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Gefälschte Anzeigen bei Immobilienscout24 & CoSo läuft die neue Masche der Wohnungsbetrüger

Lesezeit 8 Minuten
In diesem Neuköllner Haus hat Marius Friis angeblich eine Wohnung geerbt. In Wirklichkeit gehören alle Wohnungen demselben Eigentümer.

In diesem Neuköllner Haus hat Marius Friis angeblich eine Wohnung geerbt. In Wirklichkeit gehören alle Wohnungen demselben Eigentümer.

"Schöne 3-Zimmer-Altbauwohnung nahe Tempelhofer Flugfeld in Neukölln", lautet die Überschrift der Anzeige bei Immobilienscout24. 94,5 Quadratmeter für 750 Euro - das Inserat klingt vielversprechend. Und das ist auch der weitere Beschreibungstext: "Es handelt sich hierbei um einen modernisierten Altbau mit angenehmer Mieterstruktur. Die Wohnung liegt im 1. Obergeschoss des Vorderhauses."

Auf dem Foto sieht man ein sonnendurchflutetes Wohnzimmer mit offener Küche, Laminatboden und Balkon. Außerdem verspricht der Annoncierende - ein Privatanbieter namens Marius Friis - ein modern gefliestes Wannen- und Duschbad mit Fenster, Zentralheizung und separat vom Flur begehbare Räume, "schön hell und ruhig".

Sofort schicke ich ihm eine Nachricht und bekunde mein Interesse. Am nächsten Tag ist die Anzeige online nicht mehr auffindbar, stattdessen habe ich eine Email von Marius Friis in meinem Postfach. Auf Englisch schreibt er mir, dass er die Wohnung von seiner im vergangenen Jahr verstorbenen Tante geerbt habe und in England lebe. Da er dort Familie und einen guten Job habe, wolle er nicht nach Deutschland ziehen und suche nun einen Mieter - bei Interesse solle ich ihm doch noch etwas mehr über mich erzählen. Und: Er will tatsächlich nur 750 Euro Gesamtmiete.

Herr Friis scheint ein netter Mensch zu sein. Seine Geschichte (dokumentiert im PDF des Mailverkehrs, Anm. d. Red.) klingt plausibel - und warum soll es sie nicht geben, die glückliche Fügung, dass ein Erbe im Ausland noch nicht mitbekommen hat, dass auch in Neukölln inzwischen Preise von zehn Euro pro Quadratmeter verlangt werden? Ich schreibe zurück, dass ich Journalistin sei und viele meiner Freunde im Kiez lebten. Besichtigungstermin erwünscht.

Einige Details kommen mir allerdings komisch vor: Warum etwa schreibt Herr Friis, dass ich seine Möbel aus der Wohnung räumen könnte, wenn ich meine eigenen mitbringen möchte, auf den Fotos in der Anzeige jedoch sind die Räume unmöbliert? Ich frage ihn danach, doch in seiner Antwort geht er gar nicht darauf ein. Stattdessen macht der angebliche Vermieter mir einen Vorschlag: Da er nicht vor Ort sei, würde er die Schlüsselübergabe gerne über Airbnb abwickeln, damit wir beide etwas hätten, "worauf wir vertrauen können".

1500 Euro als Garantie

Noch immer erscheinen seine Absichten durchaus vertrauenswürdig. Vielleicht vermietet Herr Friis seine Wohnung derzeit über Airbnb und sucht nun einen langfristigen Mieter? Doch als ich ihn nach dem weiteren Vorgehen frage, wird es absurd. Ich soll ihm meine Postadresse schicken, dann würde mir Airbnb eine Email schicken und mit einer Zahlungsaufforderung: Ein Monat Miete in Vorkasse und die horrende Summe von 1500 Euro als Garantie. Sobald das Geld da sei, würde der Wohnungsschlüssel an mich verschickt und ich hätte drei Tage Zeit, mich zu entscheiden.

"Ich muss Airbnb im Voraus bezahlen, weil ich extra für Besichtigungen hergekommen bin und die Interessenten nicht aufgetaucht sind", erklärt Herr Friis. Der Ferienwohnungsvermittler sei "seine Versicherung" und würde mir das Geld zurückerstatten, falls ich mich gegen die Wohnung entscheide.

