WohnungsmarktNRW verliert jedes Jahr über 10.000 Sozialwohnungen

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Minister Groschek beim Besuch einer GAG-Siedlung in Köln

Minister Groschek beim Besuch einer GAG-Siedlung in Köln

Düsseldorf/Köln – Mit bis zu 25 Prozent Tilgungsnachlass in teuren Lagen wie den Großstädten Köln, Bonn, Düsseldorf, Leverkusen, Aachen und Münster wollte Landesbauminister Michael Groschek (SPD) den Bau von Sozialwohnungen ankurbeln. Doch genau dort zeigt das Förderprogramm aus dem Oktober 2015, das kürzlich um 300 Millionen auf 1,1 Milliarden Euro aufgestockt wurde, bisher keine Wirkung. „Die Städte schaffen es nicht, Bauland in attraktiven Lagen zur Verfügung zu stellen“, sagt Jürgen Becher, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Mieterbunds.

„Das Förderprogramm des Landes ist attraktiv, es gäbe auch genügend Investoren.“ Auf den sich immer weiter verschärfenden Wohnungsmangel gibt es aus seiner Sicht nur eine Antwort: „Bauen, bauen, bauen.“ Vor allem in Großstädten wie Köln müsse man im Zweifel „auf die eine oder andere Grünfläche verzichten“. Auch über Baustandards wie Abstandsregelungen zu Bahntrassen und Hauptverkehrsstraßen müsse diskutiert werden, „selbst auf die Gefahr hin, dass sozialer Wohnungsbau dann wieder als zweitklassig gelten werden könnte.“

Vorschlag des Mieterbundes

Der Mieterbund schlägt darüber hinaus vor, statt einzelner Bauprojekte lieber Unternehmen zu fördern, die ihre Immobilien unbefristet als Sozialwohnungen anbieten. Bauminister Groschek will mit den Förderprogrammen bis 2020 den Bau von rund 50.000 neuen Sozialwohnungen erreichen. Deren Zahl ist in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen fünf Jahre um mehr als 50.000 zurückgegangen. Laut Bauministerium gab es 2015 nur noch knapp 477.000 Sozialwohnungen, weniger als ein Drittel von mehr als 1,6 Millionen aus dem Jahr 1979, als der Höchststand erreicht war.

Trotz aller Probleme in den Ballungsräumen spricht Groschek davon, dass die vor einem Jahr gestartete Wohnungsbauoffensive Wirkung zeige. „Beim sozialen Wohnungsbau haben wir mit den Verbesserungen den Durchbruch geschafft. Die Mittel würden in diesem Jahr „sehr gut ausgeschöpft“. Die Wohnungswirtschaft bestätigt das. „Die Landesregierung hat das Problem erkannt. Es ist etwas passiert“, sagt der Verbandsdirektor der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen (VdW), Alexander Rychter. Eine offene Flanke blieben aber hohe Baukosten wegeb bürokratischer Überregulierung durch steigende Auflagen etwa für Energieverbrauch, Barrierefreiheit und Autostellplätze. Dies müsse bei der anstehenden Novellierung der Landesbauordnung bedacht werden.

In dieselbe Kerbe schlägt auch die CDU-Opposition. Die neue Landesbauordnung sehe keine Vereinfachung der Rechtsvorschriften vor, kritisierte der Experte der Landtagsfraktion, Wilhelm Hausmann. Auch beim dringend benötigten Bürokratieabbau für schnellere Genehmigungsverfahren herrsche Fehlanzeige.

Insgesamt fehlen in NRW bis 2020 rund 400.000 neue Wohnungen. Davon müssten mindestens 300.000 in Mehrgeschoss-Bauten errichtet werden – nicht zuletzt, weil sich die zusätzliche Nachfrage durch Flüchtlinge nicht anders decken lasse, so das Bauministerium. Der zusätzliche Bedarf an preiswertem Wohnraum durch Flüchtlinge wird in NRW auf rund 120.000 Wohnungen geschätzt.

Eine konkrete Zahl der Wohnungssuchenden, die nicht versorgt werden können, hat weder das Bauministerium noch der Mieterbund. Für 2015 meldeten die Behörden dem Ministerium rund 95.000 wohnungssuchende Haushalte mit Wohnberechtigungsschein. Im selben Jahr wurden knapp 42.000 Sozialwohnungen belegt. (mit dpa)

In Köln ist nur jede 15. Wohnung sozial gebunden

Mietwohnungen mit sozialen Bindungen wurden vor allem in den 1960er und 70er Jahren in großem Umfang gefördert. Nach damaligem Förderrecht haben die Sozialbindungen so lange Bestand, bis die Förderdarlehen planmäßig vollständig getilgt sind. Ist das geschehen, fällt die Wohnung weitere zehn Jahre später aus der Bindung und kann frei vermietet werden.

In Köln ist die Zahl der öffentlich geförderten Wohnungen 2015 auf einen Tiefststand von 37 500 gesunken. Nur noch jede 15. Wohnung ist damit eine Sozialwohnung mit Mietpreisbindung, das sind 6,8 Prozent des gesamten Wohnungsbestands. Dabei haben rund 45 Prozent der Menschen, die in Köln leben, Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein. (pb)

Förderprogramm mit hohen Tilgungsnachlässen

Das Land hat das Mietniveau in NRW in vier Stufen von hoch (4), überdurchschnittlich (3), unterdurchschnittlich (2) bis niedrig (1) eingeteilt. Neben Köln, Leverkusen, Bonn, Düsseldorf und Aachen liegen auch viele kleinere Kommunen im Rheinland auf der höchsten Stufe, darunter Alfter, Bergisch Gladbach, Bornheim, Brühl, Burscheid, Dormagen, Erftstadt, Frechen, Grevenbroich, Hennef, Hürth, Kaarst, Kerpen, Königswinter, Kürten, Langenfeld, Leichlingen, Lindlar, Lohmar, Meckenheim, Mettmann, Monheim, Neuss, Niederkassel, Odenthal, Overath, Pulheim, Ratingen, Rheinbach, Rommerskirchen, Rösrath, Sankt Augustin, Siegburg, Troisdorf, Wachtberg, Weilerswist, Wesseling. In diesen teuren Lage sind Tilgungsnachlässe bis zu 25 Prozent möglich. (pb)

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