CETASigmar Gabriel kann SPD vom Freihandelsabkommen überzeugen

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SPD-Chef Sigmar Gabriel konnte seine Kollegen auf dem kleinen Parteitag in Wolfsburg vom Freihandelsabkommen Ceta überzeugen.

Wolfsburg – Die Demonstranten mit den Anti-Ceta-Plakaten draußen vor der Wolfsburger Kongresshalle sind längst abgezogen, als Sigmar Gabriel um kurz vor 18 Uhr vor die Kameras tritt. Der SPD-Chef wirkt ein bisschen erschöpft nach einem stundenlangen Sitzungsmarathon, aber irgendwie auch erleichtert und befreit.

Zwei Jahre lang hat seine Partei mit dem umstrittenen europäisch-kanadischen Handelsabkommen Ceta gerungen. Für den Wirtschaftsminister, der den Vertrag vehement unterstützt, stand die politische Zukunft auf dem Spiel. Nun hat ein kleiner Parteitag mit klarer Mehrheit den Weg frei gemacht für Gabriels Zustimmung im Handelsministerrat.

„Ich bin sehr froh, dass die SPD nicht in Rigorosität verfallen ist“, sagt Gabriel. Der Globalisierung dürfe man sich weder bedingungslos ergeben, noch versuchen, sich ihr durch Einmauern zu entziehen. „Das ist ein richtig guter Tag für die SPD, denn wir geben der Globalisierung Regeln“, greift der SPD-Vorsitzende tief in die Pathos-Kiste.

Ceta-Frage ist entschieden

Der heiße September verläuft für Gabriel wesentlich glimpflicher als erwartet. In Mecklenburg-Vorpommern holte der Ministerpräsident ein ordentliches Ergebnis. Das schlechte Abschneiden in Berlin haben sich die Hauptstadt-Genossen selbst zuzuschreiben. Immerhin bleibt der Regierende Bürgermeister im Amt. Und nun ist die Ceta-Frage entschieden – mit einer geschätzten Zweidrittelmehrheit, die angesichts der Anti-Ceta-Stimmung an der Basis nicht unbedingt zu erwarten war.

Gabriels parteiinterner Erfolg freilich hat viele Väter und Mütter. Der Parteichef selbst hat sich, zuletzt mit einer Blitzreise nach Kanada, stark engagiert. Mindestens so wichtig war die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland, die beim SPD-Konvent nach Teilnehmerangaben einen sehr engagierten Auftritt hinlegte. Die eigentliche Vorarbeit aber wurde am Wochenende in Hannover  geleistet. Dort setzten sich auf Bitten des Ministerpräsidenten Stephan Weil die Genossen Bernd Lange und Matthias Miersch zusammen.  Beide kommen aus Niedersachsen. Der eine ist Vorsitzender des Handelsausschusses im Europaparlament und Ceta-Befürworter, der andere ist Sprecher der Parlamentarischen Linken und Ceta-Skeptiker. Gemeinsam haben sie einen Antrag erarbeitet, der deutlich kritischer als der ursprüngliche Leitantrag des Parteivorstands formuliert ist.

Dieses zweiseitige Papier wird den Konvent beherrschen, und es spaltet die vorherige Ablehnungsfront der Parteilinken. Knackpunkt ist die Anwendung von Teilen des Abkommens bereits vor der endgültigen Zustimmung der nationalen  Parlamente. Dadurch, warnen Kritiker, könnten die demokratischen Institutionen umgangen werden. Die Vorlage fordert nun, dass vor einer Entscheidung des Europäischen Parlaments zu Ceta „in einem ausführlichen Anhörungsprozess mit den nationalen Parlamenten und der Zivilgesellschaft die kontrovers diskutierten Fragen erörtert und Lösungsansätze entwickelt werden“ müssen. Erst danach  dürfe der Vertrag auch vorläufig angewendet werden.

Reihe von Forderungen

Welche konkreten Folgen das hätte, können juristisch bewanderte Delegierte in Wolfsburg freilich nicht eindeutig beantworten. Klarer sind die inhaltlichen Nachbesserungswünsche, die rechtssicher vereinbart werden sollen. So soll es durch den Investorenschutz keine Bevorzugung ausländischer Investoren geben. Es dürfe kein Abweichen vom europäischen Vorsorgeprinzip geben. Sanktionen bei Verstößen gegen Umwelt- und Sozialnormen  werden gefordert. Schließlich sollen Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge von dem Abkommen ausgenommen werden.

Das sind eine Reihe von Forderungen. Über einige hat Gabriel schon bei seinem Treffen mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau beraten. Anschließend erklärten sich beide zu rechtsverbindlichen Klarstellungen bereit. Der SPD-Chef ist überzeugt: Fortschritte lassen sich angesichts der Haltung der übrigen 27 EU-Staaten nur erreichen, wenn Deutschland Ceta nicht grundsätzlich blockiert. Den Antrag der Jusos, die Zustimmung der SPD zu dem Abkommen auf weiteren Konvent zu vertagen, lehnen die Delegierten mit 133 zu 78 Stimmen relativ eindeutig ab.   

Damit ist klar: Gabriel kann dem Abkommen beim EU-Handelsministerrat zustimmen. „Ich glaube, dass sich Angela Merkel freuen wird“, scherzt er später. Noch bessere Laune aber hat der SPD-Chef selbst. Ob damit die Kanzler-Kandidatur entschieden sei, will eine Journalistin wissen. „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun“, antwortet er demonstrativ kühl. Da wird es Zeit für EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, ein bisschen mehr Stimmung in die Fragerunde zu bringen. „Ich habe einen Parteivorsitzenden erlebt, der den Parteikonvent gerockt hat“, sagt der Mann aus Würselen und schwärmt, Gabriel habe „nicht nur seinen Führungsanspruch, sondern auch seine Führungsfähigkeit unter Beweis gestellt.“

Ritterschlag für Gabriel

Mit Mühe unterdrückt der so Gelobte eine sichtbare Regung. Beim Heruntersteigen von der Bühne aber klopft Schulz Gabriel anerkennend auf die Schultern.

Es wirkt wie ein Ritterschlag.

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