des Bundesligisten gelenkt werden, hat nur zwei Stockwerke. Das Büro des Managers ist fast ganz hinten, über eine Brücke gelangt man schnell hinunter in den Bereich der Lizenzspieler. Der Manager ist entspannt in diesen Novembertagen, die Tabelle weist den FC auf Platz 13 aus. „Es ist nicht geplant, die Mannschaft im Winter noch zu verstärken“, sagt er. Er hoffe, dass bis zur Winterpause „an die 20 Punkte erreicht sind“. Sollte es die sportliche Lage verlangen, bestehe jedoch Handlungsspielraum für Transfers.

Die übliche Aufregung, die der Fußballbranche anhaftet, ist Michael Meier nicht anzumerken. Er trägt einen dezenten Anzug, rot ist die Krawatte, golden die Manschettenknöpfe. Seine Stimme hat etwas beruhigendes, der Blick ist angenehm sanft. Meier könnte auch Vorsitzender eines Pfarrgemeinderates sein, statt dessen lenkt er seit beinah 30 Jahren Fußballvereine. „Ich habe die Bundesliga nie als Haifischbecken empfunden“, sagt er, „der Job ist undankbar, aber ungeheuer faszinierend“. Am Sonntag wird Meier 60 Jahre alt. Für Samstagabend hatte er bereits ein Brauhaus reserviert, um seinen Geburtstag zu feiern. Doch jetzt hat er den Festakt abgesagt. „Mir ist nicht nach feiern zumute“, bekennt er, „ich werde kein Fest begehen, wenn gleichzeitig um Robert Enke getrauert wird“.

Als Michael Meier nach seinem Wirtschaftsstudium beim 1. FC Köln im geschäftsführenden Vorstand begann, war der Klub noch nationale Spitze. Zum Kader gehörten Spieler wie Toni Schumacher, Klaus Allofs, Tony Woodcock und Pierre Littbarski. Die ersten Bundesligaklubs öffneten sich damals zaghaft der Trikotwerbung, Präsident war Peter Weiand. „Ich musste mich hochdienen und mir einen Namen machen“, erinnert sich Meier. Es muss gut ein Jahr nach seinem Dienstbeginn gewesen sein, als Toni Schumacher eines Tages neugierig in Meiers Büro kam. „Er hat mich gefragt, welche Funktion ich eigentlich im Verein hätte“, berichtet der Manager. Heute würde Meier das nicht mehr passieren.

Im Sommer hat Michael Meier mit großer Kreativität die finanziellen Möglichkeiten geschaffen, Spieler wie Lukas Podolski und Maniche nach Köln zu holen. „Wir haben mit hohem finanziellen Risiko in mehr Qualität investiert“, sagt er und fügt hinzu: „Dabei war uns allen klar, dass die Mannschaft nicht komplett ist“. Nach wie vor suche der Klub nach einem Mann für das rechte Mittelfeld sowie einen Außenverteidiger. Im Sommer soll weiter an der Qualität des Kaders gefeilt werden.

Viele Menschen in Meiers Alter denken sehnsüchtig an den Ruhestand. Doch Meier denkt nicht daran, aufzuhören. „Ich fühle mich noch jung und stark genug, etwas Vorzeigbares beim FC zu erreichen“, sagt er. Mit etwas Glück sei sogar schon in dieser Saison der Einzug ins internationale Geschäft möglich. Noch zwei Siege im DFB-Pokal sollen dies möglich machen. Als Meier Manager in Dortmund war, hat er erlebt, welche Wirkung ein solcher Erfolg haben kann. Im ersten Uefa-Cup-Jahr habe Borussia 25 Millionen Mark eingenommen und das Geld zur Aufrüstung des Kaders genutzt. Das Resultat waren drei Meistertitel, der Gewinn der Champions League und des Weltpokals 1997. Meier erlebte Titel und Triumphe.

Die Tränen blieben ebenfalls nicht aus. Meier wurde für die heikle wirtschaftliche Lage in Dortmund verantwortlich gemacht und musste nach 15 Jahren gehen. Dem Klub hatte er einen Schuldenberg hinterlassen. „Ich schäme mich nicht, denn ich habe die Konsequenzen getragen“, sagt er. Dann erzählt er die Geschichte des letzten Spieltags der Saison 2002 / 2003 als Dortmund am letzten Spieltag nur noch gegen Energie Cottbus gewinnen musste, um als Tabellenzweiter die direkte Qualifikation für die Champions League zu schaffen. Doch das Spiel endete 1:1. Im Elfmeterschießen wurde später dann nochmals die Qualifikation für den lukrativsten Wettbewerb im europäischen Fußball verpasst. „Auf einen Schlag fehlten 40 Millionen Euro“, erinnert er sich. „Aber als Mensch bin ich gereift in dieser Zeit“, weiß er heute. Seine BVB-Aktien besitzt er allerdings immer noch.

Das große Risiko, die großen Geldsummen, die Abhängigkeit von verwandelten Strafstößen. Dies alles passt nicht richtig zu einem Mann wie Michael Meier, der sich selbst als „ziemlich konservativ“ bezeichnet. Sein Abitur hat er einst in einer Bonner Klosterschule gemacht, seine Eltern haben ihm christliche Werte eingeimpft. Sein Vater war Mitbegründer der CDU, nach einer Parteiveranstaltung soll einmal auch Konrad Adenauer bei Familie Meier übernachtet haben. Einer seiner Lehrer hatte Meier einst eine Karriere als Politiker vorausgesagt. Meier selbst missfiel der Gedanke, nach dem Studium als Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer sein Geld zu verdienen. „Ich wollte etwas gestalten“, sagt er.

Seitdem gestaltet er Fußballmannschaften.

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