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Kommentar zu Stasi-MethodenSpione bei Ditib – Trauerspiel auf dem Rücken Kölns

Lesezeit 3 Minuten
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Die Moschee in Köln-Ehrenfeld.

Dossiers, die türkische Geistliche (Imame) über Mitmenschen angefertigt haben, lesen sich, als habe die Staatssicherheit der untergegangenen DDR sie geschrieben. Von Stasi-Methoden spricht der Chef der kurdischen Gemeinden in Deutschland, Ali Ertan Toprak.

Das von der regierungskritischen türkischen Zeitung „Cumhuriyet“ vorgelegte Material ist so detailliert, dass es den Schluss nahelegt: Der innertürkische Konflikt zwischen Anhängern von Präsident Recep Tayyip Erdogan und denen des Predigers Fethullah Gülen sowie der kurdischen Minderheit wird nicht nur nach Deutschland getragen. Hier werden demnach auch Menschen ausgehorcht und bespitzelt.

Die von der Zeitung veröffentlichten Papiere nennen Opfer und Täter gleichermaßen mit Namen. Federführend im Aushorchen seien die Ditib, die der staatlichen Religionsbehörde in der türkischen Hauptstadt Ankara untersteht und die meisten Moscheen in Deutschland betreibt, sowie türkische Konsulate, darunter das Kölner, heißt es weiter in der Zeitung. Den Anschuldigungen von „Cumhuriyet“ – der ehemalige Chefredakteur ist ins Ausland geflohen, viele Mitarbeiter sitzen im Gefängnis – steht ein dürres und wenige Zeilen umfassendes Dementi der deutschen Ditib-Zentrale gegenüber. Alle Versuche, mehr an Information, Begründung und Hintergründen zu erhalten, laufen ins Leere. 

Schwerwiegende Vorwürfe

Die Vorwürfe an sich sind schwerwiegend, in Köln wiegen sie umso schwerer. Bis zu zehn Prozent der Bürger in dieser Stadt sind Türken oder haben diesen Migrationshintergrund. Ausgerechnet hier sollte mit der prachtvollen Moschee im Stadtteil Ehrenfeld ein Symbol für Offenheit, Miteinander und städtebaulichen Fortschritt geschaffen werden, entworfen von einem Sproß der Architektendynastie Böhm, deren Sakralbauten Rang und Namen haben.

Dass die Fertigstellung sich verzögert, mag man noch milde sehen in einer Stadt, die es schwer hat, skandalfrei sowie innerhalb von Zeitplan und Kostenrahmen zu bauen. Schwerer wiegt, dass auch innerhalb dieses Baus sowie durch das Kölner Konsulat – diesen Schluss legen die Veröffentlichungen weiter nahe – Türken andere Türken aushorchten und -spionierten.

Verantwortliche, die abtauchen. Anschuldigungen, Zurückweisungen, die Flucht von Gesprächspartnern aus dem Gespräch oder ins Unverfängliche oder Schablonenhafte – all das markiert Angst und Verunsicherung, die in türkischen Gemeinden und bei deren Repräsentanten praktisch mit den Händen greifbar geworden sind.

Türkische Konflikte in Deutschland ausgelebt

Die Säuberungen in der Türkei zeigen Konsequenzen auch in diesem Land, der Verdacht, Anhänger des Predigers Gülen zu sein, der hinter dem fehlgeschlagenen Putsch in der Türkei stecken soll, lastet auf den türkischen Gemeinden und spaltet sie. Es ist nicht von ungefähr, dass deutsche Politiker, darunter einige mit türkischen Wurzeln, die Türkei eindringlich warnen. Arbeit für fremde Geheimdienste, Spionage steht in diesem Land unter Strafe.

Die andere Seite dieses Trauerspiels ist, dass fast 100.000 der eine Million Kölner Bürger türkische Wurzeln haben. Sollten die Vorwürfe sich bewahrheiten, wäre das ein beschämendes Spiel, das unsere Städte spaltet und die deutsche Gesellschaft belastet. Statt die Integration zu fördern, werden Konflikte eines fremden Staates in diesem Land ausgelebt. All jene, die sich für eine doppelte Staatsbürgerschaft aussprechen, geraten durch einen solchen Konflikt in Erklärungsnotstand. 

Einmal mehr sind die Kräfte gefragt, die Menschen einen und sie nicht auseinandertreiben. Es ist eine Kölner Moschee, die wir uns in Köln-Ehrenfeld wünschen, ein Gotteshaus, auf das alle stolz sein können. Ein Tempel Ankaras, der für Spaltung und politischen Eifer steht, gehört hier nicht hin.

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