NRW-Gesundheitsminister Laumann„Nicht wenige im System fürchten die Transparenz“

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NRW-Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Karl-Josef Laumann (CDU)

NRW-Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Karl-Josef Laumann (CDU)

Herr Minister Laumann, Sie haben ein großes Ministerium. Was können die Bürger von Ihnen in den nächsten fünf Jahren erwarten?

Ich bin froh, dass wir wieder ein starkes Ministerium haben, das nicht mehr geteilt ist. Das habe ich schon immer für einen großen Fehler der alten Regierung gehalten. Wenn man kein starkes Ressort hat, kann man als Minister nichts durchsetzen – da kann man noch so gut sein.

Was werden Sie mit Ihrer neuen Machtfülle durchsetzen – fangen wir mit dem Sektor Arbeit und dem Fachkräftemangel an.

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Fachkräfte bekommt man nur, wenn man jungen Menschen eine qualifizierte Ausbildung ermöglicht. Mehr als 20 000 suchen jetzt in NRW noch einen Ausbildungsplatz. Die haben doch nicht alle schlechte Zeugnisse. Bewerber, Berufsberater, Kammern und Arbeitgeber müssen besser verzahnt werden und umdenken.

In welche Richtung?

Nicht nur über Flexibilität reden, sie auch umsetzen. Wenn ich in Hamm wohne und eine Lehrstelle in Münster passend ist, das sind etwa 50 Kilometer Entfernung, dann sollte ich schon flexibel sein. Wenn nicht, muss man sich vielleicht mit der Lehrstelle zufriedengeben, die einem am zweitbesten gefällt.

Wie sieht Flexibilität auf Seiten der Arbeitgeber aus?

Arbeitgeber müssen sich klar machen, dass sie sich ihre Auszubildenden nicht malen können, es womöglich nicht den Traumbewerber gibt. Man muss bereit sein, jemandem eine Chance zu geben, der vielleicht nicht erste Wahl gewesen wäre.

Gilt das auch für die Pflege, wo der Markt leer gefegt ist?

Wir haben so viele Auszubildende in Pflegeberufen wie noch nie. Allein in Nordrhein-Westfalen sind es rund 18 000 in der Altenpflege, mit Umschülern sogar 21 000. Bundesweit sind es etwa 66 000 Altenpflegeschüler. Hinzu kommen rund 18 000 Auszubildende in NRW in der Kranken- und Kinderkrankenpflegeausbildung, bundesweit sind es hier etwa 71 000 Auszubildende. Das Berufsbild muss als eine eigene Profession im Gesundheitswesen aufgewertet werden, auch damit der Beruf für mehr Abiturienten attraktiv wird. Rund 40 Prozent der Schulabgänger jährlich haben die Hochschulreife.

Warum wurde der Beruf nicht längst schon aufgewertet?

Weil da, wo über Pflege entschieden wird, oftmals keiner von der Pflege mit am Tisch sitzt. Es sind vor allem Vertreter der Ärzte, Krankenkassen und Kliniken, die die Pflegerichtlinien machen. Die Branche wird zumeist nicht von den Pflegenden vertreten. Kliniken kommen nicht mit Pflegedirektoren zu Verhandlungen, sondern mit Betriebswirten.

Das wird mit Ihnen jetzt anders werden?

Wir haben im Koalitionsvertrag geregelt, dass wir eine Interessenvertretung der Pflegenden einrichten, wenn die Beschäftigten das wollen. Wir brauchen jedes Jahr zwei bis drei Prozent mehr Pflegekräfte, weil die Zahl der Bedürftigen stark steigt.

Also sie planen eine Art „Pflegekammer“, vergleichbar mit einer Handwerkskammer?

Eine Interessensvertretung – welche Struktur sie haben wird, ist alleine die Entscheidung der Pflegenden.

Was soll dadurch besser werden?

Die Weiterentwicklung des Berufsbildes und der Kompetenzen. Ich frage mich: Warum kann zum Beispiel eine ambulante Pflegekraft einem Patienten nicht eigenständig eine spezielle Matratze verordnen, damit er keine Druckgeschwüre bekommt? Heute muss die Pflegekraft den Hausarzt anrufen. Wenn Sie einen guten Hausarzt haben, macht der das auch.

