Haftbefehle gegen Minister des Franco-Regimes in SpanienDie letzte Chance

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Angehörige von Franco-Opfern im Mai beim Protest am Gericht in Madrid

Angehörige von Franco-Opfern im Mai beim Protest am Gericht in Madrid

Madrid – Der Ausdruck ist nur ungenau zu übersetzen. Er sei „un hombre de orden”, sagte Rodolfo Martín Villa in einem Radiointerview am Donnerstag. Was in etwa heißt: ein Mann der Ordnung. Die Selbstbeschreibung des heute 80-Jährigen ist ziemlich treffend.

Villa ist des fünffachen Mordes verdächtig

Martín Villa hat sich in seinem langen Leben jeder herrschenden Ordnung angepasst: erst dem Franco-Regime, dann der Demokratie. Als Funktionär franquistischer Gewerkschaften, als Minister, als Präsident des Energiekonzerns Endesa. Jetzt will ihm eine argentinische Richterin den Prozess machen, wegen fünffachen Mordes. Und Martín Villa, „un hombre de orden“, will aussagen. Um klarzustellen, „dass ich kein Delikt begangen habe“.

Rodolfo Martín Villa ist der bekannteste unter den 20 Namen auf einer Liste der Richterin María Servini aus Buenos Aires, die seit vier Jahren die Verbrechen der spanischen Franco-Diktatur (1936–1975) untersucht. Die 20 sind Namen von Männern, die nach Servinis Ermittlungen an Verbrechen in der Spätphase des Franquismus und in den ersten Jahren des Übergangs zur Demokratie – der sogenannten Transición – beteiligt waren.

Per internationalem Haftbefehl gesucht

Seit dieser Woche werden die Männer mit internationalem Hartbefehl gesucht, damit sie in Argentinien vor Gericht gestellt werden können. Einer der 20 ist vor kurzem gestorben. Doch auch die anderen 19 werden sich wohl einem Verfahren im fernen Buenos Aires entziehen können. Denn Spanien stellt sich quer.

Der spanische Justizminister Rafael Catalá, der zu dem Thema auch hätte vorsichtig schweigen können, sagte am Mittwoch, er gehe davon aus, dass die Auslieferungsbegehren gegen die 19 abgelehnt würden. Die möglichen Straftaten seien verjährt und ihre Verfolgung aufgrund des Amnestiegesetzes von 1977 unmöglich. Wahrscheinlich schätzt der Minister die Lage ganz korrekt ein. Spaniens Nationaler Gerichtshof, der in der Sache zu entscheiden hat, verweigerte bereits im September letzten Jahres die Auslieferung zweier mutmaßlicher Folterer, José Antonio González Pacheco, alias Billy the Kid, und Jesús Muñecas, aus den selben Gründen, die der Justizminister am Mittwoch benannte.

Amnestie verhindert Aufklärung

Das Amnestiegesetz von 1977, das alle politisch motivierten Delikte bis zu jenem Moment straffrei stellte, ist die Mauer, an der sich alle die Köpfe einrennen, die in Spanien eine juristische Aufarbeitung der Franco-Zeit betreiben. Weil sie in ihrem Heimatland keine Fortschritte erzielten, reichte eine Gruppe von Opferverbänden und Einzelpersonen vor vier Jahren Klage in Buenos Aires ein. Die Richterin Servini nahm die Klage an: Die angezeigten Straftaten stellten Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar, weil sie Teil einer systematischen Verfolgung politischer Gegner gewesen seien. Solche Verbrechen könnten unter keine Amnestie fallen und müssten nach dem Weltrechtsprinzip überall verfolgt werden.

Das Vorbild für das argentinische Verfahren lieferte ausgerechnet ein spanischer Richter, Baltasar Garzón, dessen Ermittlungen 1998 zur Festnahme des chilenischen Exdiktators Augusto Pinochet in London führten. Als er zehn Jahre später wagte, auch die Verbrechen der Franco-Zeit im eigenen Land zu untersuchen, brachte ihm das ein Rechtsbeugungsverfahren ein. In einem Radiointerview zeigte sich Garzón wenig optimistisch, dass seine argentinische Kollegin Servini mehr Erfolg haben werde als er, auch wenn er ebenso wie sie davon überzeugt ist, dass jene Verbrechen „nicht amnestierbar“ seien.

Rodolfo Martín Villa will sich nach eigenen Worten nicht hinter dem Amnestiegesetz von 1977 „verschanzen“. Richterin Servini macht ihn für den Tod von fünf Arbeitern während einer Versammlung in Vitoria am 3. März 1976, wenige Monate nach dem Tod Francos, verantwortlich. Martín Villa war damals Minister für Gewerkschaftsbeziehungen und soll hinter dem mörderischen Polizeieinsatz gegen die baskischen Arbeiter gestanden haben. Er bestreitet das. Als „hombre de orden“ will er sich gerne vernehmen lassen. Ins Gefängnis möchte er auf seine alten Tage aber nicht mehr eingewiesen werden.

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