Abo

Viertes TodesopferMädchen sucht Schutz vor Unwetter und wird von Zug erfasst

Lesezeit 5 Minuten
Braunsbach (1)

Ein Bild der Zerstörung: Autos sind in Braunsbach unter einer Schutthalde begraben.

  • Bei schweren Überschwemmungen in Baden-Württemberg sind vermutlich mindestens vier Menschen ums Leben gekommen, darunter ein Feuerwehrmann.
  • In Weißbach bei Heilbronn ertrank ein Mann in einer vollgelaufenen Tiefgarage.
  • Ein 13-jähriges Mädchen wurde unter einer Bahnbrücke von einem Zug erfasst.

Schwäbisch Gmünd – Bei schweren Unwettern und Überschwemmungen in Süddeutschland sind mindestens vier  Menschen ums Leben gekommen. Im baden-württembergischen Schwäbisch Gmünd konnten zwei Opfer noch nicht geborgen werden. Laut Polizei wurde am Sonntagabend ein Mann in einer Bahnunterführung durch Wassermassen in einen Kanalschacht gesogen. Beim Versuch, ihm zu helfen und ihn aus dem Schacht zu befreien, wurde auch ein Feuerwehrmann hineingesogen.

Beide Männer sind seither vermisst. „Nach menschlichem Ermessen sind beide tot“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Stuttgart am Vormittag über die Gmüder Opfer. Hundertprozentige Gewissheit habe man erst, wenn die beiden Leichen geborgen seien - dies sei bisher aber nicht möglich gewesen.

Zuvor hatte die Polizei den Tod eines 60-Jährigen in einer überfluteten Tiefgarage in Weißbach im Hohenlohekreis gemeldet.

Alles zum Thema Deutscher Wetterdienst

Am Montagmorgen wurde bekannt, dass ein 13-jähriges Mädchen von einem Zug erfasst wurde, als sie sich unter einer Bahnbrücke bei Schorndorf in Baden-Württemberg vor dem Regenin Sicherheit bringen wollte. Das Mädchen war am Sonntagabend zusammen mit einem Zwölfjährigen auf dem Heimweg und geriet wohl zu nah an die Gleise, wie die Polizei in Aalen am Montag mitteilte. Dem Jungen passierte nichts, er musste aber psychologisch betreut werden.

Das könnte Sie auch interessieren:

Das Lagezentrum in Stuttgart bildete einen Krisenstab und bestätigte ferner mehrere Verletzte. Auch in Bayern - in der Region Ansbach und Teilen des Landkreises Neustadt/Aisch - richteten Unwetter in der Nacht zum Montag massive Schäden an.

Reißende Fluten durch Braunsbach

Besonders betroffen von den Wassermassen war am Sonntagabend der kleine Ort Braunsbach im Norden Baden-Württembergs. Dort war nach heftigen Regenfällen ein Fluss über die Ufer getreten. Die reißenden Fluten strömten durch die 900-Einwohner-Gemeinde, wodurch ein Haus zerstört und mehrere erheblich beschädigt wurden. Rund 150 Kräfte von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk und Rotem Kreuz suchten einsturzgefährdete Häuser ab, um sie zu evakuieren. Tote oder ernsthaft Verletzte gab es nach ersten Erkenntnissen nicht.

Auf Videoclips und Fotos in sozialen Netzwerken war zu sehen, wie Autos vom Schlammwasser mitgerissen, übereinander getürmten und in Schaufenster von Geschäften geschleudert wurden. Bei einigen Häusern stand das Wasser augenscheinlich bis in Höhe der untersten Fenster. Der Ort im Kreis Schwäbisch-Hall, der rund zehn Kilometer von der gleichnamigen Kreisstadt entfernt liegt, wurde weiträumig abgesperrt und war für Journalisten am Montagmorgen nicht zugänglich.

