IW-StudieDeshalb steht es so schlecht um Nordrhein-Westfalen

Lesezeit 4 Minuten
Stau auf der A3 bei Köln. Einen gewaltigen Stau gibt es auch bei den Investitionen

Stau auf der A3 bei Köln. Einen gewaltigen Stau gibt es auch bei den Investitionen

Köln – Nordrhein-Westfalen liegt in vielen Statistiken auf unrühmlichen hinteren Plätzen: Die Wirtschaft entwickelt sich weniger dynamisch als im Bundesdurchschnitt, unter den westdeutschen Flächenländern hat keines eine höhere Arbeitslosigkeit als NRW. Gleichzeitig positioniert sich die Pro-Kopf-Verschuldung mit 14.000 Euro weit über dem Durchschnitt. In NRW sind ein Drittel der öffentlichen Schulden Deutschlands zu finden, obwohl dort nur ein Fünftel der Menschen lebt.

Diese Kernsätze stammen aus einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zur wirtschaftlichen Situation des bevölkerungsreichsten Bundeslandes. Es sei, „in keiner guten Verfassung“, so fasste IW-Geschäftsführer Hubertus Bardt die Ergebnisse zusammen. In Auftrag gegeben hatte sie die Landesvereinigung der Unternehmerverbände NRW. Der Präsident des Unternehmerverbandes, Arndt Kirchhoff, forderte die Parteien auf, die Wirtschaftspolitik zu einem zentralen Thema im Landtagswahlkampf und danach zu machen.

Es gehe darum, ob NRW langfristig Industrieland bleiben oder lieber Industriemuseum werden wolle. Es müsse ein Anti-Funkloch-Programm, eine Anti-Schlagloch-Agenda, einen Gewerbesteuer-Senkungspakt und einen Regulierungsstopp geben. „Die wiederholten Schlusslicht-Schlagzeilen können und wollen die Menschen nicht mehr hören.“ Aber warum steht NRW in der Endphase des Strukturwandels weg vom Bergbau nicht besser da? Das IW nennt folgende Gründe:

Die Gründe der Wirtschaftsförderer

Finanzen

NRW gehört zu den wenigen Bundesländern, die auch 2017 noch neue Schulden machen (1,6 Milliarden Euro). Das IW kritisiert, dass die Personalkosten des Landes (25 Milliarden jährlich) mehr als die Hälfte der Steuereinnahmen gleich wieder auffressen – und es warnt: Hohe Pensionskosten werden diese Summe steigen lassen. Außerdem sind die Kosten für Sozialhilfeleistungen hierzulande überdurchschnittlich hoch.

Investitionen

Geld, das ins Personalbudget fließt, fehlt anderswo – NRW investiere, so die Studie, viel zu wenig; eine Kritik, die sich ans Land, aber auch an die Kommunen richtet. Nur die Hälfte der Einnahmen aus der Gewerbesteuer fließen in firmen-freundliche Infrastrukturinvestitionen. In Sachsen dagegen, so lobt die Studie, geben die Städte und Gemeinden 15 Prozent mehr aus als sie durch die Steuer einnehmen. Nur wenige Unternehmen siedelten sich neu an. Grund sei, dass von den 70 Gemeinden mit den bundesweit höchsten Gewerbesteuersätzen 68 in NRW liegen. Die Grunderwerbsteuersatz ist nirgendwo teurer: 6,5 Prozent.

Verkehr

Hier ist Nordrhein-Westfalen – aus Gründen, die das Land seiner zentralen Lage verdankt – negativer Spitzenreiter: Nirgendwo fließt mehr Verkehr, nirgendwo sind die Straßen überlasteter, nirgendwo sind mehr Investitionen ins marode Netz nötiger. Doch, so das IW, die Bemühungen von Bund und Land reichen bei weitem nicht aus. Breitbandversorgung: Auf den ersten Blick steht NRW gut da: Drei Viertel der Privatleute haben Zugang zu Breitbandinternet und 71 Prozent der Unternehmen – so viele wie in keinem anderen Bundesland. Vor allem aber im ländlichen Raum sowie in Industrie- und Gewerbegebieten müsse noch aufgeholt werden.

Bildung

So sehr NRW bei der Betreuungsquote für Kindergartenkinder aufgeholt hat – die Ausgaben pro Schüler betragen 5700 Euro und damit so wenig wie sonst nur im Saarland. Die Schulleistungen von Viertklässlern bewegen sich allerdings im Bundesdurchschnitt. Obwohl NRW die dichteste Wissenschafts- und Forschungslandschaft beherbergt (70 Hochschulen, 60 Technologiezentren, 28 Technologietransferzentren), kooperieren Firmen und Universitäten nur selten bei Forschung und Entwicklung, kritisiert die Studie.

Firmengründungen

Start-ups bewerten in einer Umfrage die Gründungsförderung in NRW nur als „ausreichend“. 16 von 1000 Erwachsenen machen sich selbstständig – das liegt im Bundesdurchschnitt, in Berlin sind es 26. Dabei attestiert die Studie dem Land „beträchtliche Potenziale“.

Gesetze

Der neue Landesentwicklungsplan engt Unternehmen ein, die Grundstücke brauchen, das Tariftreuegesetz und ein kompliziertes Vergaberecht bei öffentlichen Aufträgen macht es Unternehmen unnötig schwer – alte Klagen der Wirtschaft. 

Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) findet, die Studie zeichne „ein Zerrbild der wirtschaftlichen Situation“. NRW sei weiterhin das wirtschaftliche Herzstück Deutschlands. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Menschen sei seit 2010 um 600.000 auf 6,5 Millionen gestiegen. Das Land sei Investitionsstandort Nummer Eins für internationale Unternehmen – und liege mit 67.000 Gründungen an der Spitze der Bundesländer.  

KStA abonnieren