PorträtDer Mann, der Frechen 20 war

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Prägte über viele Jahre die Geschicke des Fußballklubs SpVg Frechen 20: Karl Lambertin. (Archivbild: Magro/Weingarten)

Prägte über viele Jahre die Geschicke des Fußballklubs SpVg Frechen 20: Karl Lambertin. (Archivbild: Magro/Weingarten)

Frechen – Eine Anekdote aus der 92-jährigen Vereinsgeschichte der Spielvereinigung Frechen 20 wird wohl ewig ein Stammtisch-Thema bleiben: Der Tritt von Karl Lambertin in den „Allerwertesten“ des damaligen Bundesliga-Schiedsrichters Joachim Kautschor. Die Episode ereignete sich nach dem Abpfiff der Verbandsliga-Partie Frechen 20 gegen VfR Übach-Palenberg in der Saison 1985/86. „Kautschor hatte in diesem Spiel gleich drei Spieler von uns vom Platz gestellt. Als er mich dann nach dem Ende auch noch angrinste, sind mir die Sicherungen durchgebrannt“, muss Lambertin, der anschließend vom Verband für lange Zeit gesperrt wurde, heute schmunzeln.

Der unrühmliche Vorfall verschaffte dem damaligen Spielertrainer ungewollt jede Menge Publicity. Sogar die Bild-Zeitung widmete der Geschichte eine ganze Seite. Gleichzeitig war damit seine aktive Karriere als Libero im stolzen Alter von 49 Jahren beendet. Lambertin, der am Montag seinen 76. Geburtstag feiert, wurde zwar nach drei Monaten wieder begnadigt, musste aber aufgrund einer Knieverletzung die Schuhe ohnehin an den Nagel hängen. Augenzeuge der unvergesslichen Attacke war übrigens sein Mitspieler Matthias Brücken. „Kautschor flog im hohen Bogen in das nahegelegene Rosenbeet. Da hatte der Karl ganz schön zugelangt“, erinnert sich der Ex-Profi, der für den 1. FC Köln und Bayer Leverkusen insgesamt 28 Bundesliga-Spiele bestritt und Frechen 20 Ende der 80er-Jahre in der Verbandsliga trainierte. Für den 59-Jährigen Brücken ist Lambertin ohne Frage die Person, die den Traditionsverein aus dem Rhein-Erft-Kreis am stärksten geprägt hat: „Er war eine ehrliche Haut, im positiven Sinn fußballverrückt und hat den Verein nie im Stich gelassen.“

Lambertins Fußballkarriere begann beim SC West Köln. Als der gebürtige Frechener in der Spielzeit 1958/59 für den SC Bergheim 07 mehr als 70 Tore erzielt hatte, bot ihm der VfL Borussia Mönchengladbach einen Drei-Jahres-Vertrag an, und Lambertin, der zu dieser Zeit bereits als Journalist in Köln tätig war, ließ sich nicht zweimal bitten. Doch sein Aufenthalt am Niederrhein war nur von kurzer Dauer. Nach einem Jahr mit mageren fünf Einsätzen für die Borussia in der Oberliga West wechselte er zur SpVg Frechen 20. „In dieser Liga konnte man damals nicht reich werden. Ich habe 1200 DM im Monat verdient und nebenbei weiter als Journalist gearbeitet. Letztendlich war mir der Beruf dann wichtiger.“ Profi wurde der 105-fache Mittelrhein-Auswahlspieler dennoch. Von 1967 an spielte Lambertin für den Zweitligisten SC Fortuna Köln, feierte mit den Südstädtern 1973 den Bundesliga-Aufstieg und kehrte danach nach Frechen zurück, wo er sämtliche Höhen und Tiefen des Klubs erlebte und die Geschicke des Klubs maßgeblich prägte.

Die ganz großen Zeiten sind inzwischen vorbei und auch Lambertin ist heute nur noch ein einfaches Mitglied des Klubs. Doch er verfolgt die Geschehnisse in Frechen weiterhin. Die 20er, die heute nach zuletzt zwei Spielzeiten in der Kreisliga A zumindest wieder in der Bezirksliga spielen, haben durchaus noch die Chance, als Tabellenzweiter über die Quotientenregelung in die Landesliga aufzusteigen. „Ich drücke die Daumen, dass es klappt. Vielleicht ist ja auch noch einmal die Verbandsliga ein Thema“, sagt Lambertin. Natürlich hat der gelernte Fotograf und Fotokaufmann auch die größten sportlichen Erfolge der Frechener nicht vergessen. Immerhin war er zeitweise Spieler, Mannschaftskapitän, Trainer und Vorsitzender in Personalunion. Lambertin war zweifellos das Gesicht des Vereins, der Macher vor und hinter den Kulissen. In der Saison 1980/81 spielte Frechen 20 in der Oberliga-Nordrhein und mischte auch im DFB-Pokal mit. In der ersten Runde siegte das Team mit 3:1 beim DSC Wanne-Eickel, ehe in der zweiten Runde beim Bünder SV das Aus kam (1:3). „In diesen Bereich wird Frechen nicht mehr vorstoßen. Es sei denn, es fällt ein Mäzen vom Himmel, der uns jahrelang unterstützt. Anders geht es heute nicht mehr.“

Auch die schlechten Zeiten, in denen in Frechen das Finanzamt vorstellig wurde, sind Lambertin noch allgegenwärtig. Mitte der 70er-Jahre hatten die Frechener 400 000 DM Schulden angehäuft. Lambertins Stunde als Klubchef hatte geschlagen: Er löste den bisherigen Vorsitzenden Klaus Schmitz ab und nahm die Geschicke selbst in die Hand. Ende der 90er-Jahre stattete das Finanzamt den Frechenern erneut einen Besuch ab und brummte dem Verein einen fünfstelligen Betrag an Steuernachzahlungen auf. Das sinkende Schiff verließ Lambertin aber nicht. Zusammen mit Vorstandskollege Peter Blum suchte er 20 Bürgen, um den Klub auf diesem Weg zu entschulden. „Zum Glück hat es geklappt. Seit 2008 sind wir schuldenfrei“, sagt das Frechener Urgestein, das erst danach sein Amt als Vorsitzender ruhigen Gewissens zur Verfügung stellte.

Selbstverständlich ist er nach wie vor bereit, den heutigen Entscheidungsträgern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. „Ich gucke mir auch noch die Spiele an.“ Sportlich aktiv ist der dreifache Familienvater übrigens immer noch. Allerdings hat er die Fußballschuhe gegen den Tennisschläger ausgetauscht. Auch mit bald 76 Jahren steht Lambertin noch mehrere Male pro Woche auf dem Platz. Aber nicht am Montag, denn dann feiert er seinen Geburtstag im kleinen Kreis. Dem bevorstehenden Gratulationsmarathon am Telefon wird er sich aber nicht entziehen können. Gut möglich, dass dann auch die ehemaligen Frechener Spieler und Kölner Ex-Profis Gerhard Strack und Heinz Simmet sowie Rainer Callmund, der in der A-Jugend bei den 20ern spielte, ihre Glückwünsche übermitteln.

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