Ebola-Epidemie im Kongo„Wir können nicht so tun, als ginge uns das alles nichts an“

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Ebola-Kongo

Kongolesen waschen sich in Beni, Nord-Kivu, mit chloriertem Wasser die Hände, um sich nicht mit dem Ebola-Erreger zu infizieren. 

Im Osten des Kongos sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO inzwischen mehr als 600 Menschen an dem lebensgefährlichen Ebola-Virus erkrankt. Davon seien 560 Fälle bestätigt, die weiteren 48 wahrscheinlich, teilte die WHO am Freitag in Genf mit. Betroffen sind vor allem die Provinzen Nord-Kivu und Ituri. 365 Menschen seien seit dem Ausbruch im August gestorben, darunter auch 18 Helfer.   

Der Ausbruch gilt als der zweitschwerste nach der folgenschweren Ebola-Epidemie der Jahre 2014/2015. Damals kamen vor allem in den drei westafrikanischen Ländern Sierra Leone, Guinea und Liberia mehr als 11.300 Menschen ums Leben.

Im Osten des Kongo trifft der lebensgefährliche Erreger eine Bevölkerung in Not. Übergriffe durch bewaffnete Milizen hindern die Landbevölkerung daran, ihre Äcker zu bestellen.

Auch nach den Präsidentschaftswahlen am 30. Dezember bleibt die Lage angespannt. Zumal die Wahl in den von Ebola betroffenen Gebieten nun sogar auf März verschoben wurde. Das führte zu erneuten Unruhen und Ende Dezember sogar zu einem Angriff von Demonstranten auf ein Ebola-Behandlungszentrum in Beni, der Provinzhauptstadt in Nord-Kivu. Das Behandlungszentrum wurde dabei teilweise zerstört.

Nach der Wahl sperrte die Regierung unter Präsident Joseph Kabila das Internet. Der Ausgang der Wahl ist weiter offen. 

Frau Steglich, Sie waren in der von Ebola betroffenen Region ... Ich war in Bunia in der Provinz Nord-Kivu und habe von dort aus ein Projekt von uns am Albertsee besucht. Wir bereiten dort in der Stadt Kasenyi Wasser für interne kongolesische Flüchtlinge auf. In dem Städtchen gibt es einige Ebola-Fälle.

Wie schützen Sie sich, wie die Mitarbeiter der Welthungerhilfe vor Ansteckung mit Ebola?

Unsere Teams haben genaue Anweisungen, um sich zu schützen. Es geht zum Beispiel darum, mit niemand Körperkontakt zu haben, also sich auch nicht die Hände zu schütteln zur Begrüßung. Außerdem haben die Teams ständig Desinfektionsmittel dabei.

Wer kümmert sich um die Erkrankten?

Die Krankheit an sich ist im Kongo bekannt. Es hat in den vergangenen Jahren immer wieder mal einzelne Fälle gegeben. Daher ist das kongolesische Gesundheitswesen grundsätzlich relativ gut auf Ebola vorbereitet. Außer den kongolesischen Medizinern und Krankenschwestern gibt es natürlich auch ausländische Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen und die Weltgesundheitsorganisation WHO, die vor allem logistisch hilft. Allerdings ist Ebola in dieser Region des riesigen Staats neu. Die Menschen dort kannten die Krankheit hier bisher nicht. Darüber hinaus ist die gesamte Region durch die Aktivitäten verschiedener bewaffneter Milizen extrem unsicher. Das erschwert die effektive Versorgung von Erkrankten.

Aber dort sind doch auch die kongolesische Armee und außerdem UN-Blauhelme der Monusco-Mission?

Die ständigen Übergriffe Bewaffneter auf die Bevölkerung, auch von Seiten regulärer kongolesicher Soldaten, haben dazu geführt, dass die Menschen gegenüber staatlichen Vertretern misstrauisch sind. Sie sind nicht geneigt, Ratschläge Offizieller im Zusammenhang mit Ebola anzunehmen, weil sie fürchten, dass wie so oft irgendetwas anderes dahintersteckt. Monusco vertrauen die Kongolesen nicht, weil sich die UN-Soldaten nicht durchsetzen gegenüber den Milizen.

Dieses Misstrauen gegenüber Offiziellen überträgt sich leider auch auf ausländische Helfer. Neulich sind Fahrzeuge von Ärzte ohne Grenzen und von Unicef mit Steinen beworfen worden. Das alles macht die Bekämpfung von Ebola in der Region nicht leichter.

„Was wäre wohl los, wenn sich nur ein US-Amerikaner infiziert hätte?“

Haben Sie den Eindruck, dass der Ebola-Ausbruch im Osten des Kongo außerhalb Afrikas genügend Ernst genommen wird?

Nein. Aber das gilt auch für andere Ereignisse im Kongo. Neben den Ebola-Toten hat es im Nord-Kivu mindestens ebenso viele Tote durch die Gewalt der Milizen gegeben. Die Morde der ADF (ursprünglich ugandische Rebellenorganisation, die jetzt im Kongo operiert, Red.) und die Übergriffe anderer Milizen werden international kaum aufgegriffen. Wissen Sie, nach einem ADF-Angriff auf Beni Mitte September mit 16 toten und fünf verletzten Kongolesen hat die kongolesischen Jugendorganisation La Lucha auf Twitter geschrieben, man solle sich mal vorstellen, was in der Welt los wäre, wenn statt 21 Kongolesen, 21 Gorillas oder 21 Okapis Opfer von Gewalt geworden wären. Oder was los wäre, wenn auch nur ein US-Amerikaner sich im Kongo mit Ebola infiziert hätte. Das stimmt leider.

Der kongolesische Gynäkologe und Menschenrechtler Denis Mukwege hat den Friedensnobelpreis erhalten, weil er sich seit vielen Jahren im Osten des Kongo für vergewaltigte Frauen einsetzt. Hat dies das Bewusstsein der Welt für die Situation im Kongo nicht geschärft?

Dass Mukwege den Preis bekommen hat, hilft sicher. Es ist doch so: Einige der Rohstoffe, die hier zum großen Teil illegal und unter entsetzlichen Arbeitsbedingungen aus dem Boden geholt werden, sind für die Computerindustrie unverzichtbar. Jeder, der ein Handy in der Hand hat, ein Laptop bedient oder darüber nachdenkt, ein Elektroauto zu kaufen, sollte sich mit der Situation dieser Region auseinandersetzen. Man kann nicht so tun, als ginge das einen alles nichts an, nur weil es weit weg ist.

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