KommentarTürkische Politiker sind unerwünscht – Regierung muss handeln

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minister oberhausen

Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim bei einer Wahlkampfveranstaltung in Oberhausen.

Auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik, wo die Bundeswehr mit Flugabwehrgeschützen zur Sicherheit des Nato-Partners Türkei beiträgt, waren deutsche Parlamentarier und sogar Verteidigungs-Staatssekretär Ralf Brauksiepe zeitweilig nicht erwünscht. Weil dem Regime in Ankara eine Resolution des Bundestags zum Völkermord an den Armeniern vor mehr als 100 Jahren nicht passte.

Heute, im Jahr 2017, verletzt eben jenes Regime demokratische Grundregeln. Es missachtet die Presse- und Meinungsfreiheit. Es stellt alles unter Terrorverdacht, was noch irgendwie nach Opposition aussieht oder klingt. Aber dessen ungeachtet, dürfen türkische Regierungsmitglieder deutsches Staatsgebiet als extraterritoriale Kampfbahn für den Umbau ihres Landes in eine Diktatur nutzen.

Und während Berlin sich krampfhaft um diplomatische Contenance müht, treibt Ankara das Katz-und-Maus-Spiel mit dem deutschen Staat und seinen Institutionen ungerührt weiter. Staatschef Recep Tayyip Erdogan ist sich seiner Sache offenbar sehr sicher. Bekümmert sprechen Angela Merkel und Sigmar Gabriel von Belastungen des deutsch-türkischen Verhältnisses, zuletzt durch die Verhaftung des Journalisten Deniz Yücel. Derweil setzt Ankara immer noch eins drauf.

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Türkische Politiker drängen in großer Zahl nach Deutschland

Mitglieder der türkischen Regierung drängen derzeit in so großer Zahl und so dichtem Takt nach Deutschland, dass sie hier bald Kabinettssitzungen abhalten können. Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci wollte am Sonntag gleich zweimal auftreten, in Köln-Porz und in Leverkusen. Zeybekci ist ein Mann, der die Putschisten vom Sommer 2016 „wie Kanalratten krepieren“ sah.

Solch ein politischer Feingeist soll seine Hass-Rhetorik auch bei uns unters Volk bringen dürfen? Und die Organisatoren solcher Auftritte sollen mit ihren Täuschungsmanövern durchkommen, wenn sie – wie in Porz und Leverkusen – als „Frauentheater“ oder „Liederabend“ ausgeben, was in Wahrheit Agitprop auf Türkisch ist?

Als Grund für die Unbekümmertheit der Herren in Ankara gerät schnell das EU-Türkei-Abkommen in den Blick. Hat sich die Kanzlerin tatsächlich in Erdogans Hand begeben, als sie ihn zum obersten Wachmann an der Südost-Außengrenze der Europäischen Union und damit zugleich zum Rettungssanitäter ihrer Flüchtlingspolitik befördert hat? Die Herleitung liegt nahe, verkennt aber ein Geflecht nicht zuletzt finanzieller Abhängigkeiten, von dem auch die Türkei profitiert.

Tatsächlich rührt das aktuelle Gefälle zwischen türkischer Hemmungslosigkeit und deutschem Eiertanz ans Grundsätzliche: Während in der Türkei Demokratie und Rechtsstaat vor die Hunde gehen, will und muss Deutschland sie wahren, verteidigen und deshalb die bürgerlichen Freiheiten – bis an die Grenze des Erträglichen – auch ihren Verächtern gewähren.

Gaggenau verbietet Auftritt von türkischem Justizminister

In Gaggenau, wo der türkische Justizminister schon am Donnerstag seine Bühne bekommen sollte, hat die Verwaltung nun zu einem Verfahrenskniff Zuflucht genommen, um den Auftritt zu verhindern. Die vorgesehene Halle sei für den Besucheransturm nicht ausgelegt. In Köln begründete die Stadt ihre Absage mit der „Umwidmung“ der zunächst angemeldeten Kulturveranstaltung. Nun ja.

Das Ziel ist berechtigt, der Weg verschwiemelt. Mit dem Rückgriff auf feuerpolizeiliche Regularien oder das Versammlungsrecht begeben sich die Verantwortlichen in den Kommunen gezwungenermaßen auf eben jenes Niveau, auf dem Erdogans Handlanger als „private Veranstalter“ die Behörden nasführen. Richtig wäre dagegen eine politische Entscheidung auf zwischenstaatlicher Ebene. Wann endlich deklariert die Bundesregierung Erdogan und seine Administration mit ihrem gegenwärtigen Gebaren als das, was sie in Deutschland längst sind? Unerwünschte Personen.

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