Richtungsweisendes UrteilZDF-Reporterin klagt für gleichen Lohn bei gleicher Arbeit

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Am Entwurf des neuen Gesetzes "zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen"

Am Entwurf des neuen Gesetzes "zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen"

An diesem Mittwoch entscheidet das Arbeitsgericht Berlin in erster Instanz über die Klage der ZDF-Reporterin Birte Meier, die den Sender verklagt hat, weil sie weniger verdient als ihre männlichen Kollegen. Allerdings rechnet wohl keiner der Prozessbeteiligten ernsthaft damit, dass Arbeitsrichter Michael Ernst zugunsten der Klägerin entscheidet. Dennoch wird das Urteil auf höchstes Interesse stoßen, weil dieser Fall einer der wenigen in der Bundesrepublik ist, in dem es eine Frau wagt, wegen Geschlechterdiskriminierung gegen ihren Arbeitgeber zu klagen.

Feste und freie Mitarbeiter

Der Verlauf der mündlichen Verhandlung Anfang Dezember zeigte recht anschaulich, warum das wohl so ist. Der Richter selbst übernahm es, sämtliche Vorurteile zu formulieren, die Frauen sonst von einer solchen Klage zurückschrecken lassen. Zunächst einmal wunderte er sich über die Klageschrift, die rund 500 Seiten umfasst: „Mein Freund, der Baum, ist tot“, sagte er, als er sich die Aktenordner zurechtlegte. „Die Arbeitsfläche hier ist schon fast zu klein.“ Er habe alles gelesen, versicherte er und fügte hinzu: „Ich weiß aber nicht, ob ich alles verstanden habe.“

Am unstrittigsten scheint dabei der Sachverhalt an sich zu sein. Die Reporterin, die für die Sendung Frontal 21 arbeitet, dort als Leistungsträgerin gilt und für ihre Beiträge auch ausgezeichnet wurde, hatte festgestellt, dass sie erheblich weniger verdient als ihre männlichen Kollegen. Im Gespräch mit einem mittlerweile pensionierten Redakteur stellte sich sogar heraus, dass dieser netto mehr verdiente als sie brutto – obwohl beide die gleiche Arbeit machten. Zunächst versuchte die Journalistin, mehr Gehalt zu verhandeln. Als dies nichts brachte, reichte sie schließlich Klage wegen „Ungleichbezahlung aus geschlechtsdiskriminierenden Gründen im Verhältnis zu einem Mann“ ein.

Dass Birte Meier weniger verdient als ihre männlichen Kollegen, sah auch der Richter als erwiesen an. „Sie vergleichen aber Äpfel mit Birnen“, hielt er der Klägerin vor. Denn der Kollege, auf den sie sich bezog, war fest angestellt, während Birte Meier bei Frontal 21 als freie Mitarbeiterin beschäftigt ist. Meiers Rechtsanwalt Hans-Georg Kluge hielt dem entgegen, dass es bei der Bewertung um die „Gleichheit der Arbeit“ gehe und verwies auf das Europarecht, in dem es auf den Arbeitswert und nicht auf den Status ankomme. Doch diese Argumentation stieß bei Arbeitsrichter Ernst auf Verständnislosigkeit. „Wo bleibt da die Vertragsfreiheit?“, fragte er und räsonierte, dass das Europarecht in dieser Hinsicht womöglich in Deutschland rechtswidrig sein könne: „Wir haben ja ein Grundgesetz. Europarecht brauchen wir nicht.“

Bei der Bezahlung von Mitarbeitern schlage neben gleicher Qualifikation auch die Berufserfahrung zu Buche, führte er weiter aus und erklärte der kinderlosen Klägerin, dass Schwangerschaften dazu beitrügen, dass Frauen eine geringere Berufserfahrung hätten. Daraufhin gab es Unmutsbekundungen von den Zuschauerbänken, woraufhin der Richter Ordnungsgelder androhte und erklärte: „So einfach, meine Damen, ist das nicht, auch wenn Sie noch so laut stöhnen.“ Auf die Frage der Klägerin, warum es Männer in der Redaktion gebe, die weniger Berufserfahrung hätten als sie und trotzdem mehr verdienten, fragte er zurück: „Weil die Kollegen besser verhandelt haben? Das nennt man Kapitalismus.“

Endgültig zu entgleisen drohte die mündliche Verhandlung als die ZDF-Anwälte erklärten, dass sie angesichts der Klage das Vertrauensverhältnis als zerrüttet ansehen und deshalb das Arbeitsverhältnis aufzulösen gedenken. Dies ist ein klarer Verstoß gegen das Maßregelverbot, wonach einem Arbeitnehmer kein Nachteil daraus entstehen darf, dass er seine Rechte in Anspruch nimmt. Für Arbeitsrichter Ernst stellte das Ansinnen der ZDF-Anwälte jedoch kein Problem dar. Er bestärkte die Anwälte sogar und sagte: „Darüber habe ich auch schon nachgedacht.“ Der Klägerin riet er das Gleiche.

Befangenheitsantrag erwogen

Die möchte aber vor allem nicht weiter eingeschüchtert werden, wie sie noch während der mündlichen Verhandlung erklärte. Einen Vergleich mit dem ZDF lehnte sie ab. Mit ihrem Anwalt hatte sie zwischenzeitlich erwogen, wegen der Verhandlungsführung einen Befangenheitsantrag gegen den Richter zu stellen. Dass es dazu nicht kam, liegt vor allem daran, dass sie die Fortsetzung ihres Prozesses vor der nächst höheren Instanz nicht verzögern möchte. „Das Verfahren zieht sich wegen zahlreicher Terminverschiebungen schon seit Frühling 2015“, erklärte Rechtsanwalt Hans-Georg Kluge am Dienstag.

Nun soll es möglichst schnell seinen Fortgang vor dem Landesarbeitsgericht finden. Allerdings behielt sich der Rechtsanwalt vor, die Prozessrechtsverstöße vor dem Landesarbeitsgericht als Berufungsgründe zur Sprache zu bringen. Auch mögliche Dienstaufsichtsbeschwerden Dritter gegen die Prozessführung des Richters blieben vom Verzicht auf den Befangenheitsantrag unberührt.

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