UmfrageVerwirrung um Unterbringungskosten für Flüchtlinge in NRW

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Eine Leichtbau-Halle wie in Ostheim ist in Köln auch in Ossendorf geplant

Eine Leichtbau-Halle wie in Ostheim ist in Köln auch in Ossendorf geplant

  • Städte und Gemeinden tun sich oft schwer zu beziffern, wie viel sie für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen ausgeben.

Köln – Die Städte fordern mehr Geld vom Land, das Land fordert mehr Geld aus Berlin: Die Unterbringung und Versorgung der Zuwanderer kostet Geld. Und darüber, wer welche Kosten übernimmt, herrscht Dauerstreit. Der Bund erstattet pro Flüchtling und Monat 670 Euro. Das Land NRW überweist Gemeinden 10 000 Euro pro Flüchtling und Jahr. Und seit wenigen Tagen gibt es die Zusicherung vom Bund, grundsätzlich die Unterbringungskosten zu übernehmen.

Die Städte und Gemeinden jedoch, die sich um Unterbringung und Versorgung kümmern, tun sich oft schwer, genau zu beziffern, wie viel sie alles in allem ausgeben – und wie viel Bund und Land eigentlich überweisen müssten. Das erfährt jeder, der sich in Nordrhein-Westfalens Kommunen erkundigt – und das ist auch das Ergebnis einer bundesweiten Umfrage des Rechercheverbundes „correctiv“. Nur knapp ein Drittel der angeschriebenen Behörden antwortete – innerhalb einer mehrmonatigen Frist. Mal konnten nur pauschale Angaben über Ausgaben pro Jahr gemacht werden, mancherorts nicht mal das. Andere Ämter erklärten sich angesichts der vielen Flüchtlingsaufgaben schlicht für überlastet – für Kostenberechnungen und Statistiken hätten die momentan keine Zeit. Nicht selten hieß es auch, die genauen Kosten, die man dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) oder Unternehmen wie European Homecare zahle, denen man die Versorgung übertragen habe, seien vertraglich geregelt und unterlägen daher der Geheimhaltung.

Traglufthalle für Flüchtlinge in Düsseldorf

Traglufthalle für Flüchtlinge in Düsseldorf

Welche Summen außer Kost und Logis, Gesundheitsversorgung und Beratung kann eine Gemeinde abrechnen? Die zusätzlich nötigen Plätze in Kindergärten? Den Extra-Aufwand in der Ganztagsschule? Nach Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ist es auch für NRW schwierig, vergleichbare Zahlen für die Flüchtlingsunterbringung zusammenzutragen. Klar ist: Am günstigsten ist es, wenn Flüchtlinge in Wohnungen leben – am teuersten sind Lösungen in Hotels und in Turnhallen.

Keine Zeit

Die Stadt Aachen ist daher froh. dass sie Turnhallen nur kurzzeitig belegen musste und Flüchtlinge ansonsten in kleinen Wohnungen leben können. Wo aber welche Unterbringung wie viel kostet – das zu ermitteln, hatte in der Stadtverwaltung noch niemand Zeit. Man habe, so sagt eine Sprecherin, in der Phase des größten Flüchtlingsandrangs jeden Topf im Haushalt geplündert, der irgendwie zum Thema passte. Und darüber hinaus so viele unterschiedliche Lösungsvarianten gefunden, dass eine Pro-Kopf-Rechnung dem Ganzen kaum gerecht würde. Damit steht Aachen nicht allein. Die Mittel und Wege, mit denen die Kommunen Platz suchten und fanden, sind vielfältig.

Gemeinden, die mit der Versorgung der Flüchtlinge eine Hilfsorganisation oder ein Unternehmen betrauten, bezahlen das in der Regel oft teuer.

Auch Düsseldorf tut sich schwer

Die Stadt Düsseldorf tut sich ebenfalls schwer mit Vergleichszahlen: Wo, fragt der Pressesprecher, soll sich denn niederschlagen, dass die Stadt in diesem Jahr 69 Millionen Euro für den Neubau von Modul-Unterkünfte n ausgibt? Nur bei den Unterbringungskosten derer, die dort wohnen? Für Unterbringungskosten 2015 insgesamt – diese Zahl liegt vor – gab die Landeshauptstadt 40 Millionen Euro aus. Die Unterbringung in Turn- oder Messehallen war mit rund 1500 Euro für Kost, Logis und Betreuung pro Person die teuerste. Die Stadt Essen legte phasenweise sogar 2000 Euro/Monat pro Flüchtling für Unterbringung, Lebensunterhalt, Beratung und Betreuung hin (inklusive 284 Euro Sozialhilfe in bar). Das seien Zahlen, so sagte im Februar der Sozialdezernent Peter Renzel, die „jedem die Zornesröte“ ins Gesicht treiben. Die Eigentümer von Unterbringungen aller Art seien angesichts der hohen Flüchtlingszahlen in einen „wahren Goldrausch“ verfallen. Dass allein ein Zelt in Essen-Karnap phasenweise mit 430 000 Euro monatlich in Rechnung gestellt wurde, wie die „WAZ“ berichtete, bestätigte der Dezernent nicht.

Eingang der Kölner Einrichtung in der Herkulesstraße

Eingang der Kölner Einrichtung in der Herkulesstraße

Köln zahlt 2015 rund 44,1 Millionen Euro für die Unterbringung von Flüchtlingen; am Jahresbeginn waren 5000 in der Stadt – am Ende 12 000. Es ist also nur eine sehr grobe überschlägige Rechnung möglich – sie käme auf 740 Euro pro Monat/Flüchtling für ein Dach über dem Kopf. Unter diesem Betrag sind unterschiedlich teure Quartiere subsumiert. Flüchtlinge in Heimen oder Wohnung bekommen 150 bis 160 Euro pro Person und Monat zum Einkaufen und Selberkochen. In Notunterkünften erhält etwa das DRK eine „Verpflegungspauschale“ in Höhe von 340,20 Euro monatlich.

Die Betreuung der Neu-Kölner schlug 2015 mit 5,9 Millionen Euro zu Buche; 80 Millionen wurden nach dem Asylbewerberleistungsgesetz an Flüchtlinge gezahlt. Zurzeit leben rund 12 822 (Stand April) Flüchtlinge in Köln. Der Gesamtetat der Stadt umfasste 2015 knapp vier Milliarden Euro.

Die Stadt Leverkusen beziffert die Kosten pro Flüchtling und Monat auf 800 Euro, das ist eher günstig. Gummersbach nennt 882 Euro im Monat pro Flüchtling und Monat – für Wohnen, medizinische Versorgung und Sozialhilfe, Bergisch Gladbach gibt dafür 1200 Euro aus – und weist darauf hin, das dies nur eine grobe Schätzung sei. Die Stadt bringt Flüchtlinge in Zelten, Turnhallen, Wohnungen und Containern unter.

Die Stadt Münster wiederum überrascht mit ihrer Antwort: insgesamt 540 Euro für Unterbringung und Betreuung pro Person und einzelnen Monat. Punkt. Die Flüchtlinge wohnen allesamt so, dass sie für ihre Verpflegung selbst sorgen können – mit den 284 Euro, die jeder Flüchtling für seinen Lebensunterhalt erhält. Die Stadt Münster habe 2015 viel in den Aufbau und die Herrichtung von Flüchtlingseinrichtungen investiert, sagt der Stadtsprecher: „Diese Investitionen werden sich erst in den nächsten Jahren als Abschreibungen widerspiegeln.“

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