„Es sieht düster aus, wirklich schlimm.“

„Auch andere Orte und umliegende Landkreise sind von dem Unwetter betroffen“, sagte ein Sprecher des Lagezentrums in Stuttgart. Als Schwerpunkte wurden die östlichen Teile Baden-Württembergs genannt - neben dem Hohenlohekreis unter anderem die Kreise Biberach, Heidenheim, Heilbronn, der Ostalbkreis, der Alb-Donau-Kreis, der Neckar-Odenwald-Kreis sowie die Stadt Ulm. Entspannung war zunächst nicht in Sicht. Ein Großaufgebot an Rettungskräften wurde mobilisiert. „Hier ist alles im Einsatz, was laufen kann“, sagte ein Polizeisprecher in Heilbronn. „Es sieht düster aus, wirklich schlimm.“

In der bayrischen Region Ansbach seien nach einem Gewittersturm auf der Frankenhöhe Straßen überflutet und Autos mitgerissen worden. Auch viele Keller in der Region liefen voll, wie ein Sprecher der Integrierten Rettungsleitstelle Ansbach am Morgen mitteilte. Menschen wurden nach vorläufigen Erkenntnissen nicht verletzt.

Besonders schwer betroffen waren den Angaben zufolge mehrere Ortsteile von Flachslanden nördlich von Ansbach. Dort seien mehrere Autos von den Fluten der über die Ufer getretenen Fränkischen Rezat mitgerissen worden und einige Häuser einsturzgefährdet. Einsatzkräfte und Feuerwehr versuchten, die Gebäude zu sichern, wie die Leitstelle mitteilte.

Während der nächtlichen Unwetter in Süddeutschland fielen gewaltige Regenmengen. Im bayerischen Hohenthann bei Landshut etwa gingen innerhalb einer Stunde 67 Liter pro Quadratmeter nieder, in Landshut 57 Liter und in der Region um Weilheim stellenweise 53 Liter, wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) mitteilte. Das entspreche grob den Mengen, die normalerweise binnen zwei Wochen gemessen würden. Auf der Wetterseite des Meteorologen Jörg Kachelmann war von stellenweise 50 bis 100 Litern die Rede, die in Süddeutschland innerhalb von nur ein bis zwei Stunden gefallen seien. Aus dem baden-württembergischen Laupheim sei ein 100-jähriges Hochwasser gemeldet worden.

Hunderte Notrufe in Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg verzeichneten die Behörden Hunderte Notrufe. Allein das Führungs- und Lagezentrum des Polizeipräsidiums Ulm meldete, dass es zwischen 16.15 Uhr und 21.00 Uhr 490 Notrufe gegeben habe. Viele Straßen und Ortsdurchfahrten seien gesperrt, sagte Polizeiführer Hagen Guderlei der Deutschen Presse-Agentur. Hunderte Bürger seien auf den Polizeinotruf 110 ausgewichen, weil unter dem Notruf 112 kein Durchkommen gewesen sei. Von verletzten oder vermissten Menschen war dort zunächst nichts bekannt.

Dutzende Keller seien vollgelaufen und müssten ausgepumpt werden, sagte Guderlei. Das Wasser stehe an einigen Stellen 1,70 Meter hoch. Besonders stark von Hochwasser betroffen sei der Kreis Biberach. Dort kam es laut Polizei auch zu einem Erdrutsch, der Bäume und Schlamm auf ein Firmengelände schwemmte.

„Der Sachschaden wird immens“, sagte Guderlei. Die Autobahn 7 im Kreis Heidenheim zwischen Giengen und Oberkochen sei wegen großer Hagelkörner, die bis zum Knöchel reichten, vier Stunden lang gesperrt gewesen. Die Autobahnmeisterei musste Schneepflüge einsetzen. In dem Landkreis war laut Polizei auch die Ortsdurchfahrt Steinheim am Albuch komplett unter Wasser.

Der Deutsche Wetterdienst verlängerte die Unwetterwarnung vor schweren Gewittern mit heftigem Starkregen und Sturmböen bis Montag, 7.00 Uhr. Besonders gefährdet seien demnach die Regierungsbezirke Karlsruhe, Stuttgart, Freiburg und Tübingen. Zu erwarten seien demnach um die 30 Liter pro Quadratmeter Regen pro Stunde sowie Sturmböen mit 70 Stundenkilometern. Es gebe zudem eine extreme Gefahr durch Blitzschlag und Überflutungen. (dpa)

Das könnte Sie auch interessieren:

KStA abonnieren