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Wahlkampfhilfe des türkischen PräsidentenErdogan wirbt für deutsche Statthalter

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Wahlwerbung der ADD mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan

Köln – Recep Tayyip Erdogan auf blauem Grund, salopp mit offenem Hemd und fürsorglichem, väterlichen Blick: „Steht zu den Freunden der Türkei und gebt Ihnen die Stimme“, empfiehlt der türkische Präsident da von der Litfaßsäule auf der Kölner Keupstraße und anderswo in Nordrhein-Westfalen. Direkt neben den Wahlplakaten der Kandidaten von SPD und CDU, Grünen, FDP und Linken.

Damit nur kein Deutsch-Türke die falsche Wahl treffen möge und sich dem von ihm erst kürzlich ausgerufenen Boykott von CDU, SPD und Grünen widersetzt, geht der Übervater der Türken lieber gleich selbst aufs Plakat und empfiehlt die „Allianz Deutscher Demokraten“ (ADD). Wenn bisher nur wenige die kleine Migrantenpartei in Deutschland kannten, dann hat sich zumindest das jetzt geändert.

Staatssekretärin empört

Nordrhein-Westfalens Staatssekretärin für Integration, Serap Güler, hat das nicht überrascht. Trotzdem muss sie schlucken, wie sie im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagt, weil da eine Partei in Deutschland mit dem Konterfei Erdogans Wahlwerbung betreibt.

Wie der Aufruf zum Wahlboykott etablierter Parteien in Deutschland sei auch diese direkte Einmischung „der Gipfel der Unverschämtheit“. Die geistige Nähe der ADD zur Partei Erdogans, der AKP, sei ja bekannt. „Jetzt aber wissen alle, wo die ADD steht.“

Güler glaubt an starke Mobilisierung 

Güler ist davon überzeugt, dass viele seiner Anhänger die Aktion gut fänden und der behaupteten Türkei-Hetze in Deutschland zustimmten, aber es gebe auch ganz viele Deutsch-Türken, die die Entwicklung in der Türkei sehr kritisch sähen. Güler glaubt sogar, dass der Boykott-Aufruf dazu führe, dass die Deutsch-Türken jetzt erst Recht zur Wahl gingen.

Aufruf zur Identifizierung mit Deutschland

Dem in der türkischen Community häufig gezogenen Vergleich, auch Deutschland habe sich beim Referendum zur Verfassungsänderung in der Türkei eingemischt, hält die CDU-Politikerin entgegen, dass Bundeskanzlerin Merkel – und nur auf dieser Ebene sei der Vergleich zulässig – die „Nein“-Kampagne mit keinem Wort unterstützt habe.

Auf die Frage, wie die Parteien mit der Aktion umgehen sollten, sagte sie: „Wir müssen den Deutsch-Türken klar machen, dass ihre Zukunft in Deutschland stattfindet und dass zum Beispiel ein gerechtes Rentensystem für sie wichtiger ist als die Frage, ob die Türkei nun Mitglied der EU wird oder nicht.“

ADD erst im Juni 2016 gegründet

Die ADD wurde im Juni 2016 von dem deutsch-türkischen Unternehmer Remzi Aru gegründet und steht wegen der in vielen Talkshows dokumentierten öffentlichen Unterstützung für den türkischen Präsidenten in dem Ruf, der verlängerte Arm Erdogans in Deutschland zu sein. Schon ihr Gründer hatte die Linie vorgegeben: Nach der Armenien-Resolution des Bundestages zum Genozid an den Armeniern im osmanischen Reich sei für türkische Migranten in Deutschland ohnehin keine Partei mehr wählbar.

Partei tritt nur in NRW an

Bei der Landtagswahl in NRW im Mai war die ADD erstmals angetreten. Auch jetzt hat sie sich nur hier aufgestellt. Im Mai war das Ergebnis mit 13 653 Stimmen (0,2 Prozent) sehr bescheiden ausgefallen. Außerdem traten nach der Wahl der NRW-Vorsitzende Michael Hinck und Generalsekretär Levent Önder zurück. Sie hatten sich offenbar von der Partei anderes versprochen. Deren Motive seien „unehrlich“, sagt Hinck heute.

Ex-Landeschef kritisiert die Erdogan-Nähe

Anfangs habe es immer geheißen, die „Partei sei keine Türken-Partei und jetzt macht sie Werbung mit Erdogan“. Er habe zudem Zweifel an der Verwendung der eingenommenen Spenden, sagt der Ex-Vorsitzende, ohne dies zu konkretisieren. Die Spitzenkandidatin der ADD in NRW, Aysenur Gürcan, war am Freitag nicht zu einer Stellungnahme bereit. Auch ein Gespräch mit dem neuen nordrhein-westfälischen Vorsitzenden, Selcuk Cingi, kam nicht zustande.

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