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Nach Übergriffen in SilvesternachtDie „Marke Deutschland“ hat nachhaltig gelitten

Lesezeit 5 Minuten
Die Übergriffe in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof haben eine neue Flüchtlingsdiskussion angefacht

Die Übergriffe in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof haben eine neue Flüchtlingsdiskussion angefacht

Die Serie der Negativ-Ereignisse, die in Deutschland stattfinden, aber auch international aufmerksam beobachtet und intensiv diskutiert werden, reißt nicht ab. Stuttgart 21, Flughafen Berlin, Elbphilharmonie Hamburg, VW-Abgasbetrug, die ungesühnten Anschläge auf Asylbewerber-Unterkünfte.

Und nun auch noch die offenkundige Unfähigkeit einer personell unterbesetzten und konzeptionell überforderten Kölner Polizei, Feiernde in der Silvesternacht rund um den Dom vor marodierenden Gewalttäterbanden zu schützen sowie – in der Nacht von Sonntag auf Montag dieser Woche – die wahllose Jagd auf Ausländer zu verhindern.

Markus Renner, geb. 1964 in Köln, berät mit seiner Schweizer Firma Branding-Institute AG Unternehmen und Organisationen weltweit in Fragen des Marken- und Reputationsmanagments.

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Renner, der u.a. bei der Bayer AG tätig war, ist Gastprofessor an der Henley Busines School in England und Co-Chairman der "International Brand & Reputation Community" (INBREC). Er lebt seit 2004 in Basel.

Die Abstände zwischen diesen schlagzeilenträchtigen, rufschädigenden Einschlägen scheinen kürzer zu werden. Sie führen dazu, dass Deutschland, das laut globalen Umfragen noch zu den angesehensten Staaten weltweit gehört, an Strahlkraft verliert.

Die globalen Leitmedien wie „New York Times“, CNN oder BBC sowie die sogenannten sozialen Medien berichten derzeit laufend über den „Fall Köln“ und immer neue Details. Die entsprechenden Schlagzeilen werden im Internet für immer präsent und abrufbar sein. Dadurch wird sich das Thema in den Köpfen der Menschen festsetzen und somit die „Marke Deutschland“ weltweit beschädigen.

Woher kommt die gute Reputation Deutschlands?

Was aber ist eigentlich die „Marke Deutschland“? Und woraus speist sich die (noch) gute Reputation – also der gute Ruf, das Ansehen – unseres Landes? Marke und Reputation sind zwei Seiten derselben Medaille: Die Marke ist die Eigendefinition, also das, wofür ein Land nach eigenem Verständnis steht und von anderen (an)gesehen werden möchte; die Reputation ist das Ergebnis, also wie ein Land im Ausland tatsächlich gesehen wird.

Obwohl die Reputation „nur“ die Wahrnehmung ist – die nicht zwangsläufig den Tatsachen entsprechen muss, sondern auch auf (positiven oder negativen) Vorurteilen oder Fehleinschätzungen beruhen kann –, ist sie von zentraler Bedeutung. Denn sie beeinflusst unsere Einstellungen und Handlungen gegenüber Reputationsobjekten. Eine schlechte Reputation kann dazu führen, dass gern- gesehene Gäste wie Touristen oder Investoren einen Bogen um ein Land machen. Auch kann die Attraktivität der Waren und Dienstleistungen sinken, welche aus diesem Land kommen. Chinesische oder südafrikanische Firmen etwa spüren diesen negativen „Country-of-Origin-Effekt“ deutlich in ihren Export-Bilanzen.

Internationale Erhebungen zeigen, dass Deutschland und die Deutschen – grob zusammengefasst – mit Attributen wie „Sicherheit“, „Gründlichkeit“, „Organisationsgeschick“, „Effizienz“, „Qualität“, „funktionierende Infrastruktur“ sowie „Ingenieurskunst“ assoziiert werden – allesamt positiv belegte Werte, die wesentlich beitragen zur hohen Attraktivität deutscher Produkte und Dienstleistungen weltweit. Deutschland muss allerdings aufpassen, dass das Vertrauen in diese positiv belegten „deutschen Kernwerte“ durch die Skandale in Köln, Hamburg, Stuttgart, Wolfsburg und anderswo nicht weiter schwindet.

Lesen Sie auf der nächsten Seite was zu tun ist, um die „Marke Deutschland“ wieder weltweit zu stärken.

Aus empirischen Studien geht hervor, dass die wahrgenommene Sicherheit ein zentraler Faktor dafür ist, wie Menschen eine Nation oder auch eine Stadt als Ganzes bewerten. Sicherheitsdefizite wirken sich negativ aus auf den wirtschaftlichen Erfolg der betroffenen Region, weil Touristen, Top-Arbeitskräfte inklusive ihrer Familien sowie Investoren vermeintlich sicherere Orte bevorzugen.

Deutlich zu spüren bekommt dies beispielsweise Indien, das durch die dort verübten Gruppenvergewaltigungen dauerhaft im Fokus der internationalen Medien und der Weltöffentlichkeit steht – und entsprechend als „unsicheres Land“ wahrgenommen wird. Die deutsche Bevölkerung, Wirtschaft und Regierung haben also durchaus Anlass zur Sorge.

Was ist also zu tun, um die Reputation der „Marke Deutschland“ weltweit wieder zu stärken? Essenziell wäre sicherlich, dass (vermeidbare) Eskalationen wie in Köln künftig auch tatsächlich verhindert werden. Köln muss speziell den Platz um den Dom und natürlich auch die Kathedrale selbst als „die“ Visitenkarte der Stadt und ganz Deutschlands aufs Sorgfältigste und Intensivste hegen und pflegen – sowohl was die Sicherheit angeht, als auch was die Optik betrifft.

Ein Vorbild könnte die „Präsenz Schweiz“ sein

Der „Marke Deutschland“ stünde es gut zu Gesicht, wenn sie künftig aktiv geführt werden würde. Dafür müssten sich maßgebliche Akteure aus Bundes-, Landes- und Lokalpolitik, Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Bereichen auf ein systematisches Marken- und Reputationsmanagement für ganz Deutschland verständigen. Voraussetzung hierfür wäre, dass sie die „Marke Deutschland“ klar und nachvollziehbar definieren, deren Wahrnehmung regelmäßig messen und aus den gewonnenen Erkenntnissen konkrete Verbesserungsmaßnahmen ableiten und umsetzen.

Vorbild könnte hier die „Präsenz Schweiz“ sein – eine eigene Abteilung innerhalb des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) in Bern, welche die sogenannte „Swissness“ mit zeitgemäßen Mitteln managt und die „Marke Schweiz“ weltweit überaus erfolgreich positioniert hat.

Das Wichtigste aber wird sein, dass die Deutschen sich ihrer „Markenversprechen“ bewusst sind und diese auch konsequent einlösen.

Dazu gehört auch zwingend: Wenn es im öffentlichen Raum an neuralgischen Stellen wie Bahnhöfen – was wohl niemals ganz auszuschließen sein wird – zu Belästigungen oder gar Angriffen kommt, müssen die Betroffenen unbedingt darauf vertrauen dürfen, dass die Polizei unmittelbar zur Stelle ist und kompromisslos durchgreift.

Will Deutschland weiterhin ganz oben in der Liga der angesehensten Staaten weltweit mitmischen, muss die Politik die entsprechenden Mittel hierfür bereitstellen.

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