Pharma-Produktion in IndienGefahr durch resistente Keime

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Ein Junge schüttet Abfall in einen indischen Fluss. Viele Gewässer dort sind auch mit Rückständen aus der Pharmaindustrie belastet.

In Hyderabad, Pharma-Produktionsstandort in Zentral-Indien, sind in Abwässern beängstigend hohe Konzentrationen von Antibiotika-Rückständen und Pilzbekämpfungsmitteln gefunden worden. Muss uns das auch in Europa in Aufruhr versetzen?

Das wisse man längst, urteilt Prof. Dr. Gerd Fätkenheuer, Infektiologe an der Uniklinik Köln und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, mit Blick auf die Dokumentation von NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“. Fragen und Antworten zur Arzneimittelproduktion in Indien:

Was weiß man?

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In Hyderabad und an anderen Produktionsorten in Indien sind massenhaft resistente Erreger in hoher Konzentration zu finden, und zwar nicht nur hoch-resistente, sondern auch vollständig resistente Erreger.

Ist das bedrohlich für uns?

Ja, weil sie durch Reisende bei uns eingeschleppt werden können.

Warum konzentrieren sich diese gefährlichen Erreger-Befunde auf Indien?

Weil Indien und auch China weltweit die wichtigsten Arzneimittelproduzenten sind. Experten schätzen, dass dort 80 bis 90 Prozent des Weltbedarfs abgedeckt werden. Der Grund: Die Produktion dort ist extrem billig.

Wer lässt dort was produzieren?

Firmen lassen dort vorrangig Generika herstellen, also Nachahmerprodukte, die keinen Patentschutz mehr haben. Nicht die multinationalen Pharma-Konzerne seien der Produzent, so Fätkenheuer, sondern einheimische Firmen.

Warum gerade in Indien und China?

Weil der Preisdruck so enorm ist, so Fätkenheuer, dass Pharma-Firmen an der Produktion von Generika so gut wie nichts verdienen, es sei denn, die Herstellungskosten sind sehr niedrig wie eben in diesen beiden Ländern.

Ist die Konzentration der Arzneimittel-Produktion auf  Billigländer riskant?

Ja, weil es immer wieder zu Liefer-Engpässen kommt. Fätkenheuer: „Bei Antibiotika ist das derzeit der Fall. Auch bei bestimmten Narkosemitteln.“

Führen  Billig-Produktionen von Arzneimitteln in Ländern wie Indien zu Umweltkatastrophen?

Ja. Fätkenheuer vergleicht das mit der Billigproduktion von Kleidung in Bangladesch und Pakistan. Auch hier nehme die westliche Welt billigend in Kauf, dass Menschen unter unwürdigen Bedingungen arbeiten und die Umwelt extrem belastet werde.

Gefährden Medikamente, die unter solchen Bedingungen hergestellt werden, die Gesundheit?

Nein. Fätkenheuer sieht keine Gefahr bei der Einnahme dieser Generika-Antibiotika. Die Qualität der Arzneien werde geprüft, so zum Beispiel vom Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn.

Was ist der Grund für die unbeschreiblichen Zustände in Hyderabad und die bedrohliche Zunahme vollständig resistenter Erreger?

Es fehlt in Indien unter anderem an einer umweltverträglichen Aufbereitung des Abwassers. Zum anderen werden in Indien enorme Mengen an Reserve-Antibiotika konsumiert. Fätkenheuer: „Reserve-Antibiotika werden bei uns nur bei ganz schweren Infektionen angewandt. In Indien kann man sie in jedem Laden frei kaufen.“

Könnte man zumindest die Umweltprobleme  eindämmen?

Gerd Fätkenheuer: „Solange die niedrigen Arzneimittelpreise von Politik und Krankenkassen gewollt sind, wird sich nichts ändern. Wenn wir das nicht mehr wollen, müssen wir die Medikamente teurer machen.“

Wird das Thema sein auf dem G-20-Gipfel im Juli in Hamburg?

Ja. Laut Fätkenheuer gibt es einen Zehn-Punkte-Plan des Gesundheitsministeriums, und ein Punkt davon betreffe die Arzneimittel-Produktion und die damit verbundenen internationalen Bedingungen.

Warum sind hoch-resistente und vollständig resistente Erreger so gefährlich?

„Nimmt man sie durch den Darm auf, sind sie erst einmal kein Risiko. Aber sobald man krank wird schon“, so Fätkenheuer. Wer in Indien als Reisender unterwegs sei, komme zu 60 bis 70 Prozent mit solchen resistenten Erregern zurück. Wer in Indien krank werde, zum Arzt oder gar in ein Krankenhaus müsse, sei schlimm dran.

Ist es sinnvoll, Indien-Reisende bei ihrer Rückkehr generell einem Gesundheitscheck zu unterziehen?

Nein, sicherlich nicht jeden. Aber wer nach einem Indien-Aufenthalt hier in die Klinik müsse, werde gescreent, also mit einem systematisierten Testverfahren auf das Vorhandensein bestimmter Erreger im Körper untersucht.

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