Die Masche, per Direktüberweisung eine Kaution für einen Schlüssel zu hinterlegen, die dann nie zurückgezahlt wird, ist nicht neu in der Immobilienbranche - allerdings lockten die Betrüger Interessenten meist mit möblierten Luxuswohnungen zu Schnäppchenpreisen, garniert mit Fotos wie aus einem Schöner-Wohnen-Prospekt.

"Vor etwa sieben Jahren haben wir erstmals die Betrugsmasche mit gefakten Immobilienangeboten registriert", erzählt Sonja May von Immobilienscout24. "Das Vorgehen ist dabei stets ähnlich: Es wird eine Immobilie zu einem sehr günstigen Preis angeboten. Im Laufe der Kommunikation wird behauptet, eine Besichtigung sei nicht möglich. Was dann folgt, ist der Vorschlag einer Schlüsselübergabe gegen eine Kautionszahlung."

Fälle von sogenanntem Vorkasse-Betrug treten gehäuft in Großstädten auf. Zum einen ist in Großstädten der Druck auf dem Wohnungsmarkt größer: Mehr Menschen interessieren sich für die selbe Wohnung und die Suche nach einer geeigneten Wohnung dauert länger. Zum anderen ist die Reichweite größer, der Betrüger erreicht in einer Großstadt einfach mehr Interessenten für eine Wohnung als in einer Kleinstadt. Das erhöht für ihn die Wahrscheinlichkeit, dass unter den Interessenten einer ist, der auf seine Betrugsmasche hereinfällt.

Bei Immobilienscout24 haben User die Möglichkeit, unseriös erscheinende Angebote dem Kundenservice zu melden: Telefonisch unter der Nummer (030) 243 01 1200, via Email an support@immobilienscout24.de oder direkt über den Button „Melden“ im Inserat. Weitere Tipps gibt es unter www.sichere-immobiliensuche.de.

Wenn eine Zahlung im Vorfeld der Besichtigung gefordert wird (egal auf welchem Wege), ist das ein eindeutiges Kennzeichen für ein unseriöses Inserat. Interessenten, die per Email darauf reagiert haben, sollten den Kontakt zum vermeintlichen Anbieter umgehend abbrechen. Grundsätzlich gilt: Finger weg beim geringsten Verdacht und bei unglaubwürdigen Angeboten.

Sollten Ihnen eine Anzeige oder eine Mail des angeblichen Vermieters komisch vorkommen, hilft auch ein schneller-Internetcheck: Googeln Sie die Email-Adresse und ziehen Sie die Fotos per Drag und Drop in die Google-Bildersuche. Außerdem hilft ein Blick auf das Blog wohnungsbetrug.blogspot.ie, das aktuelle Betrugsfälle dokumentiert.

Um die Nutzer zu schützen, habe das Portal verschiedene technische Filter und Abfragen installiert, mit denen neu eingestellte Objekte überprüft werden. Pro Monat seien das rund 150.000. "Wir erhalten pro Tag im Durchschnitt etwa 250 Meldungen von unseren Nutzern", so May. Das müssten nicht 250 Objekte sein, da unterschiedliche Kunden das gleiche Objekt melden. Pro Woche würden bundesweit etwa 500 Objekte deaktiviert.

"In diesem Fall war für uns das Inserat nicht als Betrugsversuch erkennbar, da sowohl die Preis-Lage-Information dem in dieser Gegend üblichem Durchschnitt entsprach und auch die Fotos, die Objektbeschreibung und die E-Mail-Adresse keine Auffälligkeiten aufwies." Gelöscht hat Marius Friis die Anzeige selbst nach nur 24 Stunden - vermutlich, weil er zu diesem Zeitpunkt bereits genügend Zuschriften von Interessenten und damit potenziellen Opfern hatte.

"Wir arbeiten kontinuierlich daran, unsere technischen Sicherungsmaßnahmen immer weiter zu optimieren", sagt May. "Das gleicht allerdings oft einem Katz-und-Maus-Spiel, da die Betrüger ihre Strategie kontinuierlich anpassen." So auch jetzt: Neu an der aktuellen Betrugsmasche ist, dass die Inserenten der Fake-Anzeigen auf eine seriöse Referenz wie Airbnb zurückgreifen.

