WahlkampfWie Christian Lindner die FDP wieder zurückbringt

Lesezeit 5 Minuten
Pic Lindner

FDP-Chef Christian Lindner

  • Die FDP bietet im Wahlkampf in drei Bundesländern Spitzenkandidaten auf
  • Lindner glänzt als Dauerredner und beherrscht die Partei nach innen wie keiner vor ihm

Ein Mann, drei Wahlkämpfe, mehr als 330 Termine: Das geht leicht an die Substanz, selbst wenn einer sich täglich auf Laufband und Rudergerät so fit und schlank hält wie Christian Lindner. Ab und zu sieht er schon etwas blass im Gesicht aus zwischen modischem Stoppelbart und per Implantat aufgefülltem Blondschopf.

Aber dem 37-jährigen bleibt keine Wahl. Seine Partei bietet in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt regionale Spitzenkandidaten auf. Zweimal Aufstieg (Mainz und Magdeburg), einmal Klassenerhalt (Stuttgart) lauten ihre Saisonziele. Aber der Star der Partei bleibt nun einmal er. Also rast Lindner als allgegenwärtiger Dauerredner ruhelos durch die Republik wie der Barbier von Sevilla in Gioachino Rossinis Oper: Figaro hier, Figaro da...

Und weil’s so schön passt, muss noch Zeit für einen Abstecher nach Hessen bleiben. Dort sind am Sonntag „nur“ Kommunalwahlen. Aber vorher gibt’s an der Frankfurter Uni die „FuckUp Night“. Hier treffen sich vor allem Jungunternehmer, die schon mal Schiffbruch erlitten haben – wie Lindner selbst mit Anfang 20. „Heute bin ich Chef der FDP“, sagt er mit dem Anflug eines Lächelns in seiner Videobotschaft, „und damit Experte für zweite Chancen.“ Für den Vorsitzenden stellen alle Wahlen vor 2017 nur Stufen dar zu seinem      zentralen Ziel:  Rückkehr in den Bundestag nach vier Jahren außerparlamentarischer Opposition.

Alles zum Thema Christian Lindner

Die alte wirtschaftliche Pleite hat Lindner im vorigen Jahr zu einem neuen medialen Durchbruch verholfen. Der Zwischenruf eines Hinterbänklers aus der SPD stachelte ihn im Düsseldorfer Landtag zu einer „Wutrede“ an, wie es anschließend allenthalben hieß. Publikumswirksam erregte sich der FDP-Politiker, dass in Deutschland verspottet werde, wer unternehmerisches Risiko auf sich nehme. Dies erregungspolitische Erfolgsrezept bekam vor kurzem auch SPD-Fraktionschef Norbert Römer zu spüren, als er die CDU als rechtspopulistisch beschimpfte.

Viraler Hit auf YouTube

Der Sozialdemokrat verharmlose die wahren Feinde der Demokratie, konterte Lindner  und arbeitete ebenso polemisch wie präzise den von Union und  AfD heraus. Die neue Partei habe sich gerade „von den Bürgerlichen getrennt, um radikaler sein zu können.“ Insgesamt wurden die beiden Videos inzwischen rund neun Millionen Mal auf Youtube angeschaut. Keine schlechte Quote für den Chef einer Partei, die auf Bundesebene keine Rolle mehr spielt. Eigentlich.

Doch Christian Lindner unternimmt alles, um sie die alte  Bedeutung wieder zu erkämpfen. Zu den wichtigsten Waffen seines Arsenals  zählt eine genau abgezirkelte Kritik an  der Bundeskanzlerin und ihrer Flüchtlingspolitik.   „Solange Frau  Merkel an ihrem Kurs festhält und keine politische Wende vollzieht, wird es keine europäische Lösung geben“, sagt er kühl und fügt hinzu: „Wir brauchen sichere Grenzen und eine bessere Kontrolle.“ Keine Relativierung, klare Ablehnung.  Das ist er auch den eigenen Leuten schuldig, die in der gescheiterten „Wunschkoalition“ mit der Union unter Merkels (aus ihrer Sicht) mangelndem Verständnis für ihre Belange gelitten haben.

