Chef-Pathologe spricht über den Germanwings-Absturz„Wir fragten uns, wo die Leichen sind“

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Der Gedenkort in Le Vernet für die 150 Opfer des Germanwings-Absturzes.

Der Gedenkort in Le Vernet für die 150 Opfer des Germanwings-Absturzes.

Köln – Im März dieses Jahres lenkte der Pilot Andreas L. eine Germanwings-Maschine in vermutlich suizidaler Absicht gegen einen Berg in den französischen Alpen. Alle 150 Insassen des Flugzeugs kamen dabei ums Leben. Jetzt hat Charles Agostini, Leiter der Bergungsarbeiten, auf einer Fachtagung von Rechtsmedizinern erstmals über seine damalige Aufgabe gesprochen und bestürzende Details an die Öffentlichkeit gebracht.

„Das Flugzeug stürzte morgens um kurz nach halb elf ab, um 17.00 Uhr saß ich im Hubschrauber, um vor Ort eine erste Einschätzung der Situation vornehmen zu können“, wird Agostini vom Deutschlandfunk zitiert. Der forensische Pathologe leitete das Team, an dem insgesamt 500 Experten beteiligt waren. Ihre Aufgabe war es, die sterblichen Überreste zu identifizieren und zuzuordnen.

„Wir fanden mehr als 3000 Körperteile“

„Wir fragten uns, wo die Leichen sind, denn wir sahen keine. Alles war zerstört, und überall verteilt. Der Ort ist schwer zugänglich, es gibt Steigungen bis zu 60 Prozent, Trümmerteile waren auf einer Fläche von 300 mal 400 Meter verstreut. Das einzige, was wir sahen, waren viele kleine Teile. Nur ein Leichnam war vollständig. Zusammen fanden wir mehr als 3.000 Körperteile.“

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Agostini spricht von einer mühsamen Arbeit. „Nach zwei Monaten hatten wir alle Informationen zusammen und konnten die Körperteile den einzelnen Passagieren zuordnen. Im Schnitt lagen in jedem Sarg rund 20 Körperteile.“

Doch nicht alle sterblichen Überreste konnten letztlich auch einer konkreten Person zugeordnet werden, sagte Agostini. „An einigen Körperteilen fanden wir einen Mix an DNA. Das waren die sterblichen Überreste von mehreren Passagieren, bei denen sich nicht mehr sagen ließ, das gehört zu diesem, das zu jenem Insassen. Diese Leichenteile haben wir so belassen und alle zusammen an der Unglücksstelle in einem Gemeinschaftsgrab bestattet.“

Agostini und seinem Team ist es gelungen, alle 150 Insassen zu identifizieren.

Gedenkstätte für die Angehörigen

Unterdessen sollen die Angehörigen der Flugzeug-Katastrophe eine Möglichkeit der Trauer in der Nähe der Absturzstelle bekommen. „Die Gedenkstätte soll etwa 300 Meter von der Absturzstelle entfernt errichtet werden“, sagte Bernard Bartolini, Bürgermeister der zuständigen Gemeinde Prads-Haute-Bléone. Über Zugang und Gestaltung des Gedenkortes ist laut Bartolini noch nicht entschieden.

„Bisher gibt es noch keine konkreten Vorstellungen“, sagte der Bürgermeister. Auch über den Zeitpunkt der Fertigstellung könne noch nichts gesagt werden.

Seit dem Absturz des Germanwings-Flugs 4U9525 am 24. März gibt es nur einen Gedenkstein in Le Vernet in den südostfranzösischen Alpen. Die kleine Gemeinde liegt einige Kilometer von der Stelle des Aufpralls entfernt. Das schwer zugängliche Gebiet des Absturzes ist von dort nicht sichtbar.

Vier Tonnen Kerosin an Bord

Auch wegen der laufenden Aufarbeitung der Erdschichten konnten Angehörige bisher nicht an die Unglücksstelle heran. Die Arbeiten laufen noch. Sie sollen laut Bartolini bis Ende September abgeschlossen sein. „Die oberste Erdschicht muss überall abgetragen werden“, sagte der Gemeindechef.

Der Airbus A320 habe zum Zeitpunkt der Katastrophe etwa vier Tonnen Kerosin an Bord gehabt. Hinzu kommen etwa 95 Liter Öl und Schmierstoffe. Bereits nach dem Unfall war aus der Unglücksregion kommendes Wasser wegen möglicher Verschmutzungen aufgestaut und überwacht worden. Die Germanwings-Mutter Lufthansa hatte Spezialfirmen mit den Arbeiten beauftragt.

Beim Absturz der Germanwings-Maschine kamen alle 150 Menschen an Bord ums Leben. Die Opfer stammten aus 18 verschiedenen Nation, die meisten kamen aus Deutschland. Die französischen Ermittler gehen nach Auswertung der Flugdaten davon aus, dass der Copilot den Airbus vorsätzlich zum Absturz brachte. (ccp mit dpa)

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