Prozess gegen "König von Deutschland"Richter glaubt nicht an Freispruch für Peter Fitzek

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Peter Fitzek - hier im November auf dem Weg ins Gericht - trat in dem Prozess zunächst widerborstig auf. Später mäßigte er sich.

Peter Fitzek - hier im November auf dem Weg ins Gericht - trat in dem Prozess zunächst widerborstig auf. Später mäßigte er sich.

Dessau-Roßlau – Entspannt lächelt Peter Fitzek die Justizbeamten an, die die königliche Aktentasche des selbsternannten Monarchen des Königreichs Neudeutschland am Eingang des Dessauer Amtsgerichtes auf gefährliche Gegenstände untersuchen. Die Röntgenschleuse piepst kurz, aber das ist dann doch nur die  Uhr des Potentaten.

Bedrohliches hat Fitzek nicht dabei an diesem zweiten Tag im Prozess wegen des Vorwurfs, er habe zwischen 2009 und 2011 Versicherungsgeschäfte ohne behördliche Genehmigung betrieben. Im Gegensatz zum Auftakt, als er im Gerichtsflur festgenommen und gezwungen werden musste, der Verhandlung zu folgen, nimmt er 24 Stunden nach Beginn einer neuen großen Beschlagnahmeaktion der Behörden auf dem Gelände seines kleinen Reiches freiwillig Platz auf der  Anklagebank.  Der Richter ist noch nicht im Saal, also so nutzt der 49-Jährige die Gelegenheit,  in den Pulk an Kameras zu dozieren.  Deutschland sei kein Rechtsstaat,   er werde verfolgt, dabei habe er immer nur das Beste gewollt. „Wir werden auf jeden Fall nicht aufhören, wir werden im Gegenteil noch viel krasser“, kündigt er an.

Aber nicht hier und nicht heute. Kaum hat Richter Jochen Rosenberg die Verhandlung eröffnet, gibt Peter Fitzek den emsigen Angeklagten, der bereit ist, bei der Wahrheitsfindung zu helfen. Das falle ihm allerdings schwer, klagt er. Bei der am Tag zuvor begonnen und „heute morgen  kurz nach halb acht fortgesetzten“ Beschlagnahmeaktion von Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen und hallescher Steuerfahndung seien nicht nur alle Möbel, Kochtöpfe und technischen Anlagen des Königreichs, sondern auch sein Laptop mit für seine Verteidigung wichtigen Daten mitgenommen worden. „Bis auf die  paar Ordner hier habe ich nichts mehr“, beschwert sich der gebürtige Hallenser.

Richter Rosenkranz gefällt das gar nicht. Das fehlen der Unterlagen führe zu erheblichen Bedenken, ob Fitzeks noch ein fairer Prozess gewährt werden könne, sagt er. Und das könnte später ein Revisionsgrund sein. Fitzek, der sich im Verfahren selbst vertritt, hätte es in diesem Moment in der Hand, das ganze Verfahren platzen zu lassen. Doch auf mehrfaches Befragen versichert er, er wolle weitermachen. „Jede Verschleppung dient nur den Bestrebungen, das zu zerstören, was ich aufgebaut habe.“

Fünf Jahre Haft drohen

Der gelernte Koch, zum Zeitpunkt der ihm hier vorgeworfenen Taten noch kein König, sondern Esoterik-Händler in Wittenberg, kann nicht anders. Wo immer es geht, argumentiert er grundsätzlich, und wo es nicht geht, erst recht. Die rechtlich schwierige Bewertung seiner Versuche, eine nach deutschem Recht zulässige Krankenversicherung außerhalb des deutschen Versicherungsrechts zu betreiben, ist ihm immer wieder Anlass, von seinem Bemühen zu sprechen, „selbstlos handelnd neue staatliche Strukturen zu schaffen“, wie er es nennt. Fitzek ist das ernst, so ernst sogar, dass er einst selbst beim Landesverfassungsschutz anrief. „Ich habe Bestrebungen vor, die Sie als verfassungsfeindlich werten könnten“, habe er damals gesagt. Und den Mitarbeitern anschließend  versichert, dass er  kein Staatsfeind sei, sondern jemand, der an die Zukunft denke und nur das Beste für alle Menschen wolle.

Das ist, knapp zusammengefasst, auch Peter Fitzeks Verteidigungsstrategie auch vor Gericht. Manche Rechtsvorschrift will er zu Beginn seiner Karriere als Krankenkassenbetreiber nicht gekannt haben. Anderes habe er falsch gemacht, aber zu verbessern versucht. Gemeint ist damit eine Klausel in den Mitgliedsverträgen seiner „Neuen Deutschen Gesundheitskasse“ (NDK), deren Formulierung die 120 Versicherten automatisch der Aufsicht durch die Bafin unterstellte, weil sie ihnen feste Ansprüche   zusicherte.

Fitzek, das bestätigt  der Bafin-Beamte Olivier Gohr im Zeugenstand,   formulierte die Passage  zwölfmal um - und schaffte es einmal tatsächlich, von der Bafin bescheinigt zu bekommen, dass keine Aufsichtspflicht mehr vorliege. Eine Mitarbeiterin aber änderte die Verträge kurze Zeit später wieder zurück. Und nun schickte die Bafin  eine Untersagungsverfügung. Gegen die vor dem Verwaltungsgericht zu klagen Peter Fitzek vergaß. „Ich bin juristischer Laie“, sagt er.

Der Anfang einer Geschichte, die ihn nun hier vor Strafrichter Rosenberg in Saal 121 geführt hat. Schlimmstenfalls fünf Jahre Haft drohen Fitzek, der selbst auf einen  Freispruch hoffte. Den aber schloss der souveräne Jochen Rosenberg gestern bereits aus. Zwar habe der Angeklagte sich nicht bereichert und seine Versuche, die falsch formulierten Verträge zu ändern, sprächen auch gegen ein vorsätzliches Handeln.  Aber  den klaren Hinweis der  Finanzaufsicht, dass eine Fortsetzung der  Tätigkeit der Gesundheitskasse strafbar sei, „hätten Sie  auch als Laie leicht verstehen können“.  Da nickt  Peter Fitzek einsichtig. Obwohl er doch das Gericht eigentlich nicht anerkennt.

Das aber zeigt, dass es den Grundsatz der Rechtssprechung ohne Ansehen der Person  ernst nimmt. Statt  kurzen Prozess zu machen und  schnell zu einem Urteil zu kommen, verlängert Jochen Rosenberg das Verfahren  um drei Verhandlungstage bis hinein ins kommende Jahr. Die Materie sei kompliziert, sagt er. „Es gibt keine vergleichbaren Fälle.“ Einen Orchideengarten hatte der Bafin-Zeuge Olivier Gohr die  unübersichtliche Gemengelage aus allerlei vertrackten Rechtsfragen zuvor genannt. Peter Fitzek zieht die Stirn kraus und schaut fragend. „Blumen?“, sagt er. „Seltene Blumen, Herr Fitzek“, klärt ihn Richter Rosenberg freundlich auf, „sehr seltene Blumen“. Der Prozess wird kommenden Freitag fortgesetzt.

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