Zoff im RotlichtviertelAachens Rat und Polizeipräsident streiten über Bordell

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Bezirksbürgermeisterin Conradt, hier vor einem Bordell in der Aachener Antoniusstraße, fordert den Umbau des Viertels.

Bezirksbürgermeisterin Conradt, hier vor einem Bordell in der Aachener Antoniusstraße, fordert den Umbau des Viertels.

Aachen – Im Aachener „Sträßchen“, der Antoniusstraße unweit von Rathaus und Dom, sitzen die Damen auf Cocktailstühlen hinter Fensterscheiben in heruntergekommenen Häuschen. Sie tragen Highheels, Unterwäsche, Make-up. Und warten auf Freier.

Dieses „Sträßchen“, ganz unromantisch auch Rotlichtbezirk genannt, ist seit Monaten Austragungsort eines Streits zwischen Stadtpolitikern und Polizeipräsident, der so als Soap-Opera auch im privaten Fernsehen laufen könnte.

Vorgeschichte des Streites

Um den Disput verstehen zu können, ein wenig Vorgeschichte: Der Rotlichtbezirk in der Antoniusstraße ist Teil des Altstadtquartiers Büchel. Dieses soll seit geraumer Zeit umgestaltet werden. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gab es Projekte mit kreativen Namen wie „Forum Kaiserquelle“, „Trendbox“ oder „Bel-Etage“ – sie alle scheiterten aus unterschiedlichen Gründen.

Mittlerweile veranstaltet die Stadt den vierten Versuch zur Verschönerung. 2015 wurde dafür ein Wettbewerb ausgelobt, bei dem das Architekturbüro Chapman Tylor die Verantwortlichen von ihrer Idee überzeugen konnte. Seitdem existiert der – diesmal ganz nüchtern benannte – „Bebauungsplan 999“.

Neben dem Abriss, Neubau und Umgestaltung eines bislang als Parkhaus verwendeten prominenten Gebäudes soll auch die Antoniusstraße in Angriff genommen werden.

Prostituierte in einem Haus

Teil der Neugestaltung soll ein Bordell sein. Es soll die Prostituierten, die bislang in separaten Etablissements arbeiten, in einem großen Haus zusammenführen. Die Antoniusstraße soll dafür zweigeteilt werden, sodass das Bordell durch eine Sackgasse eine gewisse Diskretion erhält.

Das war der Stand im Mai. Dann schaltete sich Polizeipräsident Dirk Weinspach ein. In einem offenen Brief – ein durchaus ungewöhnliches Vorgehen für einen Polizeipräsidenten – richtete er sich an Oberbürgermeister Marcel Philipp. In diesem Brief befürchtet Weinspach, dass der Bebauungsplan die Kriminalität im Rotlichtbezirk möglicherweise verstärken werde. Solche Rotlichtbezirke seien „ein Anziehungspunkt für alle Formen der Straßen- und organisierten Kriminalität“, wie Weinspach es schrieb.

Schwierigkeiten für Einsatzkräfte

Durch eine Abschottung des Laufhauses wäre es noch schwieriger für Einsatzkräfte, vernünftig zu agieren. Weins-pach plädiert deswegen dafür, das Rotlichtviertel in einen Außenbezirk zu verlegen. „Ja, das hätte man mal in Angriff nehmen können“, gibt Bezirksbürgermeisterin Marianne Conradt zu. Doch nun sei es zu spät, die Würfel schon gefallen. Zudem gebe es mittlerweile die Hilfsorganisation „Solwodi“, die sich vor Ort rührend um die Prostituierten kümmere.

Eine Verlegung des Rotlichtviertels würde die Arbeit der Mitarbeiterinnen, die Themenschwerpunkte wie Menschenhandel und Zwangsprostitution haben, erschweren. Weinspachs Brief habe für jede Menge Aufregung im Stadtrat gesorgt, sagt die Bezirksbürgermeisterin: „Da muss man jetzt erst mal versuchen, wieder auf einen Nenner zu kommen.“

Einverstanden mit der öffentlichen Aktion waren die Parteien, die die Altstadtverschönerung gut über die Bühne bringen wollten, wohl nicht. Immerhin habe man das ganze Verfahren schon in Abstimmung mit der Polizei in Angriff genommen. Und das Polizeipräsidium selbst habe 2011 gesagt, dass die Antoniusstraße kein Schwerpunkt der Kriminalität sei. Da werde man sich jetzt erst einmal zusammensetzen müssen, um die Wogen zu glätten.

Zukunft ist weiter offen

Die Zukunft des Viertels ist also weiter offen. Anfang Juli gab es die Möglichkeit für Bürgerinnen und Bürger, die Baupläne einzusehen und Bedenken zu äußern. Die Ergebnisse sollen jetzt nach den Sommerferien präsentiert werden. „Dass das Gebiet verändert werden muss, darüber sind sich alle einig. Die Antoniusstraße wird der Knackpunkt sein“, prophezeit Conradt. Doch was sagen eigentlich die Prostituierten? Nichts. Zur Debatte wollen sie sich nicht äußern. Wenn die Umbaupläne realisiert werden, sitzen sie jedenfalls nicht mehr in kleinen, heruntergekommenen Häuschen. Sondern in einem modernen Bordell, das die Politik wollte, der Polizeipräsident aber für keine gute Idee hält.

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