Interview mit Schulministerin Gebauer„Ohne Deutsch geht es nicht“

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Yvonne Gebauer, neue Schulministerin von NRW, beim Redaktionsgespräch im Neven DuMont Haus

Yvonne Gebauer, neue Schulministerin von NRW, beim Redaktionsgespräch im Neven DuMont Haus

Frau Gebauer, wie waren Ihre ersten Tage als Schulministerin?

Die Nacht vor der Ernennung war mit zwei Stunden Schlaf kurz. Nach der Ernennung zur Ministerin in der Staatskanzlei bin ich ins Schulministerium gefahren, dort erfolgte formal die Übergabe.

Haben Sie sich das unterwegs noch mal überlegt?

Nein, aber der Weg dorthin war schon ein besonderer Moment. Ich habe ein kurzes, aber sehr freundliches Gespräch mit meiner Vorgängerin Sylvia Löhrmann geführt, die sich im Anschluss daran bei der gesamten Belegschaft verabschiedet hat. In meiner kurzen Antrittsrede habe ich mich bei ihr für ihre Arbeit bedankt und mich dem Haus vorgestellt.

Sie stehen 300 Leuten gegenüber, das ist Ihre Mannschaft, die sicher viele Erwartungen an Sie hat. Wie gehen Sie damit um?

Ich habe angekündigt, dass ich mit jedem zumindest kurz sprechen möchte. Wir werden das in kleinen Gruppen von 30 machen, die ich in mein Büro einlade. Es wird sicher den ein oder anderen geben, der eine andere Vorstellung von Schul- und Bildungspolitik hat. Das ist auch ein Teil meiner Arbeit, diesen Mitarbeitern zu erläutern, dass wir jetzt einen anderen Pfad beschreiten. Ich erwarte Loyalität und dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen.

Sie werden also nicht einmal komplett durchkehren?

Auf keinen Fall. Mitbringen werde ich nur den engsten Mitarbeiterstab, wie Pressesprecher, Büroleitung und persönlicher Referent. Bei allen anderen setze ich auf die Expertise des Hauses. Ich erwarte auch ein Stück Kreativität von jedem, egal ob Abteilungsleiterin, Referent oder Sachbearbeiter. Gute Ideen sind von jedem willkommen und meine Tür steht immer offen.

Zur Person

Yvonne Gebauer (50) saß seit 2012 für die FDP im Landtag und war dort schulpolitische Sprecherin ihrer Partei. Von 2004 bis 2012 war sie im Kölner Stadtrat und ist seit 2015 Vorsitzende des FDP-Kreisverbands Köln. Sie stammt aus einer FDP-Familie. Wolfgang Leirich, ihr Vater, war Fraktionschef seiner Partei und zwölf Jahre lang Kölner Schuldezernent. Gebauer ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn. (pb)

Wo sind Ihrer Meinung nach von der Vorgängerregierung die größten Fehler gemacht worden?

Bei der Inklusion. Ich habe als schulpolitische Sprecherin der FDP immer gesagt: Die Qualität muss das Tempo bestimmen und nicht umgekehrt. Rot-Grün hat hier überstürzt gehandelt. Diesen Fehler müssen wir sehr schnell beheben. Das wird nicht ganz einfach, weil wir als Land hier auch auf die Kommunen angewiesen sind. Die schulische Inklusion kann derzeit mit den vorhandenen Ressourcen am besten in Schwerpunktschulen geleistet werden.

In Großstädten mag das ja noch funktionieren, aber wie ist das auf dem Land?

Das stimmt, da muss es zu einer verstärkten regionalen Zusammenarbeit kommen, gleichwohl müssen wir ein wohnortnahes Angebot aufrechterhalten.

Turbo-Abi und Lehrermangel

Was wird aus den noch bestehenden Förderschulen in NRW?

Das Land kann nur die Voraussetzungen schaffen, dass die Kommunen sich dazu entschließen, sie weiterzuführen. Bereits jetzt zum Ende dieses Schuljahres sollen 13 Förderschulen auslaufen. Ich stehe in engem Dialog mit einer Vielzahl dieser Schulen. Als Land versuchen wir, diese Schulen zu erhalten. In vielen Kommunen wird das aber leider nicht mehr möglich sein, weil zum Beispiel die Gebäude schon veräußert sind. Alles steht unter höchstem Zeitdruck. Vor allem in den ländlichen Gebieten sehe ich Probleme in Bezug auf das Wahlrecht der Eltern. Sowohl zur Sicherung dieses Wahlrechts, aber auch besonders zum Wohle der Kinder brauchen wir ein flächendeckendes Förderschulangebot.

