„Grüne Ideologie ist eine Gefahr“NRW-Finanzminister stellt Forderung an Jamaika

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Lutz Lienenkämper

Herr Lienenkämper, am Wochenende treffen sich CDU und CSU, um über Jamaika zu reden. Wie wichtig sind die Koalitionsverhandlungen für NRW?

Die Koalitionsverhandlungen sind von immenser Bedeutung. Wir müssen einen Koalitionsvertrag hinbekommen, der unser Industrieland NRW nicht beeinträchtigt. Das sage ich auch mit Blick auf die Steuereinnahmen. Wenn der Koalitionsvertrag den Geist der Verbote, den Geist des Ausstiegs und den Geist der Beschränkungen atmen sollte, wird das bereits kurzfristig massive Auswirkungen haben auf unsere Steuereinnahmen. Deswegen werden wir auf einen Koalitionsvertrag dringen, der NRW nicht schadet, sondern hilft.

Geht das mit den Grünen?

Man kann nicht so lange wählen, bis das Ergebnis passt. Jamaika kann gelingen, aber die Verhandlungen werden nicht einfach. Die Ziele aller Partner müssen in ein vernünftiges Gleichgewicht gebracht werden. Und für uns ist klare Maßgabe: NRW muss Industrieland bleiben. Und das geht nicht, indem man aus dem Verbrennungsmotor und der Braunkohle aussteigt, den Diesel verteufelt und den hemmungslosen Ausbau der Windenergie fordert. Diese grüne Ideologie wäre eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort NRW. Die Bundesgrünen sind also gut beraten, wenn sie mehr mit Herrn Kretschmann als mit Herrn Remmel reden.

Gibt es auch Chancen einer Jamaika-Koalition?

Die gibt es, beispielsweise im Kulturbereich. Wir haben in NRW einen neuen Politikstil, der von Pragmatismus geprägt ist, nicht von Ideologie. Hier müssen die Grünen von uns lernen, damit das in Berlin funktioniert.

Wie halten Sie es mit dem Ankauf von Steuer-CDs?

Ich werde, ebenso wie meine Vorgänger Linssen und Walter-Borjans, immer den Einzelfall prüfen, Chancen und Risiken abwägen und dann entscheiden, ob wir kaufen oder nicht.

Die FDP will bei den Steuer-CDs nicht mit Mafiosi zusammenarbeiten. Stehen die Liberalen auf der Bremse?

Nein. Wir sind uns im Vorgehen sehr einig.

Schwarz-Gelb will einen Brexit-Beauftragten installieren. Wann nimmt er seine Arbeit auf?

Das koordiniert die Staatskanzlei. Wenn wir die Akquise professionell machen, haben wir gute Chancen, Unternehmen nach NRW zu holen. Köln ist zum Beispiel als Versicherungsstandort interessant. Es geht darum, konkrete Angebote zu unterbreiten. Aber der innereuropäische Wettbewerb um interessante Unternehmen ist natürlich groß.

Die alte Landesregierung hat eine Ermittlungsgruppe gegen bandenmäßige Steuerhinterziehung eingerichtet. Wird das Konzept fortgesetzt?

Ja, wir werden die Truppe aber noch schlagkräftiger machen. In Köln ist in diesem Jahr eine Bande ins Netz gegangen, die Glücksspielautomaten so manipuliert hatte, dass geringere Gewinne ausgezahlt wurden. Die Gruppe hat international agiert und enorme Summen abgeschöpft. NRW zieht internationale Banden wegen seiner Wirtschaftskraft an. Deswegen müssen wir uns verstärkt um das Thema kümmern.

Lienenkämper über die Kölner Oper und die ersten 100 Tage im Amt

Die Kölner Opernbaustelle ist ein Beispiel für viele Projekte, die aus dem Ruder laufen. Schmerzen Sie solche Fehlplanungen?

Ich freue mich natürlich, wenn alles termingerecht geht. Es steht mir nicht an, der kommunalen Selbstverwaltung Ratschläge zu geben. Jeder Bauherr darf selber entscheiden und dazu gehört auch Verantwortung für die Projekte. Die allermeisten Projekte funktionieren.

Wie ist Ihre Bilanz der ersten 100 Tage?

Das war eine fordernde Zeit, es galt viele Baustellen aufzuräumen. Dem Land einen Ruck zu geben, macht viel Arbeit, aber noch mehr Freude. Wir haben bereits viel auf den Weg gebracht, nehmen Sie nur das Entfesselungsgesetz oder die Innen- und Schulpolitik. Und im Finanzbereich folgt nach dem Reparaturhaushalt nun unser erster Gestaltungshaushalt.

Schaffen Sie es, die Kosten für die geplanten Investitionen ohne neue Schulden zu stemmen?

Unser ganz klares Ziel ist die Einhaltung der Schuldenbremse ab 2020. Und natürlich, je schneller wir die schwarze Null erreichen können, desto lieber.

Sie schließen eine weitere Verschuldung also nicht aus?

Rot-Grün hatte für 2018 eine Neuverschuldung knapp unter 400 Millionen Euro geplant. Wir wollen, dass NRW die schwarze Null erreicht, stehen aber auch erst am Anfang eines Aufholprozesses und müssen in bestimmten Bereichen Geld in die Hand nehmen, um besser zu werden. Es geht sowohl ums Konsolidieren als auch ums intelligente Investieren. Wenn Sie beispielsweise in den Breitbandausbau in ländlichen Bereichen investieren, profitieren sie am Ende durch neue Arbeitsplätze und Steuereinnahmen.

Wie gehen Sie mit der Kritik am Nachtragshaushalt um, in dem 1,55 Milliarden Euro neue Schulden vorgesehen sind?

Dabei handelt es sich um die Reparaturkosten für die Versäumnisse von Rot-Grün. Bei den Kitas mussten wir entscheiden, ob wir den Zustand jetzt lassen oder nicht. Viele freie Träger standen vor dem Aus. Und wir standen vor der Entscheidung, da jetzt 500 Millionen reinzugeben oder nicht.

Ist Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble Ihr Vorbild?

Er hat es geschafft, von einem Schuldenhaushalt zu einem Überschusshaushalt zu gelangen. Das ist auch unser Ziel. Ich habe höchsten Respekt vor seiner politischen Lebensleistung.

Das Gespräch führten Evelyn Binder, Carsten Fiedler und Gerhard Voogt

KStA abonnieren