Leipzigs OB Burkhard Jung„Ich halte die Stimmung in Sachsen kaum noch aus“

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Pegida 140316

Eine Frau auf eine Pegida-Kundgebung.

Dresden – So deutlich hat es noch kein verantwortlicher sächsischer Politiker gesagt: „Ich halte die Stimmung in Sachsen kaum noch aus“, bekennt der Leipziger SPD-Oberbürgermeister Burkhard Jung. Wären da nicht die vielen optimistischen Menschen, die aktiv Willkommenskultur leben und deutlich auf der Straße ihren Widerstand formulieren, „dann könnte man fast verzweifeln", sagte Jung dem Internetportal 100tage100menschen.de des Deutschen Katholikentages, der vom  25. bis 29. Mai in der sächsischen Messemetropole stattfindet.

Burkhard Jung

Im Rahmen der Eröffnung der Leipziger Buchmesse halten (l-r) Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) Messechef Martin Buhl-Wagner, Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) und der deutsche Historiker Heinrich August Winkler im Gewandhaus in Leipzig (Sachsen) Karten mit der Aufschrift «Für das Wort und die Freiheit» nach oben.

Jung appelliert an seiner Kollegen, sich klarer und deutlicher gegen den Rechtsextremismus im Land zu positionieren. „Die Politiker vor Ort müssen Bündnisse schmieden, um zu zeigen, dass sie für ein anderes, weltoffenes Deutschland einstehen.“

AfD muss draußen bleiben

In dem Gastbeitrag formuliert Jung: „Wir haben in Sachsen ein Rassismusproblem“. Er wolle aber nicht pauschal über Kolleginnen und Kollegen urteilen, so der Leipziger Rathauschef. Er könne sich gut vorstellen, dass es vor allem in kleinen Gemeinden manchmal schwer für einen Bürgermeister sei, gegen die Stimmung vor Ort aufzustehen.

Den Katholikentag sieht der Leipziger OB als Diskussionsforum für alle Menschen, sich auch mit den aktuellen politischen Herausforderungen auseinanderzusetzen, von der Flüchtlingskrise bis zu Fragen der Integration. „Diese Themen gehen uns alle an, egal ob gläubig oder nicht gläubig“, so Jung.

Der Katholikentag hat beschlossen, Vertreter der Alternative für Deutschland von allen Podien auszuschließen. Jung respektiert den Entschluss, aber: „Im Leipziger Stadtrat sitzen vier Mitglieder der AfD. Meine Erfahrung ist, dass das Menschen sind, mit denen man einen Dialog führen kann.“ Er wisse  auch, dass es innerhalb der AfD extremistische Tendenzen gebe bis hin zu offener Fremdenfeindlichkeit. „Wir müssen aber mit Menschen im Gespräch bleiben, die ihre Ängste und Sorgen loswerden wollen“, so Jung.

Sachsen gilt als „braun“

Sachsen gilt vielen seit Pegida, Legida und Ausschreitungen wie vor dem Freitaler Flüchtlingsheim als Hochburg der Fremdenfeinde. Allein 2015 gab es 477 rassistische und rechtsmotivierte Übergriffe, das sind 86 Prozent mehr als im Vorjahr. 74 Mal wurden Flüchtlingsheime angegriffen, es gab 19 Brandstiftungen und 21 gefährliche Körperverletzungen.

Sachsens CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich beklagte, dass Problem der Fremdenfeindlichkeit in seinem Land lange unterschätzt zu haben. „Sachsen hat ein Problem mit Rechtsextremismus und es ist größer, als viele - ich sage ehrlich: auch ich - wahrhaben wollten", sagte er kürzlich im Dresdner Landtag. Bernd Merbitz, Polizeichef von Leipzig, warnte vor einer pogromartigen Stimmung, die sich im Land breit mache.

Noch im Februar hatte ein fremdenfeindlicher Mob im Erzgebirgsdorf Clausnitz brüllend einen Bus mit Flüchtlingen blockiert. In Bautzen bejubelten Anwohner ein brennendes Gebäude, in das Flüchtlinge einziehen sollten, einige behinderten sogar die Löscharbeiten der Feuerwehr.

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