Abo

GastbeitragAngela Merkel muss Erdogans Auftritt in NRW verhindern

Lesezeit 3 Minuten
Recep Tayyip Erdogan 2014 in Köln

Recep Tayyip Erdogan 2014 in Köln

Nach dem Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim in der Oberhausener Arena will nun auch Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan seine Ankündigung vom Wochenende wahr machen und im März nach Nordrhein-Westfalen kommen, um bei seinen hier lebenden Landsleuten für die Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei zu werben.

Die Landesregierung würde das gern verhindern. Integrationsminister Rainer Schmeltzer (SPD) hat im „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf die Gefahr verwiesen, dass derartige Auftritte einen Keil in unsere Gesellschaft treiben. Schmeltzer nannte es „geradezu skurril“, dass es auf türkischer Seite offenbar keine Skrupel gebe, „von unserer Demokratie und den Freiheitsrechten in Deutschland zu profitieren, während die türkische Regierung im eigenen Land Oppositionelle und Regierungskritiker hinter Gitter bringt“.

Yildirim ist nicht als Privatmann gekommen

Quer durch die Bevölkerung und alle Parteien trifft Schmeltzers Kritik auf Zustimmung. Umso mehr drängt sich die Frage auf, warum den Auftritten hochrangiger Repräsentanten des türkischen Staates in Deutschland kein Riegel vorgeschoben wird. Schmeltzer antwortete darauf mit dem Hinweis, im Fall Yildirims sei der türkische Premier in einer „privaten“ Veranstaltung aufgetreten. Die Regierung in Ankara sei zwar Mitorganisatorin gewesen, Anmelderin dagegen die der Regierungspartei AKP nahestehende Union Türkisch-Europäischer Demokraten (UETD). Für deren Aktion gelte die grundrechtlich verbriefte Versammlungsfreiheit.

Alles zum Thema Angela Merkel

Dem widerspreche ich. Die Annahme, Yildirim sei als „Privatmann“ Teil einer „privaten“ Veranstaltung gewesen, ist absurd. Die Rede Yildirims vor großem Publikum verliert ihre Prägung und Bedeutung als Auftritt des türkischen Regierungschefs nicht dadurch, dass der Rahmen nicht von der Regierung, sondern nur von einer regierungsnahen Organisation gesetzt und als privat deklariert wurde. Die Zuhörer in Oberhausen folgten nicht der Rede eines gewissen Herrn Yildirim, sondern der des türkischen Ministerpräsidenten. So wurde Yildirim angekündigt, so wurde er wahrgenommen.

Versammlung darf nicht missbraucht werden

Verfehlt ist im Ergebnis auch der Hinweis auf das Versammlungsrecht. Dieses steht zwar über den Wortlaut des Grundgesetzes (Artikel 8) hinaus nicht nur allen Deutschen, sondern auch Menschen mit fremder Staatsangehörigkeit zu. Diese können sich insoweit auf die grundgesetzlich garantierte allgemeine Handlungsfreiheit und die in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgte Versammlungsfreiheit berufen.

Der Veranstalter einer Versammlung hat auch grundsätzlich das Recht, selbst zu bestimmen, wer dort als Redner auftreten soll. Dieses Selbstbestimmungsrecht bietet jedoch keine Grundlage dafür, ausländischen Staatsoberhäuptern oder Regierungsmitgliedern ein Forum zu eröffnen, um sich im Bundesgebiet in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger zu politischen Fragen in ihrer Heimat zu äußern. Für derartige Auftritte ist das Versammlungsrecht nicht konzipiert. Das hat das Oberverwaltungsgericht Münster im Juli 2016 – vom Bundesverfassungsgericht bestätigt – zutreffend entschieden.

Die Wahrnehmung des Versammlungsrechts ist ein Zeichen der Freiheit, Unabhängigkeit und Mündigkeit des selbstbewussten Bürgers gegenüber dem Staat. Das Versammlungsrecht ist mit anderen Worten – wie alle Grundrechte – in erster Linie ein Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat. Mit der Ausübung eines solchen Freiheits- und Abwehrrechts haben Wahlkampfauftritte ausländischer Politiker, die auf deutschem Boden für die Durchsetzung politischer Ziele in ihrer Heimat werben, nichts zu tun.

Merkel darf nicht länger ausweichen

Über die Zulässigkeit derartiger Auftritte hat deshalb nicht die Versammlungsbehörde zu entscheiden, sondern der für die Pflege zwischenstaatlicher Beziehungen zuständige Bund, konkret die von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geführte Bundesregierung. Dabei spielt es keine Rolle, ob die ausländischen Politiker unter freiem Himmel oder – wie im Fall Yildirim – in einer Halle auftreten. Beide Male geht es nicht um eine versammlungsrechtliche, sondern um eine politische Bewertung.

Mit Blick auf die Deutschland-Reise von Staatschef Erdogan ist darum jetzt die Bundeskanzlerin in der Pflicht. Sie darf nicht länger aus Rücksicht auf den Flüchtlingsdeal mit der Türkei ausweichen. Es fällt in Merkels Zuständigkeit und nicht in die versammlungsrechtliche Zuständigkeit der Länder, einen Auftritt Erdogans in Deutschland durch unmissverständliche Verbalnoten an die Adresse der türkischen Staatsführung zu unterbinden.

KStA abonnieren