Kanzlerin im InterviewAngela Merkel stellt sich beim Doppelpass gegen ihre Partei

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Angela Merkel in ihrem Büro im Kanzleramt in Berlin.

Angela Merkel in ihrem Büro im Kanzleramt in Berlin.

Köln/Berlin – Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat für ihre Partei eine Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft vor der Bundestagswahl im September ausgeschlossen und sich damit gegen Teile ihrer Partei gestellt. „Eine Wahlkampfkampagne wie 1999 wird der Doppelpass nicht werden“, sagte Merkel in einem Interview mit dieser Zeitung (Mittwochausgabe).

Gegen die Linie der Parteispitze hatte der CDU-Parteitag im Dezember dafür votiert, das Staatsbürgerschaftsrecht zu verändern. Merkels Absage an diesen Beschluss rief in der Partei Empörung hervor. Ihre Position habe sich auch nach dem Verfassungsreferendum in der Türkei nicht verändert, bei dem viele Deutschtürken für die Einführung eines autoritären Präsidialsystems gestimmt hatten. „Ich sehe keinen direkten Zusammenhang mit dem Ausgang des Referendums. Mir geht es um gute Integration in Deutschland, die Staatsangehörigkeit ist dabei nicht der zentrale Aspekt.“

Merkel lehnte auch ein Islamgesetz ab, für das sich ihre Stellvertreterin im Parteivorsitz, Julia Klöckner, starkmacht. „Ich halte nichts von einem Gesetz für eine bestimmte Religionsgemeinschaft.“ Die Islamkonferenz des Innenministers sei „ein gutes Forum, um zusammen mit den islamischen Verbänden für eine bessere Integration von Muslimen zu arbeiten“.

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Deutlich grenzte Merkel ihre CDU von der AfD ab. „Das Programm der AfD ist wirklich weit weg von allem, wofür wir uns einsetzen. Im Mittelpunkt unserer Politik stehen nicht Vorurteile und Ressentiments, sondern die Würde jedes einzelnen Menschen.“ Es habe ihr gefallen, dass während des AfD-Parteitags in Köln viele Menschen durch friedliche Demonstrationen gezeigt hätten, „dass sie mit den Zielen nichts gemeinsam haben“.

Scharfe Kritik übte die CDU-Chefin an der Arbeit der rot-grünen Landesregierung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Deren Bilanz sei „überaus enttäuschend“ und „keine Empfehlung für die Zukunft“, so Merkel wenige Tage vor der Landtagswahl am 14. Mai. Mit CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet und der CDU könne „in NRW viel mehr erreicht werden“, so Merkel weiter.

Besonders dem Landesinnenminister, Ralf Jäger (SPD), warf die Kanzlerin „schwere Versäumnisse“ im Bereich innere Sicherheit vor und verwies unter anderem auf die Kölner Silvesternacht 2015, aber auch auf die überproportional hohe Zahl von Wohnungseinbrüchen in NRW.

Vor der entscheidenden Runde der französischen Präsidentschaftswahl am Sonntag sprach sich Merkel klar für den unabhängigen Kandidaten Emmanuel Macron aus. Auch wenn sie sich nicht in die Entscheidung der französischen Wähler einmischen wolle, würde sie sich über einen Sieg Macrons gegen die Kandidatin des rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, freuen, weil Macron „für eine konsequent proeuropäische Politik steht“, so Merkel.

Sein Erfolg „wäre ein positives Signal für die politische Mitte, die wir ja auch hier in Deutschland stark halten wollen.“ Zudem sei Macron ein entschiedener Pro-Europäer und sein sehr pro-europäisch angelegter Wahlkampf „ein Signal in Richtung guter deutsch-französischer Beziehungen“.

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