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Vermerk von InterpolKölner Schriftsteller Dogan Akhanli in Granada festgenommen

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Der Kölner Schriftsteller Dogan Akhanli im Jahr 2013.

Köln/Granada – Der Kölner Schriftsteller Dogan Akhanli ist auf Betreiben der Türkei in Spanien festgenommen worden. Akhanlis deutscher Anwalt Ilias Uyar sagte dem „Stadt-Anzeiger“, bei der spanischen Polizei habe ein „Dringlichkeitsvermerk“ (Red Notice) der internationalen Polizeibehörde Interpol gegen seinen Mandanten vorgelegen. Dieser sei deshalb am Samstagmorgen gegen 8.30 im Urlaub in Granada von der spanischen Polizei in seinem dortigen Domizil festgenommen worden.

Grundlage ist ein Strafverfahren in der Türkei gegen Akhanli, das Kritiker für politisch motiviert halten. Die deutsche Botschaft in Madrid sei informiert, habe aber ebenso wenig Zugang zu Akhanli wie er selbst, sagte Uyar. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts teilte auf Anfrage mit, der Vorgang werde geprüft.

Der 60 Jahre alte Akhanli ist deutscher Staatsbürger türkischer Abstammung. Er lebt seit 1992 in Köln. In seiner Arbeit befasst er sich insbesondere mit dem Völkermord an den Armeniern in der heutigen Türkei vor 100 Jahren und setzt sich für das Gedenken und die Aufarbeitung des von der Türkei bis heute bestrittenen Genozids sein. Akhanli ist auch Mitglieder der internationalen Schriftstellervereinigung PEN.

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Autor saß mehrere Monate in türkischer Untersuchungshaft

2010 wurde Akhanli bei der Einreise in die Türkei verhaftet. Ihm wurde vorgeworfen, einen Raubmord begangen zu haben – zu einem Zeitpunkt, zu dem er nach Angaben seines Anwalts gar nicht im Land war. Der Autor saß mehrere Monate in türkischer Untersuchungshaft. Der anschließende Prozess endete mit einem Freispruch. Dieser wurde aber 2013 aufgehoben, so das Akhanli offenbar erneut auf eine türkische Fahndungsliste geriet. Er müsse nun damit rechnen, bis zur Entscheidung über eine Auslieferung an die Türkei in Spanien festgehalten zu werden, sagte Uyar.

Freilassung gefordert

Akhanlis Anwalt forderte die sofortige Freilassung seines Mandanten aus spanischem Gewahrsam. Das Vorgehen der Türkei sei „eindeutiger Rechtsmissbrauch“. Internationale Polizei- und Rechtsstandards würden vom Regime Erdogan in Ankara dazu genutzt, Oppositionelle und Regimekritiker unter Druck zu setzen und mundtot zu machen.

Die türkisch-stämmige Menschenrechtsaktivistin Lale Akgün zeigte sich entsetzt. Sie sei „fassungslos“, sagte die Kölner SPD-Politikerin dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Dogan Akhanli ist ausschließlich deutscher Staatsbürger. Wenn der Arm von Erdogans Schergen jetzt schon bis in die EU reicht, kann sich auch in Deutschland bald niemand mehr sicher sein, der sich kritisch über die Zustände in der Türkei äußert.“

Uyar sagte, Akhanlis Festnahme zeige den Versuch des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, „seine Macht über die Grenzen seines Landes hinaus auszudehnen und weltweit gegen unliebsame und kritische Stimmen vorzugehen“.

Überstellung nach Madrid für Sonntag geplant

Kölns Schauspielintendant Stefan Bachmann reagierte mit Entsetzen auf die Verhaftung. „Akhanli gehört zu meinem Ensemble. Er ist Teil einer laufenden Produktion. Wir müssen jetzt vor allem eins tun. Möglichst viel Öffentlichkeit herstellen, um auf den Fall aufmerksam zu machen.“ Akhanli hat zuletzt am Theaterstück „Istanbul“ des deutsch-armenischen Regisseurs Nuran David Calis mitgewirkt, das die Konflikte zwischen Erdogan-Anhängern und -Gegnern in der Türkei thematisiert. „Das Stück setzt sich sehr offen und völlig unpolemisch mit der Politik Erdogans auseinander“, sagte Bachmann dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Bachmann zeigte sich überrascht, dass die spanischen Behörden einem Haftbefehl gegen Akhanli aus der Türkei Folge leisteten. Nach seinen Informationen soll der Schriftsteller am Sonntag in die spanische Hauptstadt Madrid überstellt werden.

Deutscher Innenminister gefordert

„Der eigentliche Skandal an der Verhaftung von Dogan Akhanli ist, dass Interpol scheinbar ungeprüft Menschen verhaften lässt, die die Türkei international zur Fahndung ausgibt“, sagt der Kölner Publizist Günter Wallraff. „So wird einer internationale Polizeibehörde zum langen Arm Erdogans."

Gefordert sei jetzt der deutsche  Innenminister, meint Wallraff. „Thomas de Maizière zeigt sich oft als Politiker der harten Hand. Die sollte er jetzt auch gegenüber dem türkischen Staat beziehungsweise Interpol zeigen." Wallraff bezeichnet Akhanli als „einen der friedliebendsten Menschen, die ich kenne". Der Undercover-Journalist hatte sich schon 2010, als Akhanli bei der Einreise in die Türkei verhaftet worden war, für dessen Freilassung starkgemacht. Er gehe davon aus, dass Akhanli sehr bald frei komme, in Spanien sei „der Rechtsstaat zum Glück intakt, aber es kann immer Pannen geben."

In einer Pressemitteilung vom Samstag fordert zudem der deutsche Schriftstellerverband PEN (Poets, Essayists, Novelists) die sofortige Freilassung von Akhanli: „Wir protestieren gegen die Verhaftung unseres Mitglieds Dogan Akhanli auf Betreiben der Türkei und appellieren an die spanischen Behörden, sich nicht zum Handlanger Erdogans zu machen. Unser Kollege darf keinesfalls an die Türkei ausgeliefert werden, sondern muss umgehend freigelassen werden.“

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