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Interview zu Bertelsmann-StudieExperte: „Schließen der Kliniken alleine hilft nicht“

Lesezeit 2 Minuten
Das St. Katharinenhospital in Frechen könnte bleiben.

Das St. Katharinenhospital in Frechen könnte bleiben.

  • Boris Augurzky wurde als Experte für die Bertelsmann-Studie zur Neuordnung der Krankenhaus-Landschaft konsultiert.
  • Die Vorschläge der Studie, stoßen bei Ärzten und Kliniken in der Region auf wenig Gegenliebe.
  • „Die Kapazitäten müssen an anderer Stelle zumindest teilweise neu aufgebaut werden“, sagt der Experte.

Herr Augurzky, hat Sie die Kritik an der Untersuchung überrascht? Boris Augurzky: Nein. Überhaupt nicht. Immerhin würde es um die Schließung von 800 Krankenhäusern gehen – mehr als jedes zweite Haus.

Eine häufige Kritik war, dass die Menschen auf dem Land vernachlässigt würden. Ist das so?

Man hat bei der Studie schon geschaut, dass es für die Bevölkerung auf dem Land ein Krankenhaus in erreichbarer Nähe gibt. Allerdings könnten solche Krankenhäuser in manchen Fällen zu klein ausfallen, um die Grundversorgung mit hoher Qualität anbieten zu können.

Deshalb müssen für die ländliche Versorgung auch das Rettungswesen, die ambulante Versorgung und technologische Innovationen in die Betrachtung einfließen. Mindestens für die ländliche Versorgung brauchen wir eine sektorenübergreifende Versorgung – idealerweise aber auch für die Ballungsgebiete.

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Was spricht für die Krankenhaus-Schließungen?

Viele Faktoren. Im Laufe der kommenden 20er Jahre werden allmählich die Ressourcen zur Finanzierung unserer recht dezentralen Krankenhausstruktur knapp, weil wir schrittweise die großen Kohorten der Babyboomer als Beitragszahler für die Sozialversicherungen verlieren …

…wobei das eher keine Rolle spielt, solange die Wirtschaft weiter wächst...

Noch gravierender ist der Mangel an Nachwuchs, weil immer weniger Menschen in den Arbeitsmarkt eintreten, während gleichzeitig immer mehr als Rentner den Arbeitsmarkt verlassen. Hinzu kommen Entwicklungen in der Medizin, besonders die zunehmende Spezialisierung und Ambulantisierung.

Je stärker sich die Medizin spezialisiert, desto mehr lässt sie sich vollumfänglich nur noch in größeren Zentren abdecken. Und je mehr ambulant erbracht wird, desto weniger stationäre Kapazitäten brauchen wir.

Die Zahl der Krankenhäuser schrumpft ohnehin seit Jahren. Warum sollte die Politik in diesen Prozess steuernd eingreifen?

Allein Kliniken schließen hilft nicht. Die Kapazitäten müssen an anderer Stelle zumindest teilweise neu aufgebaut werden. Zentralkliniken müssen völlig neu gebaut oder bestehende Kliniken deutlich erweitert werden. Dies verschlingt eine Menge Investitionsmittel.

Dänemark veranschlagt für den Umbau seiner Krankenhauslandschaft sechs Milliarden Euro. Bezogen auf die deutsche Bevölkerungszahl wären dies 80 Milliarden Euro.

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