Tatsächlich bekomme ich nur kurze Zeit nach der Ankündigung von Herrn Friis eine Mail mit dem Absender support@airbnbcustomercare.co.uk, die in meinem Spam-Ordner landet. Eine gefälschte Adresse, wie der Airbnb-Sprecher Julian Trautwein bestätigt.

Überhaupt sei die Zahlungsaufforderung per Email bei ihnen nicht gängig: "Airbnb schützt Gastgeber und Gäste durch die Abwicklung aller Transaktionen durch unsere sichere Zahlungsplattform. Gäste zahlen nur über Airbnb, wenn sie eine Unterkunft buchen, und Gastgeber erhalten die Zahlung erst 24 Stunden nach dem Check-in."

Seriöses Image für Abzocke missbraucht

Sein Konzern sei ein Community-Marktplatz zur Vermietung von Unterkünften und kein Dienstleister für die Vermittlung von Schlüsseln, zumal die zugehörigen Wohnungen bei Airbnb selbst gar nicht inseriert sind. "Wir informieren Neukunden proaktiv über die Wichtigkeit, ihre Buchungen ausschließlich über die Airbnb-Plattform zu tätigen." Dort sei der Zahlunsverkehr sicher - und das auch einer der Gründe, warum so viele Kunden über Airbnb buchten.

Genau dieser gute Ruf wird dem Unternehmen nun zum Verhängnis, indem Betrüger ihn für ihre Abzocke nutzen. Airbnb will dagegen vorgehen: Wenn ihnen Fälle wie der von Herrn Friis gemeldet würden, gäben sie diese an die Polizei weiter, erklärt Trautwein. "Außerdem arbeitet unser globales 'Team für Vertrauen und Sicherheit' 24/7 daran, Betrugsversuche zu verhindern. Erst kürzlich haben wir anonymisierte Email-Adressen und eine neue Sicherheitsseite zum Schutz der Kundendaten eingeführt."

Aufklärung ist auch deshalb so wichtig, weil Marius Friis mit seinem Neuköllner Altbau kein Einzelfall ist. Gibt man die Email-Adresse des fiktiven Wohnungsbesitzers bei Google ein, stößt man auf einen aktuellen Artikel des Blogs wohnungsbetrug.blogspot.ie, der genau solche Fälle sammelt: Demnach wurde die Anzeige "Schöne 3-Zimmer-Altbauwohnung nahe Tempelhofer Flugfeld in Neukölln" auch schon unter dem Namen Thorsten Keller veröffentlicht.

Der Blog verweist auch auf weitere gefälschte Anzeigen von Anbietern, die dieselbe Erbschaftsgeschichte wie Herr Friis erzählen und anschließend eine Mail von support@airbnbcustomercare.co.uk verschicken. Der Text ihrer Email ist komplett identisch, nur der Absendername variiert: Eine Franziska Fuchs hat eine 3,5-Zimmer-Wohnung in Hamburg inseriert.

Exakt dasselbe Angebot mit denselben Fotos gab es der Blog-Dokumentation zufolge auch bei den Portalen Immonet und Immowelt, dort allerdings von einem Anbieter namens Maik Hofmann. Auch die Anzeige und anschließende Kontaktaufnahme eines gewissen David Ebersbach, der auf wg-gesucht.de eine möblierte Wohnung in Bamberg zur Zwischenmiete anbietet, lässt auf die gleiche Betrügerbande schließen.

Im Fall von Marius Friis ist diese sogar so professionell, dass vorm Schalten der Anzeige ausgespäht wird, wo gerade Wohnungen leer stehen: In meiner Wunschadresse, der inserierten Oderstraße 3, sei im ersten Stock derzeit tatsächlich eine Wohnung mit der genannten Größe frei, erzählt Emelie Lindström. Die Schwedin wohnt seit vergangenem Herbst mit ihrem Freund auf derselben Etage. Auch sie haben ihre Wohnung, die wie alle im Haus demselben Eigentümer gehört, über eine Online-Anzeige entdeckt. Für knapp 100 Quadratmeter zahlen sie übrigens 1100 Euro.

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