Umstrittener Einsatz als V-MannEx-Satudarah-Mitglied aus Dinslaken vor Gericht

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Kutte des umstrittenen Rockerclubs

Kutte des umstrittenen Rockerclubs

Düsseldorf – Es war Krieg, der vor einigen Jahren noch auf den Straßen von Duisburg herrschte. Rocker von Hells Angels und den verfeindeten Satudarah beschossen sich mit Maschinenpistolen, Handgranaten flogen, es gab Massenschlägereien. Die Revierkämpfe in den Jahren 2012 und 2013 wurden mit aller Härte geführt. Schließlich ging es darum, die Hoheit über einträgliche Geschäfte zu behaupten: Drogenhandel, Prostitution, Waffen. Mittendrin: Christian J., verurteilter Bankräuber, Fremdenlegionär, Kampfsportler.

Vergangenheit als V-Mann für die Polizei

An diesem Montag beginnt in Düsseldorf ein spektakulärer Prozess. Auf der Anklagebank sitzt eben jener Christian J., der damalige Waffenmeister der Duisburger Satudarah. Die Tatvorwürfe klingen auf den ersten Blick wenig aufregend: Einfuhr von Kokain und Marihuana in beträchtlichen Mengen und Schmuggel von zwei Maschinenpistolen vom Typ Skorpion 61. Viel interessanter ist der Hintergrund, den J. mitbringt: Er soll in besagter Zeit als V-Mann für die Polizei gearbeitet haben. Bis heute ist die genaue Rolle, die er damals für die Ermittler spielte, ungeklärt. Für das Verfahren gilt höchste Sicherheitsstufe.

Der Prozess wurde eigens aus Duisburg in den Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Düsseldorf verlagert, wo sich sonst vor allem mutmaßliche islamistische Terroristen zu verantworten haben. Der Aufwand ist zweifellos begründet. Es gibt einige ehemalige „Brüder“, die noch eine Rechnung mit J. offen haben.

Sprengstofferfahrung und kampferprobt

Das Leben von Christian J., der sich inzwischen in einem Zeugenschutzprogramm befindet, liest sich wie ein Action-Krimi. Im Jahr 2011 lernte der Schweißer aus Dinslaken über einen gemeinsamem Kumpel Ali Osman kennen. Osman war dabei, in Duisburg das erste deutsche Chapter der holländischen Satudarah zu etablieren und den Hells Angels den Kampf anzusagen. Da kam ihm J. gerade recht. Der heute 44-Jährige ist aufgrund seiner Militärvergangenheit kampferprobt und versteht sich im Umgang mit Sprengstoff. In seiner späteren Vernehmung bei der Ermittlungskommission „Sia“ hat J. ausgesagt, dass er beim Ankauf von Drogen und Waffen mitmachte und dass er mit Handgranaten hantierte. In seinem Garten hatte er ein Kilogramm Sprengstoff vergraben. Laut Polizei hätte der bei Zündung eine Reichweite von bis zu einem Kilometer haben können.

„Osman traute ihm von Anfang an nicht über den Weg“, sagt Udo Müller, der in seinem Buch „Der falsche Rocker – die unglaubliche Geschichte eines deutschen V-Mannes“ (erscheint an diesem Montag im Riva Verlag) die Machenschaften des deutschen Satudarah-Anführers und die Rolle von J. beleuchtet. Sogar ein Maulwurf bei der Polizei, der auf der Gehaltsliste von Osman gestanden haben soll, habe ihn vor einer „Ratte“ in den eigenen Reihen gewarnt. Osman sollte recht behalten.

Christian J. packt aus

J. soll den Ermittlern, die händeringend nach belastendem Material gegen den Rocker-Boss gesucht haben, wertvolle Informationen geliefert haben und packte beim Prozess gegen Osman umfassend aus. Der Duisburger sitzt seit 2014 eine sechseinhalbjährige Haftstrafe ab. Doch warum hat J. überhaupt mit den Behörden kooperiert? „Darüber kann man nur spekulieren“, sagt Autor Müller. „Möglicherweise hatten sie einiges gegen ihn in der Hand und sicherten ihm Strafmilderung zu.“

Unklar ist auch, ob J. für seine Dienste bezahlt wurde, wie er selbst mal behauptet hat und wie viel genau die Polizei von den Straftaten wusste, die J. in seiner Zeit als V-Mann begangen hat. Oder hat die Polizei ihn sogar dazu motiviert, etwa den Schmuggel der Maschinenpistolen aus Holland, der ¦J. selbst vor Gericht brachte, anzuleiern, um mehr gegen die Satudarah in der Hand zu haben?

„Im Prozess wird die Frage nach seiner V-Mann Tätigkeit sicher keine zentrale Rolle spielen“, sagt das Landgericht Duisburg, das das Verfahren führt. Es sei schließlich auch nicht Teil der Anklage. Buchautor Müller hält das für skandalös. „Wie schon bei der NPD und dem NSU zeigt dieser Fall, dass der Umgang mit V-Leuten in Deutschland schockierend ist“, sagt er. Hier würden Kriminelle auf Kriminelle angesetzt. „Es wird Zeit, dass über Standards für Vertrauenspersonen diskutiert wird.“

Nur drei Verhandlungstage sind angesetzt. Und der geständige Osman Ali, der sicher gerne einiges über J. erzählen würde, ist nach derzeitigem Stand nicht einmal als Zeuge vorgesehen.

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