Findet das denn die Zustimmung der Ärzte?

Der praktizierenden Ärzte ja. Bei vielen Funktionären sieht das allerdings anders aus. Wenn ich mit niedergelassenen Ärzten rede, wären die heilfroh. Die haben genug zu tun.

Bisher hat sich jede Regierung den Krankenhausplan vorgenommen. Sie auch?

Ja, das ist wohl eine meiner größten Baustellen. Meiner Meinung nach ist es überholt, Kliniken über die Bettenzahl zu definieren. Zudem beschäftigt mich, wie wir Schwerpunktzentren schaffen können und was man dafür braucht.

Heißt das Betten abbauen?

Vorsicht an der Bahnsteigkante, wenn es heißt, ihr habt zu viele Betten. Siehe etwa die geburtenstarken Jahrgänge, zu denen auch ich gehöre. Ich glaube nur nicht, dass das Bett als zentrale Planungsgröße noch den Anforderungen der Zeit entspricht. Ich denke eher an Struktur und Qualität. Wir brauchen mehr Altersmedizin und genügend Plätze auf Intensivstationen. Wenn ich höre, dass Krankenwagen nachts rumfahren und nicht wissen, wo sie Patienten unterbringen können, muss das zu denken geben.

Also Krankenhäuser zusammenlegen ohne Bettenabbau?

Wenn sich etwa Kliniken verständigen, dass sie zu einem Schwerpunkt-Krankenhaus verschmelzen, muss es möglich sein, das zu fördern. Ich will keine Krankenhäuser schließen, ich will da, wo es Sinn macht, Verbünde schaffen. Wir haben mit rund 350 Kliniken landesweit relativ zu viele. Ich muss aber andere Maßstäbe anlegen fürs Rheinland und seine Großstädte mit den vielen Kliniken und den ländlichen Regionen wie Westfalen, wo sie dünn gesät sind.

Daran hat sich Ihre Vorgängerin Barbara Steffens aber schon abgearbeitet.

Aber nichts ist passiert. Ich mache da auf den ersten Blick auch gar keinen Vorwurf. Mit dem jetzigen Krankenhausgesetz ist da nicht viel zu bewirken, denn in jeder Region steht zumindest einer quer im Stall: mal eine Klinik, mal eine Krankenkasse. Wir haben daher die Änderung des Krankenhausgesetzes auf den Weg gebracht.

Was soll die bewirken?

Die Partner vor Ort haben ein halbes Jahr Zeit, sich zu einigen. Gelingt das nicht, kann das Land die Planung an sich ziehen.

Wird es damit klappen?

Fragen Sie mich in fünf Jahren. Bisher haben wir keinen Durchbruch erreicht, aber ich packe es an. Krankenhäuser haben immer mindestens zwei Schutzpatrone, den im Himmel, weil sie meist nach einem Heiligen benannt sind, und die Politiker vor Ort. Die werden bei Bedarf von den Kliniken angerufen, damit sie den Minister „wieder zur Vernunft bringen“.

Werden die Abgeordneten bei Ihnen auf Granit beißen?

Ich bin ein Mann des Dialogs. Aber ich bin auch älter und erfahrener geworden und habe als Patientenbeauftragter in Berlin viel dazu gelernt – auch im Hinblick darauf, Dinge durchzusetzen.

Auch wie man Funktionäre und Lobbyisten eines Besseren belehrt?

Sie müssen einsehen, dass sie die Welt nicht aufhalten können. Falls nötig, müssen wir sie mit Gesetzen dazu bringen. Auch dazu, dass auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeichert werden kann, welche Medikamente der Patient einnimmt. Das ist für Apotheker, Ärzte, Kliniken und Patienten wichtig – vor allem bei Notfällen.

Ist aber noch Zukunftsmusik...

Nicht, weil die Ärzte es nicht wollen, sondern weil Funktionäre es abblocken. Nicht wenige im System fürchten die Transparenz wie der Teufel das Weihwasser.

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