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InterviewHenkel war EU-Abgeordneter für die AfD – nun rechnet er mit der Partei ab

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Hans-Olaf Henkel 2014 auf dem Landesparteitag in Hamburg.

Hans-Olaf Henkel 2014 auf dem Landesparteitag in Hamburg.

Herr Henkel, die AfD-Vorsitzende Frauke Petry sagt, sie wolle ihre Partei auf einen realpolitischen Kurs festlegen. Glauben Sie Petry, dass es ihr ehrlich um Abgrenzung nach rechts geht?

Nein, nicht im Mindesten. Frau Petry sucht auf offener Bühne den Schulterschluss mit rechtsradikalen und rechtspopulistischen Parteien in Europa, von Marine Le Pens Front National bis zur Partei von Geert Wilders in den Niederlanden – und innerparteilich mimt sie nun die Liberale. Es geht hier nicht um eine Richtungsentscheidung. Die ist schon 2015 auf dem AfD-Parteitag in Essen gefallen. Heute gibt es keinen programmatischen Unterschied zwischen Frauke Petry und Alexander Gauland oder Björn Höcke mehr. Bei dem, was gerade in der AfD passiert, geht es nur um persönliche Machtfragen.

Was macht Sie da so sicher?

Als Frauke Petry den AfD-Gründer Bernd Lucke im Jahr 2015 auf dem Essener Parteitag als Vorsitzenden aus dem Amt drängte, hat sie offen mit Gauland und Höcke paktiert. Petry selbst stellte sich als Kopf des Rechtsaußenflügels der Partei dar. Ich bin damals noch am selben Tag aus der AfD ausgetreten – und mit mir in den kommenden Wochen Tausende weitere anständige und vernünftige Parteimitglieder. Mit vielen haben wir die LKR gegründet, die Partei Liberal-Konservativer Reformer.

Sie kennen viele handelnde Personen aus der AfD-Spitze aus Ihrer eigenen Zeit in der Partei persönlich. Was treibt diese Menschen an?

Viele, die jetzt nach vorn drängen, sind auch aus finanziellen Gründen abhängig von einem Mandat. Diese Partei hat eine hohe Zahl von unappetitlichen Personen und gescheiterten Existenzen angezogen, denen es nicht in erster Linie um die Politik geht, sondern um eine neue finanzielle Zukunft. Bei Gauland und Höcke kann man wenigstens sagen, wofür sie stehen. Mein Eindruck ist, Petry und Pretzell stehen nur für sich selbst und wollen zu allererst beim Parteivolk ankommen, um sich eine durch den Steuerzahler finanzierte Existenz zu sichern.

Der Bundesvorstand hält in seinem Ausschlussantrag dem thüringischen AfD-Chef Björn Höcke eine „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ vor. Wird die AfD ihn am Ende wirklich ausschließen?

Nein, das wird mit Sicherheit nicht passieren. Als in Essen Bernd Lucke als Parteichef abgewählt wurde, ist auch ein neues Bundesschiedsgericht gewählt worden – und dieses ist von Rechtspopulisten durchsetzt. Es gibt keine Chance, dass Höcke ausgeschlossen wird. Warum auch? Er vertritt mit seinen Ansichten durchaus die Mehrheit der AfD-Mitglieder. In der AfD ist dieser Mann alles andere als ein schräger Vogel.

„Die ich rief, die Geister, werd’ ich nun nicht los“, heißt es in Goethes Zauberlehrling. Passiert Petry in der AfD nicht genau das, was auch Bernd Lucke passiert ist?

Das stimmt nicht. Bernd Lucke ist ein Liberaler – und Petry hat die Partei damals nach rechts gerückt, um an die Macht zu kommen. Aktuell geht es also nicht um den Kurs, sondern allein darum, wer die Partei anführt. Das ist ein Riesenunterschied. Dennoch heißt das nicht, dass wir, ich eingeschlossen, damals keine Fehler gemacht hätten.

Nämlich?

Ich habe zu spät gemerkt, dass die Partei unterwandert wurde. Als wir es dann merkten, haben wir zu spät reagiert. Nach wie vor spüre ich eine große Verantwortung dafür, dieses mit meiner Hilfe geschaffene Monster einigermaßen unter Kontrolle zu halten.

Engagieren Sie sich deshalb noch immer mit Lucke in der neuen Partei Liberal-Konservative Reformer, die allerdings wenig Resonanz findet?

Ja, es ist wichtig, den Wählern eine Alternative für Anständige und Vernünftige anzubieten. Fünf von sieben früheren Europaabgeordneten der AfD machen in der LKR mit. Dass wir in Deutschland eine Alternative zum Linksruck der CDU auf der einen und dem dramatischen Rechtsruck der AfD auf der anderen Seite brauchen, davon bin ich überzeugt. Würde die CSU im ganzen Bundesgebiet antreten, hätte sie zweistellige Ergebnisse. Die CSU tritt aber nicht bundesweit an. Die LKR schon. Nur wird sie von der Presse und von den TV-Sendern noch ignoriert. Das wollen wir ändern.

Laut WDR, NDR und „Süddeutsche Zeitung“ hat die LKR in Baden-Württemberg in mehreren Wahlkreisen gezielt kostenlose Schnuppermitgliedschaften vergeben, um dann hinterher Wahlkreiskandidaten aufstellen zu können. Mit exakt einem Prozent der Stimmen hat sich die LKR dann Anspruch auf Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung gesichert. Was sagen Sie zu solchem Gebaren?

Die Behauptung, es handele sich hier um „vorübergehende Mitgliedschaften“, ist ein klassischer Fall von Fake-News. Richtig ist, dass es in meiner Partei stets nur die im Parteiengesetz vorgesehene zeitlich unbefristete Form der Mitgliedschaft gab und gibt. Auch bei uns waren „Schnuppermitglieder“ Parteimitglieder, denen im Zuge einer Mitgliederwerbeaktion vom Landesverband Baden-Württemberg für die ersten zwei Monate der Mitgliedschaft der Mitgliedsbeitrag erlassen wurde. Es steht jeder Partei frei, derartige Beschlüsse zu fassen. Ich hätte nichts dagegen, das Parteiengesetz entsprechend zu ändern, dann müsste das aber für alle Parteien gelten.

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