Diekmann gegen WallraffDie Lieblingsfeinde wollen nur spielen

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Gegen Günter Wallraff hatte „Bild“-Herausgeber Kai Diekmann kein Glück an der Tischtennisplatte.

Köln – Günter Wallraff gegen Kai Diekmann, das ist Hans Esser gegen „Bild“, Rot gegen Schwarz, Aufklärung gegen Aufmachung, das sind Dutzende von Prozessen, Bespitzelungen, Rufmordkampagnen – eine Feindschaft, die für viele Leben reicht.

Am Freitagmittag um 12 Uhr trafen sich der Kölner Undercover-Journalist und der Bild-Herausgeber in Wallraffs Hinterhof an der Tischtennisplatte. „Titanentischtennis“ hatte das Onlinemagazin Realsatire.de das Spiel genannt. Der deutsche Tischtennistitan Timo Boll durfte den Schiedsrichter geben - das Spiel sicherte seinem Sport mehr Aufmerksamkeit als eine Deutsche Meisterschaft.

Die Realsatire-Macher hatten den leidenschaftlichen Pingpong-Spieler Wallraff gefragt, ob er ihre Plattform mit einem Tischtennisspiel unterstütze – der Gegner müsste 1111 Euro zur Anschubfinanzierung des Magazins beitragen. Es meldete sich sofort: Kai Diekmann. Der 51-Jährige ist ein leidenschaftlicher Spieler, das hat er mit Günter Wallraff gemein. Er ist Gesellschafter bei der „taz“, der linken Tageszeitung, einem weiteren Lieblingsfeind der „Bild“. Er ging ins Silicon Valley, ließ sich einen Rauschebart wachsen und Tätowierungen stechen. Kürzlich interviewte er Jan Böhmermann – fiktiv, er hatte sich das Gespräch ausgedacht.

Wallraff hatte im Vorfeld des Spiels befürchtet, „damit Werbung für die Bild zu machen, das will ich auf keinen Fall“. Der Boulevardzeitung attestiert er, „liberaler geworden“ zu sein. „Aber man sollte sie nie kaufen.“ 1977 hatte sich Wallraff für vier Monate als „Hans Esser“ bei der „Bild“ in Hannover eingeschlichen. Der Bestseller „Der Aufmacher“ führte zu einer juristische Dauerfehde, die in die „Lex Wallraff“ mündete: der Erlaubnis für Journalisten, verdeckt zu recherchieren, um Missstände aufzudecken.

Günter Wallraff bezeichnet sich als „Defensivspieler in fast allen Lebenslagen“. An der Tischtennisplatte bleibt der 73-Jährige dieser Rolle treu: Er spielt mit einem über 40 Jahre alten Schläger und jeden Ball mit Unterschnitt. Manchmal schenkt er dem Gegner nach einer verschlagenen Angabe den Punkt, indem er behauptet: „Ich war noch nicht bereit.“ Vor dem Spiel stellt Wallraff den Asylbewerber Obaika Vangboaje vor, der vor den Terroristen von Boko Haram aus Nigeria geflohen ist – und Timo Boll. „Obaika ist der eigentliche Star des Tages“, sagt er, „und es ist eine große Ehre, dass Du da bist, Timo. Es soll eine Werbung für Deinen tollen Sport sein.“ Vangboaje und Boll lächeln zurückhaltend.

So viele Fotos wie bei einem sportlichen Großereignis

Ex-Bild-Chefredakteur Kai Diekmann (51) ist als Offensivspieler bekannt. Sein Team in Wallraffs Hinterhof besteht aus Bild-Chefredakteurin Tanit Koch, seinem Büroleiter, einem Fotografen und einem Social-Media-Reporter. Es werden so viele Fotos gemacht wie bei einem sportlichen Großereignis. Nach Fehlern stößt Diekmann Urschreie aus und stampft. Als Wallraff einen Ball vielleicht absichtlich nicht trifft, sagt Diekmann: „Ich war noch nicht bereit.“ Als zu Beginn des Spiels ein Ball kaputt geht, sagt Wallraff: „Schlechte Qualität, der war wohl von Bild.“

Seine Offensivkraft kann Diekmann mit dem Tischtennisschläger nicht ausspielen. Nach 23 Minuten hat Wallraff mit 4:1-Sätzen gewonnen. Diekmanns T-Shirt ist schweißgetränkt, Wallraff schlägt mit etwas über Ruhepuls vor: „Lass uns spielen, bis einer umfällt oder aufgibt.“ Diekmann winkt ab, „heute nicht“, sagt er, „wenn das der letzte Sieg von Günter Wallraff gegen Bild war, kann ich gut damit leben“. Es wird dann doch eine Revanche vereinbart, „und dann spielen wir, bis einer nicht mehr kann“, sagt Wallraff. Diekmann ist einverstanden. „So ein Tischtennisspiel ist eine gute Möglichkeit, eine Gegnerschaft sportlich aufzulösen“, sagt er. Die zwei Spieler sitzen noch im Garten und plaudern, als Timo Boll den Hinterhof schon lange verlassen hat.

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