Ebenso deutlich setzt der FDP-Chef sich vom polemischen Überschuss aus Bayern ab. Wenn Horst Seehofer von einer  „Herrschaft des Unrechts“ in der Flüchtlingskrise spreche, erwecke er den Eindruck eines Staatsstreichs, was unzulässig sein: „Die Entscheidung von Frau Merkel war politisch falsch, aber sie war legal“. Damit spiele er „den Rechtspopulisten in die Hände“. Links die Römers, rechts die Seehofers und das Weltkind  Lindner zielt auf die bürgerliche Mitte.

Die Umfragen geben Lindner recht

Er weiß ja, wie viele Menschen, die der CDU zuneigen, schon vor der Flüchtlingskrise ihre Probleme mit Merkel hatten, weil sie ihnen  „zu links“ daher kam. In der Flüchtlingsfrage glaubt er , den archimedischen Punkt gefunden zu haben,  von dem aus er die Mitte-Kanzlerin   aushebeln kann -  ohne selbst nach rechts rücken zu müssen.

Die Umfragen scheinen ihm recht zu geben. Von den Verlusten der CDU in den Meinungsumfragen bleibt inzwischen einiges bei den Freien Demokraten hängen, wie der Vorsitzende seine Partei gern in Langform nennt.    Das erinnert nicht mehr an den unsympathischen „Neo-Liberalismus“, mit dem sich sein Entdecker Guido Westerwelle einst so viele Feinde gemacht hatte. Selbst in Sachsen-Anhalt, wo die FDP zeitweise in den Bereich des nicht mehr Messbaren gerutscht wahr, trauen die Demoskopen ihr inzwischen einen knappen Satz über die Fünf-Prozent-Hürde zu. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz rangiert sie (je nach Institut) irgendwo zwischen sechs und acht Prozent.

Nachdem  die Partei ihre ersten Erfolge nach der Katastrophe mit zwei Frauen erzielt hatte: Katja Suding in Hamburg und Lencke Steiner in Bremen,  annonciert sie die aktuelle Aufstellung  mit einem Augenzwinkern: „Wir können auch Männer!“ In Magdeburg versucht es ein  Newcomer, der athletische Eventmanager Frank Sitta. „Sachsen-Anhalt. Machen wir was draus“ spielt sein Slogan auf das Underdog-Image des Landes an.

Das Risiko des Christian Lindner

In Mainz und Stuttgart treten zwei in Ehren ergraute Herren an. Volker Wissing war jahrelang Finanzpolitiker der FDP-Bundestagsfraktion und galt selbst in der eigenen Reihen als „staubtrocken“  . Die Berliner Werbeagentur „Heimat“ , die der Bundespartei eine frische Farbe („Magenta“) verordnet hat, inszeniert daraus eine Melange von Zielstrebigkeit und Seriosität. Ulrich Rülke ist sei 2009 Fraktionschef im Stuttgarter Landtag und bekannt dafür, dass er sich bislang um politische Vorgaben der Bundespartei kaum gekümmert hat. Die Agentur verkauft ihn als eigenwilliges Original: „Du kannst Rülke nicht ändern. Aber Rülke etwas im Land.“

Aber auch der badische Querkopf kann nicht (mehr) schalten wie er will. Christian Lindner hat die Wahlkatastrophe von 2009 genutzt , um  die Machtverhältnisse in der FDP gründlich zu verändern. Die Zentrale subventioniert die Landeskampagnen. Obendrein   organisiert sie  Wahlkampfeinsätze aus dem gesamten Bundesgebiet. Dafür hat der Vorsitzende sich Einfluss gesichert, der über bloße Mitsprache weit hinausgeht. Christian Lindner ist nicht nur nach außen der Star der Partei. Nach zwei Jahren im Amt beherrscht er nach innen wie keiner vor ihm. Das funktioniert, so lange er Erfolg hat. Lindner weiß um sein Risiko. Auch deshalb rast er so rastlos durch die Republik.

KStA abonnieren