Nach Freilassung seines KomplizenGladbecker Geiselnehmer Rösner will Therapie machen

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Die bewaffneten Geiselnehmer Dieter Degowski (l) und Hans-Jürgen Rösner stehen am 17.8.1988 in dem in Bremen gekaperten Linienbus.

Aachen – Es gibt Leute, die ändern sich nie. Menschen, bei denen Hopfen und Malz verloren ist. So dachte man bislang auch im Strafvollzug über Hans-Jürgen Rösner. Der berüchtigte Geiselgangster von Gladbeck, der 1991 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, lehnte bislang jede Therapie ab. Jetzt hat er es sich offenbar anders überlegt. „Herr Rösner hat sich entschieden, im November mit einer Therapie zu beginnen“, bestätigt Reina Blikslager, die Chefin der Justizvollzugsanstalt (JVA) Aachen, auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Möglicherweise hätten die Berichte über die bevorstehende Freilassung seines Mittäters Dieter Degowski „mit dazu beigetragen, diesen Weg zu beschreiten“, so die Leiterin.

Rösner sitzt seit 2013 in einer Einzelzelle der JVA Aachen ein. Bei seiner Verurteilung war – zusätzlich zur Strafhaft – eine Sicherungsverwahrung (SV) angeordnet worden. Doch nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die SV bei den Lebenslangen rechtswidrig, wenn sie keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit darstellen. „Bislang hat Herr Rösner eine Therapie abgelehnt, weil er der Meinung war, nicht gestört zu sein“, sagt Blikslager. Er lehnte es ab, über das Geiseldrama zu sprechen, zeigte keine Reue. Der Sinneswandel bietet ihm nun eine Perspektive auf ein Leben in Freiheit. „Sollte die Therapie Wirkung zeigen, würden wir prüfen, ob Haftlockerungen möglich sind und gegebenenfalls eine Entlassung vorbereiten. Die Resozialisierung ist ja schließlich eine wichtige Aufgabe des Strafvollzugs“, erklärt die JVA-Chefin.

Aus dem Ruder gelaufener Bankraub mündet in Geiselnahme

Rösner und sein Kumpan Degowski hatten die Republik im Sommer 1988 für 54 Stunden in Atem gehalten und damit Kriminalgeschichte geschrieben. Nach einem aus dem Ruder gelaufenen Bankraub in Gladbeck flohen sie unter den Augen der Öffentlichkeit quer durch Deutschland, kaperten in Bremen einen Linienbus. Unterwegs gaben sie Interviews, um ihre Entschlossenheit zu verdeutlichen. Als der Wagen der Gangster in der Kölner City stoppte, steckte Rösner sich eine Pistole in den Mund. „Ich scheiß auf mein Leben“, sagte er damals.

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Sowohl am Verhalten der Journalisten, die den Tätern ein Forum boten, als auch an der Strategie der Polizei gab es massive Kritik. Beim Zugriff der Fahnder auf der Autobahn 3 bei Bad Honnef starb eine 18-jährige Geisel. Zuvor hatte Degowski in Bremen einen 15-Jährigen erschossen. Nach der Verurteilung wurden die Gangster separat untergebracht. 2009 wurde Rösner mit Heroin in der Zelle erwischt und zu sechs Monaten „zusätzlich“ verurteilt. „Glauben Sie wirklich, dass mich die Strafe beeindruckt? Das geht mir, auf Deutsch gesagt, am Arsch vorbei“, sagte er damals zu den Richtern.

Degowski kommt frei

Degowski, der in der JVA-Werl einsitzt, soll in den nächsten Monaten entlassen werden. Er hatte sich einer Therapie unterzogen und mehrere Ausgänge ohne Auffälligkeiten absolviert. Grundlage für die Entscheidung des Landgerichts Arnsberg war ein psychologisches Gutachten und eine Anhörung des Geiselnehmers.

Rösner wird nach Angaben seines Anwalts Rainer Dietz in der JVA-Aachen regelmäßig von seiner Lebensgefährtin und von seinen Schwestern besucht. Er bewohnt einen Einzelhaftraum mit räumlich abgetrennter Toilette und Waschbecken. Ihm stehen insgesamt knapp 10,5 Quadratmeter zur Verfügung.

Er ist in der vierten Etage eines Hafthauses untergebracht und kann die Außenmauer sehen. „Herr Rösner arbeitet zuverlässig als Verpacker und hat es bis zum Vorarbeiter gebracht“, berichtet JVA-Chefin Blikslager. Ob er sich wirklich verändert hat? Das müssen irgendwann die Richter der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen entscheiden.

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