Seltene KrankheitBrad Pitt erkennt keine Gesichter

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Schauspieler Brad Pitt.

Schauspieler Brad Pitt.

Köln – Eine Begegnung auf der Straße, ein Strahlen, der Beginn eines Gesprächs  - und noch immer sucht man händeringend nach einem Anhaltspunkt, woher man sein Gegenüber kennt.

Gerade bei Persönlichkeiten wie dem Schauspieler Brad Pitt scheint diese Eigenart nicht verwunderlich, bedenkt man, in wie viele verschiedene Gesichter er täglich allein berufsbedingt guckt. Doch nun hat der 49-Jährige in einem Interview mit der Zeitschrift „Esquire“ bekannt gegeben, dass es sich bei ihm um weit mehr handele, als um bloße Vergesslichkeit. Brad Pitt leidet nach eigener Aussage unter Prosopagnosie oder auch Gesichtsblindheit, wie es umgangssprachlich oft genannt wird. Diese neuronale Störung kann so weit gehen, dass sogar enge Familienmitglieder nicht erkannt werden.

Das Wort Gesichtsblindheit sei jedoch eher irreführend, erklärt Prof. Dr. med. Ingo Kennerknecht vom Institut für Humangenetik der Universität Münster. „Die Betroffenen können Gesichter ja genauso sehen, wie Menschen ohne diese Störung, sie können sie nur nicht zuordnen und bekommen die Gesichter nicht individualisiert“, sagt er. Man müsse sich vorstellen, man treffe auf der Straße durch Zufall seine Mutter, die gerade vom Frisör käme und würde sie nicht erkennen. Dann sei sicher, dass man unter Prosopagnosie leide. „Denn normalerweise erkennen wir Menschen an ihren Gesichtern, egal ob sie eine neue Frisur, einen Bart oder andere Kleidung tragen“, erklärt der Wissenschaftler. Rund zwei Prozent leiden weltweit unter diesem Phänomen, das vererbt wird.

Kennerknecht: „Der Durchschnitt kann Gesichter ganz normal erkennen. Dann gibt es da noch diejenigen, die eine super Gesichtserkennung haben und Menschen, die sich schwer tun. Diejenigen, die in dieser Sache quasi am unteren Ende der Kette sind, zählt man zu den zwei Prozent mit Prosopagnosie .“ Dass es diese Störung gibt, wissen die wenigsten. Auch, weil die Betroffenen ihren „Mangel“ meist gut kompensieren können. „Sie orientieren sich an Merkmalen wie Körperschmuck, Bewegungen, Stimme oder sonstigen Regelmäßigkeiten“, erklärt Kennerknecht. Fielen diese „Erkennungsmerkmale“ weg, würde es schwierig werden. Angesprochen auf die scheinbare Ignoranz, die Gesichtsblinden oft vorgeworfen wird, würden sich die Gesichtsblinden in Ausflüchte retten wie etwa: „Ich war gerade total in Gedanken“, oder „Ich war in Eile“, was allerdings Unsinn sei, da ein Mensch nur rund 300 Millisekunden brauche, bis er ein Gesicht erkannt habe, so Kennerknecht. Allerdings: Da jeder die Situationen kenne, ein bekanntes Gesicht nicht zuordnen zu können, falle die Störung im Allgemeinen nicht auf.  Laut Kennerknecht bestehe die Prosopagnosie meist von Geburt an, Betroffene entwickelten daher früh Strategien damit umzugehen.

Eine Diagnose hat Brad Pitt nach eigenen Angaben noch nicht vorliegen. „Ich werde es mal untersuchen lassen.“ Bis dahin hat auch er eine Strategie: Ausgehen ist für ihn zur Seltenheit geworden. „Ich bleibe lieber zu Hause.“

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