Das klingt nach viel Arbeit. Und dann müssen Sie ja auch noch das Turbo-Abi rückabwickeln.

Generell halte ich das Abitur in acht Jahren für machbar. Aber nicht unter den Voraussetzungen, die wir aktuell an den Schulen haben. Die Einführung von G 8 haben alle Parteien gewollt. Allerdings hat es Probleme mit der Umsetzung gegeben, deren Beseitigung Rot-Grün nicht gelungen ist. Zwischenzeitlich kam die Initiative „G9 jetzt“ – aus den unterschiedlichsten Beweggründen. Wir als Freie Demokraten haben stets das Gespräch mit allen Beteiligten gesucht und der Wunsch zur Rückkehr zu G9 wurde am Ende von einer Mehrheit nachhaltig und überzeugend an uns immer wieder herangetragen. Im Koalitionsvertrag ist jetzt die Leitentscheidung zurück zu G9 getroffen worden, was ich nachdrücklich unterstütze.

Wie viele Schulen werden das tun?

Wenn es wie in Hessen läuft, 90 Prozent. Die Schulen, die sich entscheiden, bei G8 bleiben zu wollen, können das tun.

Der Teufel steckt im Detail, oder?

Ja, das ist jetzt genau meine Aufgabe. Das Schulministerium muss ausarbeiten, wie das aussehen soll. Das gilt auch für die Frage, wer von der neuen G9-Regelung noch betroffen sein wird. Der Startpunkt 2019/20 steht fest. Es ist zu entscheiden, welche Jahrgänge wir noch mitnehmen. Das hängt natürlich auch an der Frage: Ab wann braucht es zusätzliches Personal sowie zusätzliche Räumlichkeiten. Vor allem in wachsenden Großstädten wie zum Beispiel Köln wird das die große Herausforderung.

Woher wollen Sie die ganzen Lehrer nehmen?

Ja, das ist richtig, wir haben in manchen Bereichen einen Lehrermangel. Wir werden sehr schnell eine Kampagne für den Lehrerberuf auflegen. Das hilft uns aber nicht kurzfristig. Deshalb müssen wir zum Beispiel Lehrern, die jetzt kurz vor der Pensionierung stehen, gute Angebote unterbreiten, damit sie vielleicht weitermachen. Bei den Berufskollegs kann man beispielsweise auch vermehrt mit Seiteneinsteigern arbeiten. In diesem Zusammenhang wollen wir den Schulen mehr pädagogische, organisatorische, aber auch finanzielle Freiheiten geben.

Flüchtlingskinder und Sprachprobleme

Viele Baustellen. Sprechen wir über die Integration von Flüchtlingskindern und deren Sprachprobleme. Was muss sich da ändern?

Hier müssen wir schnell handeln. Es gab die Vorbereitungsklassen, in denen die Kinder maximal zwei Jahre bleiben sollten, um Deutsch zu lernen und dann in die Regelklasse integriert zu werden. Da sind Kinder unterschiedlichsten Alters dabei, manche kennen weder Lineal noch Bleistift, andere stehen kurz vor dem Abschluss. Rot-Grün hat entschieden, alle Kinder nur dem Alter entsprechend ohne Deutschkenntnisse sofort in die Regelklassen hineinzugegeben. Das ist in meinen Augen der völlig falsche Ansatz von Integration. Um dem Unterricht folgen zu können, braucht man einen Grundstock an Deutschkenntnissen. Die Kinder sitzen sonst da, verstehen und lernen nichts. Wir werden die Vorbereitungsklassen wieder stärken. Die deutsche Sprache ist und bleibt der Schlüssel zur Integration. Ohne Deutsch geht es nicht.

Aber es fehlen doch Lehrer, die Deutsch als Fremdsprache unterrichten können.

Ja. Und deshalb will ich erreichen, dass wir die Ferienzeiten nutzen und Anreize für Lehrer setzen, dort in den Computerräumen freiwillig für Schülerinnen und Schüler mit Flucht-Hintergrund Sprachkurse zu geben. Entsprechende Sprachprogramme für Computer gibt es zur Genüge. Das könnten auch Lehramtsstudenten machen. Für die Sommerferien schaffen wir das leider nicht mehr. Aber für die Herbstferien will ich diese pragmatische Lösung angehen. Warum sollen wir diese Zeit der Ferien nicht nutzen?

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